Evangelische Kirche in Baden

Die Perspektive des Südens einbringen - Interview mit Kiflemariam Gebrewold

von Redaktion FriedensForumKiflemariam Gebrewold
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Nach einem breiten Konsultationsprozess in den Kirchenbezirken und anderen Arbeitsbereichen der Evangelischen Landeskirche in Baden (EKiBa) hat die Landessynode am 24. Oktober 2013 die friedensethische Entschließung „Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“ mit dem Ziel verabschiedet, die Landeskirche als „Kirche des Friedens“ zu profilieren. Bewusst wurden dabei Impulse der Internationalen Ökumenischen Friedenskonvokation (Jamaica 2011) mit ihrem „Ökumenischen Aufruf zum gerechten Frieden“ aufgenommen.

Die Landessynode hat zur Umsetzung ihrer Entschließung, in die dann auch die Ergebnisse der ÖRK-Vollversammlung in Busan eingeflossen sind,  ein Bündel von Maßnahmen definiert. Dazu gehört auch das Thema Rüstungsexport. Hierfür wurde dann eine eigene Stelle geschaffen, die mit Kiflemariam Gebrewold besetzt wurde. Er ist seit 2016 Verantwortlicher für Rüstungsexportfragen (1) im Prozess „Kirche des gerechten Friedens werden“ in Karlsruhe. Zuvor war er „Senior Adviser“ beim Dachverband „Christian Relief and Development Association“ in Addis Abeba und im Umfeld des „Bonn International Center for Conversion“ tätig. Wir haben ihn zu seiner Arbeit befragt.

Red.: Deine Stelle ist auf drei Jahre befristet. Was sind Deine Hauptaufgabengebiete und was hoffst Du, nach Ablauf dieser Zeit erreicht zu haben?

KG: Es handelt sich um ein Kooperationsprojekt zwischen Brot für die Welt und der Evangelischen Landeskirche in Baden. Die Arbeit hat ein Gesamtzeitfenster von 2016 - 2020. Die Grundidee ist, im Rahmen der rüstungspolitischen Arbeit, dem friedensethischen Beschluss der ev. Landeskirche Baden durch technische und politische Expertise Fachkompetenz zu verleihen. Das Denken in der Kategorie der Friedenslogik wird nicht im Projektzyklus von 3, 5, 7 etc. Jahren erreicht. Allerdings werden Pflöcke eingerammt in der Arbeit der Kirche, kirchlichen Körperschaften, etc. die dazu führen, das Thema Frieden nicht nur durch Friedensgebete zu „bearbeiten“, sondern auch eine klare rüstungspolitische Haltung zu Rüstungs- und Waffenexporten aus Deutschland zu haben. Das Thema Konversion von Rüstungsbetrieben soll wieder auf die politische Agenda gesetzt werden. Im Einzelnen sind folgende zwei Kernziele zu erreichen:

Aufbau von Fachkompetenz, die den verantwortlichen Leitungsgremien der Kirche(n) zur Verfügung gestellt wird, um sachkundig an der öffentlichen politischen Diskussion zu Rüstungsexport- und Rüstungskonversionsfragen teilnehmen und entsprechende Gespräche mit Politiker/inne/n den verschiedenen Ebenen führen zu können.

Stärkung des öffentlichen Bewusstseins für die Wirkungen der Rüstungsexporte in Gesellschaften des Globalen Südens durch lokale „Zeitzeugen“, die in ihrem Umfeld den Zusammenhang zwischen Rüstungsexport und Entwicklungsvernichtung dokumentieren und ihre Beobachtungen in die Rüstungsexportdebatte in Deutschland einbringen. In der Stärkung solcher „Zeitzeugen“ kann ein spezifischer kirchlicher Beitrag zu diesem Themenfeld in Deutschland bestehen.

Red.: Wie ist Deine Arbeit mit der Aktion Aufschrei-Stoppt den Waffenhandel verbunden? Was ist der Beitrag Deiner Stelle zu der Kampagne, bei der Ihr ja mitwirkt?

KG: Die Ev. Landeskirche Baden ist Mitglied der Kampagne und nicht das Projekt, welches ich betreue. Dennoch gibt es konkrete Maßnahmen, wie z. B. auf dem diesjährigen Aktionstag von „Aktion Aufschrei“, an dem ich im März zusammen mit dem Kollegen Andreas Dieterich/BfW einen Workshop zu Krieg und Gewalt – Flucht(ver)ursachen anbiete.

Darüber hinaus haben wir durch Pfr. Kadala die Opferperspektive unserer Partnerkirche - Ekklesiyar Yan'uwa a Nigeria (EYN) (Church of the Brethren) in Nigeria, wo Boko Haram wütet, eingebracht. Hier sind Christen und Muslime die Leidenden. Die Erfahrungen dieser Friedenskirche in einem Meer der Gewalt, und der Dialog, den sie mit den Muslimen eröffnet hat, sind vor Ort Perspektiven, die auch der „Aktion Aufschrei“ zugutekommen und stellen eine genuine Südperspektive dar. Letzteres ist Mangelware in der friedenspolitischen Diskussion in Deutschland.

Wir bereiten gerade zusammen mit der Informationsstelle Militarisierung (IMI) in Tübingen eine aktualisierte Version des Rüstungsatlas Baden vor, der anschaulich macht, wo überall Rüstungsbetriebe und vor allem Dual-use Produktionsstätten vorhanden sind. Dieses Material erlaubt das Thema Rüstungsexport und -Produktion als ein Thema nahe an den Menschen in Kirchengemeinden und darüber hinaus als ein „Vor Ort Thema“ wahrzunehmen. Die Rüstungsbetriebe sind nicht irgendwo, sondern in Städten und Gemeinden im „Ländle“. Damit können Friedensgruppen, Jugendgruppen, ehemalige EntwicklungshelferInnen, Menschen, die in der Arbeit mit Geflüchteten involviert sind und andere, Rüstungsexporte aus Deutschland als eigenständiges Thema bearbeiten, das sehr wohl mit uns und unserem Exportgebaren zu tun hat.

