Dieter S. Lutz ist tot

von Peter Strutynski

Die Nachricht vom plötzlichen Tod unseres Kollegen und Freundes Dieter S. Lutz hat uns tief erschüttert. Dieter S. Lutz war einer der profiliertesten Vertreter der deutschen Friedenswissenschaft und hatte großen Anteil an der qualitativen Weiterentwicklung des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik Hamburg, das er nach dem Weggang von Egon Bahr im Jahr 1994 als Direktor übernommen hatte. Darüber hinaus hat er in friedensorientierten politischen Kreisen sowie in der Friedensbewegung und bei anderen Nichtregierungsorganisationen viele Freunde gewonnen, indem er ihnen, wo er konnte, mit wissenschaftlichem Sachverstand und politischem Rat zur Seite stand.

Wenn es sein musste - und in den letzten Jahren musste es immer häufiger sein -, ging er auch mit seiner eigenen Partei, der SPD, scharf ins Gericht und kritisierte deren außen- und sicherheitspolitische Fehlentwicklungen. Dieter S. Lutz litt darunter. Es schmerzte ihn mitansehen zu müssen, wie wesentliche Bestandteile des außen- und sicherheitspolitischen Selbstverständnisses der Nachkriegssozialdemokratie nach dem Ende des Ost-West-Konflikts über Bord geworfen wurden. Immer wieder beschwor er unter Berufung auf sein Vorbild Willy Brandt die deutsche und die europäischen Regierungen, am "zivilisatorischen Projekt" festzuhalten" und, wie er noch im Oktober in einer Stellungnahme für die Gustav-Heinemann-Initiative schrieb, "keinesfalls nach(zu)lassen im Bemühen, die USA von ihrem katastrophalen Irrweg abzubringen".

Prof. Dr. Dieter S. Lutz war Friedensforscher, Hochschullehrer und Politikberater mit Leib und Seele. Er kämpfte unermüdlich darum, Politik und Gesellschaft vom verhängnisvollen Pfad des Krieges abzubringen, um sich selbst auch wieder dem Frieden zuwenden zu können. Seine Klage über die "Zweckentfremdung" des Friedensforschers, die er in einem Vortrag vor der Deutschen Stiftung Friedensforschung vor neun Monaten äußerte, lässt erahnen, was Dieter S. Lutz aushalten musste: "Seit vielen Wochen und Monaten gehört es zunehmend zu meiner Aufgabe als Friedensforscher, nicht zum Thema Frieden, sondern aus aktuellen Anlässen zum Thema Krieg sprechen zu müssen und immer öfter zu immer neuen Gewaltakten und/oder Fehlentscheidungen Vorträge zu halten. Aus dieser Aufgabe ist mittlerweile eine sich wiederholende Pflicht geworden - und ich bedaure es, sagen zu müssen: eine zunehmend unerträgliche und mich oftmals zutiefst deprimierende Pflicht. Gewalt und Krieg - so das Empfinden - sind ´normal` geworden."

Es war ihm nicht mehr vergönnt, über den Frieden zu arbeiten und zu lehren. Die Bedingungen dafür wieder herzustellen, ist uns Verpflichtung.

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Peter Strutynski, AG Friedensforschung, Kassel, ist Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag.