Deutsch-Afghanische Initiative

„Fäden verbinden“

von Heidi Drahota

Über 10 Jahre arbeitet die Deutsch-Afghanische Initiative e. V. (DAI) nun schon im von Krieg und Fremdherrschaft gebeutelten Afghanistan. Die  Initiative ist ein gemeinnütziger Verein, der sich aus aktiven Deutschen und Afghanen 2002 in Freiburg entwickelte. Ihr erklärtes Ziel ist neben Sofortmaßnahmen zur Linderung der vorrangigen Not der Wiederaufbau des Landes. Insbesondere im ländlichen Bereich, wo weit weniger Hilfe ankommt, engagieren sich die Mitglieder für besonders benachteiligte Personengruppen wie Frauen und Kinder.

Ziel dabei ist es, Projekte anzustoßen und zu fördern, die nachhaltig das Leben der Bevölkerung verbessern. Ein Schwerpunkt liegt darin, die Bildungschancen für Jungen und vor allem auch Mädchen zu verbessern. Lebensperspektiven werden durch die Übernahme von Patenschaften und regelmäßigen Schulbesuch gesichert. Zur Umsetzung dieses Zieles musste das Bildungswesen aufgebaut werden. Schulen wurden repariert, renoviert oder neu gebaut, die teils wenig qualifizierte Lehrerschaft in Fortbildungen aus- oder weitergebildet.

Dorfentwicklung zum Aufbau der fehlenden oder zerstörten Infrastruktur war ein weiterer Schwerpunkt in der Arbeit der DAI. Um die Lebensverhältnisse der Bevölkerung zu verbessern und eine fortschreitende Landflucht zu stoppen, sind im Großraum Herat und in der Schomali-Ebene unterschiedlichste Projekte angelaufen. Der Aufbau von Frauenzentren, einer Gesundheitsstation und Hammams zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation, Brunnenbohrungen und der Bau von wind- und sonnenbetriebene Energiestationen sind nur einige Aktivitäten der DAI. Basis dieser Arbeit ist die Zusammenarbeit von Afghanen und Deutschen und der Dialog mit der Bevölkerung. Durch viele Projekte werden vor Ort Möglichkeiten der Ausbildung und Arbeitsplätze geschaffen. Wesentliches Prinzip des Vereins ist Hilfe zur Selbsthilfe.

Fäden verbinden
Neben all den Projekten liegen mir die besonders am Herzen, die die Stellung der Frau stärken, Frauen unterstützen und Frauen und Mädchen ausbilden. Das Stickprojekt in Laghmani, das Pascale Goldenberg, eine in Freiburg lebende Textilkünstlerin initiierte, knüpft an die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Frauen an. Stickereien sind in Afghanistan traditionelles Kulturgut, das durch die vielen Kriegsjahre jedoch gefährdet ist, in Vergessenheit zu geraten.

Ca. 200 Mädchen und Frauen erhalten eine vorgegebene Menge an Stoff und Garn (1)2 aus Deutschland und sticken in der traditionellen Technik von Hand 8 x 8 cm große Quadrate. Sie sind in der Wahl ihrer Motive vollkommen frei. Diese Stickquadrate werden von der DAI angekauft und vertrieben. Sie sollen in irgendeiner Form weiterverarbeitet werden – als Taschenbesatz, in Patchworkdecken, auf Kissen, als Glückwunschkarte, usw.. Durch die Einbeziehung in andere textile Techniken und Werke treten Menschen mit ihren verschiedenen Kulturen in Verbindung – die Fäden verbinden.

Mädchen und Frauen, die als Stickerinnen arbeiten, müssen ihre Arbeit einer Qualitätskontrolle unterziehen lassen. Erst danach erhalten sie einen Vertrag, in dem genau festgelegt wird, wie viel sie sticken dürfen. Dieser Kontrakt ist an ihre eigene Lebenssituation geknüpft, Witwen mit Kindern dürfen pro Quartal 80 Quadrate sticken, junge Mädchen nur 10. Gleichzeitig wird begleitend ein Alphabetisierungsprogramm für die Frauen, für die Mädchen der verpflichtende Schulbesuch im Vertrag verankert.

Die Frauen erhalten ein mittelfristig gesichertes Einkommen, was in diesem Land einer Revolution gleichkommt. Frauen auf dem Lande haben normalerweise nie die Gelegenheit, einen Beruf auszuüben und Geld zu verdienen. Ein wesentlicher Beitrag zur Erhaltung von Kulturgut, zur Stärkung des Selbstbewusstseins der Frauen und zu Freiheit und Demokratie ist damit gelungen.

Pascale Goldenberg betreut das Stickprojekt in Laghmani seit 7 Jahren. Sie veranstaltete zwei internationale Wettbewerbe mit Wanderausstellungen und veröffentlichte ein Buch (2). Über die Ausstellung 'Schicksalsfäden' im Frauenmuseum Fürth kam ich als Textilkünstlerin mit ihr in Kontakt. Neben eigenständigen Arbeiten führte ich ein sehr umfangreiches Projekt mit 10 bis 12-jährigen Schülern durch. Dabei befassten sie sich nicht nur mit dem Textilprojekt, sondern auch mit Land, Geschichte und Kultur. Unter Einbeziehung aller 25 Schüler entstand das große textile Werk 'Afghanistan trifft …'.

Für die Kinder der multinationalen Klasse war dies ein wesentlicher Beitrag zu ihrer persönlichen Entwicklung. Sie konnten ihren Blick weiten, ihre eigene Unterschiedlichkeit in der Einheit erleben, Toleranz üben, sich gegenseitig helfen, Wertschätzung und Achtung erfahren und Integration leben. Die Arbeit wurde in Fürth und Derry, Nordirland, ausgestellt.

Anmerkungen
1 Madeira Garne sponsort das Stickprojekt mit Garnen.

2 'Fäden verbinden / threads unite', MaroVerlag

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Schwerpunkt
Heidi Drahota ist Textilkünstlerin und Lehrerin in Nürnberg. Ihr Schwerpunkt ist die Umsetzung politischer und gesellschaftskritischer Themen in textilen Werken und die Initiierung textiler Projekte mit Kindern als Beitrag zur politischen Bildung und Friedenserziehung. siehe www.taschenkind.de. Die Website von DAI: www.deutsch-afghanische-initiative.de.