Zur Kündigung des AMB-Vertrages durch die USA

Freifahrtschein für ungehemmte Aufrüstung

von Reiner Braun
Im Blickpunkt
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Der 13. Juni 2002 war ein schwarzer Tag für das System der Internationalen Rüstungskontrolle, der ABM-Vertrag lief aus. Dieser Raketenabwehrvertrag (Anti-Ballistic-Missile) war 1972 in der Hochzeit des Kalten Krieges von den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion unterzeichnet worden, um das Rüsten in dem Weltraum und aus ihm heraus zu begrenzen. Er war also ein typischer Rüstungskontrollvertrag.

US-Präsident Bush hatte ihn am 13. Dezember letzten Jahres einseitig gekündigt, die Kündigungsfrist betrug vertragsmäßig 6 Monate.

Am 14. Juni konnte also das Pentagon weitere vertraglich nicht mehr gehemmte Spatenstiche für den Bau eines Raketenabwehrsystems machen, ohne dass es von Russland als vorherigen Vertragspartner kritisiert werden kann.

Und die USA legte auch sofort los, mit dem Beginn des Baus von zwei riesigen Raketenabwehrsilos in Alaska nahe der Stadt Farebanks und der Intensivierung ihres Testprogramms.

Die friedenspolitischen Gefahren, die aus diesem unilateralen Schritt der USA resultieren sind immens. Das auf Multilateralität aufbauende Rüstungskontroll- und Abrüstungssystem wird weiter zerstört. Bisher sind u.a. noch die weltweite Chemiewaffenkonvention und (wenn auch eingeschränkt handhabbar) die weltweite Konvention gegen biologische und toxische Waffen in Kraft. Die Destabilität wird durch den einseitigen Aufrüstungsschritt massiv verstärkt.

Die Kündigung des Vertrages bedeutet eine erneute besonders zugespitzte Veränderung der Prinzipien internationaler Politik der 70er und 80er Jahre, dass internationale Sicherheit ohne politische Lösungen in Form von Entspannung nicht erreicht werden kann.

Es droht ungehemmte Aufrüstung, zuerst und besonders stark seitens der USA, die die Militarisierung des Weltraums nun mit ihrem gesamten politischen, ökonomischen und technologischen Potenzial vorantreiben werden. Die ungehemmte Weltherrschaft winkt.

Aufrüstung und hier besonders auch weitere atomare Aufrüstung und Weiterverbreitung von Atomwaffen, in den Ländern, die von der USA-Weltraummilitarisierung sich betroffen fühlen oder sind - z.B. Russland und China - ist vorprogrammiert. Diese Gefahr wird nicht relativiert durch das so genannte Bush-Putin Abrüstungsabkommen, das eine grandios inszenierte Unterschriftenfarce, nicht aber ein Abrüstungsabkommen darstellt.

Das dieses alles ungeheuer viel Geld kostet und massiv Ressourcen verschlingt, brauche ich nicht zu erwähnen

Betont sei noch, dass diese Politik der US-Regierung im eigenen Land umstritten ist. Widerstand kommt auch aus beiden Häusern des amerikanischen Kongresses. Wichtiger ist aber sicher die einhellige weltweite Kritik fast aller Regierungen, vieler internationaler Organisationen, aus Kirchen und selbst aus konservativen, oft NATO-nahen wissenschaftlichen Instituten.

Von daher bleibt die offene Frage, ob dieser ungehemmte US-amerikanische Rüstungswahnsinn auf die Dauer international durchsetzbar und handhabbar ist,

Für die Friedensbewegung bleibt alles zu tun, dieser Politik so ideenreich und so massiv wie möglich (in enger Zusammenarbeit mit unseren amerikanischen Freundinnen und Freunden) in die Arme zu fallen. Politisch notwendig ist aber auch das Nachdenken über Initiativen zur Wiederbelebung eines politisch stabilisierenden internationalen Rüstungskontrollprozesses.

"Gerade weil die Risiken so fokussiert und konkret sind, könnten die Länder des Alten Kontinents mit Rüstungskontrolle und ´Diplomatie zuerst` verstärkt ein bezahlbares und bewährtes allianzinternes Gegenkonzept auf den Weg bringen", so Bernd W. Kubbig vom Frankfurter Friedensforschungsinstitut in der FR am 14.06.02.

Der Wechsel des Freifahrtscheines für unbegrenzte Aufrüstung in ein Abrüstungsticket bleibt auf der Agenda von allen, die für eine friedlichere Welt wirken wollen.

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Reiner Braun war Geschäftsführer der IALANA Deutschland und ist ehem. Co-Präsident des Internationalen Friedensbüros (IPB).