Jahrestagung 2021 der Kooperation für den Frieden

Für ein Europa, das Frieden wagt!

von Renate Wanie
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Zu einer neuen Entspannungspolitik zwischen Ost- und Westeuropa beizutragen, zu einem „Gemeinsamen Haus Europa, das Frieden wagt“ – so lautete das Ziel der 15. Jahrestagung der Kooperation für den Frieden im Februar 2021. Grundlage war das Thesenpapier 2020 mit Visionen für ein dezentrales, entmilitarisiertes, ökologisches und sozial gerechtes demokratisches Europa. Ausgehend von der Kritik an der aktuellen Aufrüstungs- und Militarisierungspolitik der EU wurden in Vorträgen, Gesprächsrunden und Arbeitsgruppen unterschiedliche Ansätze für eine europäische Friedenspolitik diskutiert. Die Entwicklung von ersten Handlungsmöglichkeiten konkretisierte die Umsetzung einer gesamteuropäischen Friedenspolitik.

Zunächst in Weimar als Präsenz-Konferenz geplant, wurde Corona-bedingt eine Online-Konferenz konzipiert, politisch und finanziell unterstützt von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen und der Initiative „Welt ohne Waffen“ Weimar.

Zu den vielfältigen Programmeinheiten der Online-Konferenz waren Referent*innen aus ganz Europa eingeladen: Alain Rouy, Mouvement de la Paix aus Frankreich, Yuri Sheliazhenko aus Kiew von den War Resisters‘ International und Vladislav Belov vom Europainstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau. Von deutscher Seite beteiligt waren u.a. Mia Lindemann und Aktive der „Seebrücke Heidelberg“, die zur Militarisierung der EU-Grenzen sprachen,  Heidi Meinzolt, Delegierte der feministischen Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (WILPF); Susanne Weipert, Kampagne „Aktion Aufschrei-Stoppt den Waffenhandel!,  Michael Müller von den Naturfreunden Deutschlands mit dem Thema „Transformationsprozesse in Ost und West“, Christine Schweitzer, Bund für Soziale Verteidigung, die für ein Europa von unten eintrat und Willi van Ooyen, Bundesausschuss Friedensratschlag, der sich für eine internationale Kampagne für Abrüstung aussprach.

Drei Vorträge gestalteten den Einstieg. In seinem Eröffnungsvortrag „Nachhaltigen Frieden schaffen, am besten ohne Waffen!“ machte sich der Arbeits- und Wirtschaftssoziologe Klaus Dörre „auf die Suche nach einer geerdeten Entspannungspolitik“, denn die aktuelle Außenpolitik der EU behindere globale nachhaltige Ziele. Dabei setzte Dörre die SDGs (Sustainable Development Goals) als normative Grundlage und Maßstab für eine europäische Außenpolitik. Zu einer nachhaltigen globalen Wirtschaft gehöre u.a. die Reduktion von Waffenexporten und Rüstungskonversion. Kriege, so Dörre, seien noch nie geführt worden, um Frieden zu schaffen. Neben Bewegungen von unten schlug er eine neue KSZE-Konferenz vor, bei der auch die russische Föderation und ihre Sicherheitsinteressen wahrgenommen werden sollen. 

Vladislav Belov vom Europainstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau blickte zunächst zurück in die jüngere Geschichte Russlands – von Gorbatschow bis Putin. Die gegenwärtige Lage schätzte er pessimistisch ein. Ein neues Wettrüsten mit Mittelstreckenraketen müsse unbedingt verhindert werden. Zudem gehe Energiesicherheit nicht ohne Russland, bezugnehmend zum Konflikt um die Gas-Pipeline Nord Stream 2. Russland sei „nicht einzig Putin und der Kreml“, der aktuelle Protest auf den Straßen Russlands sei nicht nur gegen den Umgang mit dem Regierungskritiker Nawalny gerichtet, es gebe auch allgemeine Unzufriedenheit in der Bevölkerung und das Bedürfnis nach Stabilität in der Gesellschaft. Belov kritisierte den fehlenden Dialog auf europäischer Ebene, der aktuell gleich Null sei, und forderte einen politischen Dialog zwischen Deutschland, der EU und Russland. Er plädierte für ein „Peace for Future“, forderte zudem vertrauensbildende Maßnahmen mit der „Währung Diplomatie“. In Europa müsse gegenseitiges Vertrauen zurück gebracht und eine Politik der gemeinsamen Sicherheit wiederbelebt werden.

„Was heißt „Sicherheit neu denken“ gegenüber Osteuropa und Russland?“ lautete der Vortragstitel von Ralf Becker, Koordinator und Co-Autor des Szenarios „Sicherheit neu denken“. Ausgehend von dem Vergleich der immensen weltweiten Rüstungsausgaben (SIPRI: NATO 1035 Mrd. $, Russland 65 Mrd. $) forderte Becker eine gerechte Außenpolitik und eine Sicherheits-Partnerschaft zwischen der EU und der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU)/Russland, anstatt 70-80 Mrd. € in die Bundeswehr zu investieren. Die NATO-Osterweiterung sowie das Weiteranziehen der Sanktionsschraube seien schädlich für die Beziehungen. Überaus aufschlussreich machte er an einer Weltkarte deutlich, wie die Welt aus der Perspektive Russlands aussieht, praktisch umzingelt von NATO-Einsätzen und Militärstützpunkten. Grundsätzlich standen Verhandlungen auf Augenhöhe, z.B. von Russland benannte Interessen ernst nehmen, Kompromisse suchen, sowie mehrere konkrete Schritte im Zentrum seiner Ausführungen, z.B. neue Rüstungskontrollverträge oder die Rücknahme der NATO-Beitrittsperspektive der Ukraine und Georgiens.

Insgesamt war es, auch dank der professionellen digitalen Unterstützung des IPB-Büros in Berlin, eine gelungene erste Online-Konferenz der Kooperation für den Frieden. Europa ist mehr als die EU. Die zentralen Herausforderungen für einen europäischen Frieden sind: Abrüstung, Entspannungspolitik mit vertrauensbildenden Maßnahmen und einer zivilen nachhaltigen Wirtschafts- und Sicherheitspolitik.

Die Konferenz wurde aufgezeichnet und einige Vorträge und Inputs online gestellt sowie auf Youtube publiziert:
http://www.koop-frieden.de/dokumentation-jahrestagung-2021
Vorbereitet wurde die Konferenz von Renate Wanie (WfGA), Reiner Braun (IPB) und Torsten Schleip (DFG-VK) und mit der Unterstützung des Bonner Büros der Friedenskooperative. Renate Wanie vertritt die Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden, in der Kooperation für den Frieden. Sie ist auch Redakteurin des Friedensforums und Vorstandsmitglied beim Bund für Soziale Verteidigung.

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