Darüber hinaus ist der badische Friedensprozess der EKiBa Teil der Kampagne und beteiligt sich an Aktionen (z. B. Staffellauf Pfingsten 2018), hält Vorträge, und betreibt Lobbyarbeit beim Weltkirchenrat, damit die Verzahnung dieser deutschen Kampagne ökumenisch wahrgenommen wird. 

Red.: Ihr plant eine Studie zum Konflikt in Burundi und die Rolle, die Handfeuer- und Kleinwaffen dort spielen. Kannst Du uns zu der Studie etwas erzählen und was Ihr hofft, mit Ihr zu erreichen?

KG: Burundi durchlebt seit ca. drei Jahren eine gewaltsame staatlich organisierte Unterdrückung aller, die nicht der Regierung genehm sind. Die Welt schaut wieder mal mehr oder weniger zu - mit Ausnahme von zaghaften Initiativen der UN (2) und der AU. Dies ist essentiell deshalb so, weil Burundi nicht die Rolle wie der Irak für den globalen Norden spielt.

Handfeuer- und Kleinwaffen sind in dieser Region mit seinen porösen Grenzen leicht verfügbar. Wir gehen davon aus, dass diese Waffen den Konflikt befeuern und noch brutaler machen, als er schon ist. So wie bei dem Völkermord in Ruanda, wo vor den Augen der Weltgemeinschaft die Machete als Tötungsinstrument eingesetzt wurde. Dies wurde in Ruanda aber erst durch para-militärische Kräfte möglich, die das Massaker durch automatische Waffen „abgestützt“ haben.

Ein ähnliches Szenario könnte Burundi bevorstehen. Wir wollen durch Vor-Ort-Recherchen die Situation durch eine angewandte Studie eruieren lassen. Vorarbeiten dazu haben wir in der Region mit einer lokalen kirchlich orientierten NGO gemacht, die unter  schwierigen Umständen bereits für IANSA (International Action Network on Small Arms) ähnliche Themen in der Vergangenheit bearbeitet hat. Details zu der Organisation, Zeitpunkt der Studie etc. mache ich nicht, da die burundischen Behörden und ihre Botschaft jede Art von Recherche unbedingt unterbinden wollen. Burundi ist übrigens Partnerland von Baden-Württemberg, und insofern ergibt sich für die Evangelische Kirche Baden ein besonderer Bezug zu diesem Land. 

Red.: Du warst auch Beobachter in New York, als dort die Vollversammlung der Vereinten Nationen im Oktober 2016 vorbereitet wurde. Wie seht Ihr die geplanten Verhandlungen über einen Atomwaffenverbotsvertrag? Was kann der bewirken, wenn sich doch fast alle atomwaffenbesitzenden Staaten verweigern?

KG: Die Verweigerung der atomwaffenbesitzenden Staaten ist ein erneuter Beleg dafür, dass sie diese auf Vernichtung der Menschen und der Erde abzielende Waffe als exklusiver Apartheid-Club weiterhin haben wollen. Der Rest der Welt wird somit in Geiselhaft genommen.

Die meisten wichtigen revolutionären gesellschaftlichen Verbesserungen haben nicht unter Einbeziehung der Urheber von Repression am Runden Tisch stattgefunden. Die Sklavenhalter saßen nicht mit am Tisch, um die Sklaverei abzuschaffen. Zum ersten Mal in der jüngsten Geschichte haben sich fast 2/3 der UN-Mitgliedsstaaten gegen die Minderheit aufgelehnt. Der US-Botschafter für Abrüstung (Robert Wood) hat während der UN-Sitzung z. B. die afrikanischen Staaten zu einer speziellen Sitzung während der Mittagspause einberufen und sie ermahnt, richtig zu votieren. Der niederländische Botschafter wurde auch von ihm bearbeitet, und dennoch haben die Niederlande als einziges Nato-Land für die Resolution gestimmt.

Die Bundesregierung hat sich sklavisch an die Bündnistreue gehalten und somit seine Position als Mit-Krieger in der Welt der militärischen Interventionen verfestigt. Die Verhandlungen beginnen in wenigen Wochen und dann werden wir sehen, ob die Nuklearstaaten sich der Mehrheit der Weltgemeinschaft anschließen oder den Rest der Welt mit ihrer Waffe erpressen wollen. Die Geschichte gibt ihnen die Wahl: Rückwärtsgewandt zu bleiben oder die Zukunft einer Nuklearwaffenfreien Welt, mitzugestalten.

Red.: Vielen Dank für das Interview.

 

Anmerkungen
1 http://ekiba.de/html/content/pilgrimage_of_justice_and_peace.html?&vollt...

2 Wohlgemerkt: Die UN ist ein Arbeitsarm der Weltgemeinschaft und kann nur das machen, was die Mitgliedsländer ihr erlauben. Auch finanziell ist die UN von den jährlichen und Sonderbeiträgen der Mitgliedsstaaten und damit den jeweiligen Regierungen abhängig. Gleiches gilt auch für die Afrikanische Union. Von solchen multi-lateralen Organisationen entscheidende Aktionen von sich heraus zu erwarten ist deshalb unrealistisch.

Die Arbeitsstelle kann per Email erreicht werden: kiflemariam [dot] gebrewold [at] ekiba [dot] de.

Mehr Informationen zum friedensethischen Prozess: http://ekiba.de/html/content/der_friedensethische_prozess.html?&volltext...

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