Freiwilligen- und Friedensfachdienste

von Jan Gildemeister

Seit fast 40 Jahren ist die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) der Dachverband von Friedensdiensten im Bereich der evangelischen Kirche (in Verbindung zur weltweiten Ökumene und der Menschenrechtsarbeit). Heute führen ungefähr die Hälfte der 34 Mitgliedsorganisationen unterschiedliche Freiwilligen- und Friedensfachdienste durch. Im Folgenden werden die wesentlichen Formen und Ziele der Dienste beschrieben.

Etwas Praktisches für den Frieden zu tun, war das Anliegen des freiwilligen Friedensdienstes, als er direkt vor bzw. nach dem 1. Weltkrieg erstmals initiiert wurde. Historisch kann er als Gegenüber zu einem (verpflichtenden) Kriegsdienst verstanden werden, dem 1914 bis 1918 das Leben sehr vieler junger Männer geopfert wurde. Damals wurden "Arbeitslager" mit jungen Freiwilligen durchgeführt, die das Vorbild der heutigen (internationalen) Workcamps bilden, bei denen junge Menschen - aus verschiedenen Ländern - an konkreten Projekten arbeiten und sich in sog. studyparts mit aktuellen friedensrelevanten Themen auseinandersetzen. Sie werden auch als kurzfristige Freiwilligendienste bezeichnet und innerhalb der AGDF vor allem von Youth Action for Peace - Christliche Friedensdienste (YAP-CFD) und Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) angeboten.

Allgemein wird heute unter Freiwilligendiensten aber das Freiwillige Soziale und das Freiwillige Ökologische Jahr (FSJ/FÖJ) verstanden, die ihren Vorlauf vor gut 50 Jahren im sog. Diakonischen Jahr der ev. Kirche hatten und in der Regel in Deutschland durchgeführt werden. Zur gleichen Zeit entstanden als Ergänzung zu den internationalen Workcamps 6 bis 24 Monate dauernde grenzüberschreitende Freiwilligendienste. Diese waren vorrangig als Versöhnungs- und Friedensdienste angelegt, entweder als Konsequenz aus dem 2. Weltkrieg - prominentes Beispiel ist die 1957 gegründete ASF oder - wie der ebenfalls 1957 gegründete Internationale Christliche Friedensdienst Eirene - eine Reaktion auf kriegerische Konflikte in Übersee. Bereits 1959 wurde mit der Gründung des Weltfriedensdienstes (WFD) der erste Schritt hin zu dem stärker auf wirtschaftliche Gerechtigkeit orientierten Entwicklungsdienst gemacht. In diesem Bereich ergab sich auch die erste "Professionalisierung". Für die EntwicklungshelferInnen, die von Organisationen wie WFD, Eirene oder dem (vorwiegend) staatlichen Deutschen Entwicklungsdienst entsandt werden, gibt es ein spezielles Gesetz und Förderprogramm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Vom Ansatz her ist der Entwicklungsdienst noch ein Freiwilligendienst, aber im Laufe der Jahre wuchsen die Anforderungen an die Qualifikation und Erfahrung der Entsandten, auch dauert er mit 2 bis 5 Jahren länger als ein längerfristiger Freiwilligendienst.

Die Diskussion zur Frage, wie gewaltfrei und durch zivile Akteure in Konflikte in andere Länder interveniert werden kann, führte neben dem Entwicklungsdienst zu einer weiteren Professionalisierung der Dienste. Seit 1999 werden im Rahmen des Instrumentes "Ziviler Friedensdienst" (ZFD) in der Entwicklungszusammenarbeit Friedensfachkräfte in Krisengebiete entsandt. Für sie gelten dieselben Anforderungen und Rahmenbedingungen wie für EntwicklungshelferInnen, zudem benötigen sie eine spezielle Qualifizierung. Mit der zunehmenden Zahl an Friedensfachkräften - auch außerhalb des ZFD - und mit der Etablierung entsprechender Qualifizierungsangebote entwickelten sich Ansätze eines "Berufsbildes" für Friedensfachkräfte, das kaum noch etwas mit den klassischen Jugendfreiwilligendiensten zu tun hat.

