Syrien

Feuer mit Öl bekämpfen

von Christine Schweitzer

Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Hunderttausende Flüchtlinge aus Syrien, Irak und Afghanistan, die derzeit nach Europa kommen, wird immer wieder gefragt, warum 'der Westen so wenig gegen die Terror-Miliz IS unternehme', so auch im am 15.9.2015 erschienenen Interview des „Merkur“ mit dem Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger. Die Frage und auch die Warnungen davor, dass sich die Lage in der gesamten Region weiter dramatisch verschlimmern könnte, sind sicherlich berechtigt. Ischinger fordert eine „diplomatische Großoffensive“ und die Zusammenarbeit sowohl mit der russischen wie mit der iranischen Regierung, um über eine große Syrien-Kontaktgruppe die Konflikte in der Region konstruktiv zu bearbeiten. Soweit alles gut. Aber ein anderer Teil der Folgerungen, die Ischinger zieht, ist gefährlich.

Ischinger sagt in dem Interview, „dass unsere Strategie in der Syrien-Krise nur dann glaubwürdig ist, wenn sie mit glaubwürdigen militärischen Handlungsoptionen unterlegt ist“. Und auf Nachfrage des Merkurs, „Würden Sie auch das Wort Bodentruppen in den Mund nehmen?“ antwortete er: „Diese Frage stellt sich zur Zeit nicht. Ich würde aber gar nichts ausschließen. Wenn es um Bodentruppen geht, müssen sich vor allem auch die regionalen Nachbarn Syriens engagieren.“

Anscheinend hat Ischinger wenig aus der Geschichte gelernt. Wieso ist denn der IS überhaupt entstanden und konnte so stark werden? Eine Hauptursache ist in dem völkerrechtswidrigen Angriff der USA und ihrer Verbündeten auf den Irak 2003 zu suchen. Ohne diese Invasion und die nachfolgende Ausplünderung des Landes hätte der IS nie den Zulauf von gut ausgebildeten Soldaten gehabt, die er brauchte, um seinen Siegeszug in Irak und Syrien anzutreten. Das Problem ist auch nicht darin zu suchen, dass man nicht, wie Ischinger vorwurfsvoll meint, in Syrien beizeiten militärisch interveniert habe. Das Problem sei vielmehr gewesen und ist es auch heute noch, dass der Westen duldet, dass seine engen Verbündeten und Partner – von der Türkei bis Saudi-Arabien – die zum Teil aus ausländischen Kämpfern bestehenden islamistischen Gruppierungen, die nach dem Aufstand gegen Assad 2011 in Syrien schnell die Oberhand gewannen, finanzieren, bewaffnen und deren Ausplünderung des Landes nicht unterbinden.

Jetzt zu fordern, wie Ischinger es tut, mit der Bundeswehr in Syrien einzugreifen, kommt einem Versuch gleich, ein Großfeuer mit Öl zu löschen. Das Ergebnis wäre, dass der Flächenbrand, von dem Ischinger spricht, sich erst recht ausbreitet. Der Krieg in Afghanistan und der Irak-Krieg 2003 und die anschließenden Bemühungen um Wiederaufbau hinterher haben nicht zu einer Befriedung der Region geführt, sondern nur zu immer mehr Terrorismus und Unsicherheit in den betroffenen Ländern. (Siehe auch den Beitrag von Otmar Steinbicker zu Afghanistan in diesem Heft.) Unter den bestehenden Umständen über die Einrichtung von Schutzzonen für Flüchtlinge in Syrien zu sprechen, hat nichts mit Humanität zu tun. Solch ein Konzept kommt eher der Einrichtung von riesigen Ghettos gleich, in denen Menschen ohne jede Perspektive ausharren müssten, während um sie herum der Krieg tobt. Sie sind nur mit Luftabwehr, wenn nicht auch mit dem Einsatz von Bodentruppen zu sichern. Das würde de facto einen Krieg mit noch mehr zivilen Opfern bedeuten.

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Krisen und Kriege

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Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.