In den "längerfristigen" Freiwilligendiensten steht das Lernen der Freiwilligen im Vordergrund und zwar nicht im Sinne einer klassischen Bildungsmaßnahme, sondern durch die Kombination einer konkreten (Hilfs-) Tätigkeit und damit einer Übernahme von Verantwortung in einer fremden Kultur mit pädagogischer Vorbereitung, Begleitung und einem Reversprogramm. Daher gibt es keine speziellen Voraussetzungen für die Freiwilligen, außer dass sie sich verpflichten, sich für mehrere Monate auf neue, herausfordernde Erfahrungen in der Ferne einzulassen. Meist sind dies junge Menschen, darunter anerkannte Kriegsdienstverweigerer, die einen Freiwilligendienst anstelle eines Zivildienstes leisten wollen; es gibt aber auch Angebote für ältere. Interessierte müssen sich an eine Organisation wenden, die als Träger des Freiwilligendienstes fungiert. Dieser "prüft" in einem Auswahlverfahren die Ernsthaftigkeit des Interesses und sucht nach einer passenden Stelle für die Interessierten. Dabei gibt es ja nach Profil des Trägers unterschiedliche Schwerpunkte, bezogen auf die Inhalte der Einsatzprojekte (Partnerorganisationen) und der pädagogischen Begleitung und auf die Länder.

Da die Zahl der Einsatzplätze aufgrund der schwierigen finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen zu gering ist, müssen leider viele Interessierte enttäuscht werden. Die "Glücklichen" werden dann in einer mehrmonatigen Vorbereitungsphase, zu der auch Seminare gehören, auf ihren Dienst vorbereitet. (Noch) wesentlicher als Kenntnisse über das Einsatzland und dessen Sprache(n) ist dabei die Fähigkeit, sich als Lernender auf die neue Situation einzulassen, mit Konflikten umzugehen etc. Die Freiwilligen werden auch während ihres Dienstes begleitet. In einem Zwischenseminar erhalten sie Gelegenheit, zusammen mit anderen ihre Erfahrungen zu reflektieren, für Krisensituationen stehen ihnen vor Ort MentorInnen und in der fernen Heimat pädagogische Fachkräfte ihres Trägers als AnsprechpartnerInnen zur Seite. Zurück in Deutschland geht es in Reversseminaren zum einen um die Verarbeitung der Erfahrungen, zum zweiten um die Umbruchsituation selber.

Mittlerweile gibt es ein vielfältiges Angebot an internationalen längerfristigen Freiwilligendiensten. Was ist nun das Spezifische an denjenigen, die von ca. 14 Mitgliedern der AGDF angeboten werden? Zum einen garantieren sie eine gute Qualität. Dies ist bei vielen, aber leider nicht bei allen Angeboten der Fall, zumal es nur teilweise rechtliche Vorgaben gibt. Da es trotz intensiver Lobbybemühungen u.a. der AGDF bisher noch nicht gelungen ist, angemessene finanzielle und rechtliche Rahmenbedingungen für die Dienste zu schaffen, sind die Angebote sehr unterschiedlich strukturiert: Manche werden als FSJ im Ausland oder Europäischer Freiwilligendienst angeboten, die meisten aber noch als "unregulierte" Dienst oder als "Anderer Dienst im Ausland" durchgeführt, was nicht oder nur mit geringen Auflagen verbunden ist. Zum zweiten verstehen wir den Dienst auch als Friedensdienst. Dabei steht das interkulturelle Lernen der Freiwilligen im Vordergrund; zugleich leisten sie in Projekten von zivilgesellschaftlichen Partnern in anderen Ländern einen konkreten Beitrag z.B. zur Unterstützung von Opfern wirtschaftlicher Ungerechtigkeit, zur Völkerverständigung und Versöhnung, zur friedenspolitischen oder -pädagogischen Arbeit. Zum dritten bieten die Freiwilligendienste von AGDF-Mitgliedern mehr oder weniger intensiv die Möglichkeit, sich mit religiös-spirituellen Fragen auseinander zu setzen.

Die Freiwilligendienste sind schließlich eingebunden in eine friedenspolitische Arbeit ihrer Träger, für die auch der Dachverband AGDF steht, der u.a. in der Kooperation für den Frieden, der Plattforum für Zivile Konfliktbearbeitung und dem Konsortium ZFD mitarbeitet. Und hier liegt auch eine Verknüpfung zu den angebotenen Friedensfachdiensten und Qualifizierungskursen. Sie sind alle Beiträge zur Arbeit gegen die Ursachen von Not, Gewalt, Unfreiheit und Angst. Und sie sind gelebte Beispiele dafür, dass eine andere Welt möglich ist.

Informationen zu den Angeboten an längerfristigen Freiwilligendiensten, Workcamps und Friedensfachdiensten sowie zur Arbeit der AGDF erhalten sie unter www.friedendienst.de oder bei der AGDF-Geschäftsstelle, Blücherstr. 14, 53115 Bonn, Tel. 0228/24 99 90.

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Jan Gildemeister ist Geschäftsführer der AGDF.