G7 - Gipfel, Köln 1999

von Werner Rätz
Initiativen
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Vom 5. bis zum 6. Juni 1999 findet in Köln der EU-Gipfel unter deutscher Präsidentschaft statt, 14 Tage später (vom 18. - 20.6) folgt der Weltwirtschaftsgipfel (G7 oder G8, je nachdem, ob Rußland am Katzentisch mitgezählt wird). Über den üblichen Aufwand hinaus sind die beiden Gipfeltreffen mit großer Symbolik aufgeladen: "Was dort nicht geschieht, geschieht in diesem Jahrtausend nicht mehr." Die Stadt Köln erwartet allein zum EU-Gipfel, an dem auch die 10 Beitrittskandidaten teilnehmen werden, 1.500 Personen in den Regierungsdelegationen, darüber hinaus noch einmal etwa 5.000 Presseleute (der G7 wird wohl etwas kleiner sein) und will sich das Ganze satte 4,5 Millionen DM kosten lassen. Beide Treffen finden mitten in der Innenstadt statt, Demonstrationsverbotszonen sind fester Bestandteil der Planungen, 65 kulturelle Begleitveranstaltungen sind vorgesehen, darunter ein Konzert, zu dem 35.000 Menschen erwartet werden.

Nicht nur Bundesregierung und Stadt Köln schmieden eifrig Pläne, auch GipfelgegnerInnen und -kritikerInnen diskutieren auf vielen Ebenen über Aktionen. In Köln selbst gibt es schon seit Januar ein offenes Bündnistreffen für Gruppen aus der Region. Dort wurde neben einer Reihe von lokalen Aktivitäten ein Beschluss mit bundesweiter Bedeutung gefasst: Während des G7/G8-Gipfels (Samstag, 19.6.1999) findet eine Demonstration in der Kölner Innenstadt statt, für die bundesweit mobilisiert werden soll. Wie beim diesjährigen Weltwirtschaftsgipfel in Birmingham wird die Kampagne "Erlaßjahr 2000" für eine Menschenkette mobilisieren, zu der sie einige 10.000 Menschen erwartet; ihre Forderung nach "Entschuldung armer und ärmster Länder auf ein erträgliches Maß" gilt allerdings vielen als zu bescheiden, so daß es am 19.6.1999 wohl zwei Großaktionen in Köln geben wird. Sowohl das Kölner Bündnis als auch Erlaßjahr sind aber an organisatorischen Absprachen interessiert. Die europäische Koordination der Märsche gegen Arbeitslosigkeit wird im Frühjahr 1999 wieder Euromärsche durchführen. Diese sollen am Samstag des EU-Gipfels (5.Juni) in Köln ankommen und in einer Großdemonstration ausklingen. Ein Kreis einiger autonomer und antifaschistischer Gruppen, der sich auf Einladung der Ökologischen Linken zusammenfand, hat ebenfalls bereits Aktionsbeschlüsse gefasst, darunter einen Gegenkongress und Sternmarsch zum EU-Gipfel ebenfalls am 5.6.99; auch hier gibt es Gespräche miteinander.

Der politisch breiteste und zahlenmäßig mit Abstand größte Kreis traf sich inzwischen mehrfach auf Initiative einer Reihe von Nichtregierungsorganisationen (NROs) vor allem aus dem 3. Welt-Bereich in der Kölner Antoniterkirche (die als Ausgangspunkt des nordrheinwestfälischen Wanderkirchenasyls eine gewisse Bekanntheit erreicht hat). Weit mehr als 50 Gruppen und Organisationen aus fast allen gesellschaftspolitisch aktiven Bereichen repräsentieren ein recht buntes Spektrum: Antirassismus- und Internationalismusgruppen, kirchliche Initiativen und solche für eine gerechte Wirtschaftsordnung, Erwerbslosen- und UmweltaktivistInnen, Koordinationen ganzer Politikbereiche (wie das Netzwerk Friedenskooperative oder das Forum der Frauen-Nichtregierungsorganisationen), große NROs und Parteien. Trotz der Schwierigkeiten, die sich aus unterschiedlicher "Bewegungskultur", Größe, Finanzkraft oder politischer Orientierung ergeben, ist hier Übereinstimmung zu einigen Punkten erzielt worden.

Dabei gibt es einen breiten Konsens, daß viele verschiedene Aktivitäten nach- und nebeneinander möglich und wünschenswert seien; sie sollen in einer gemeinsamen Ankündigung gesammelt und öffentlich präsentiert werden. Die Einigung auf einige gemeinsame Aktionen und Themen soll die Vielfalt der Inhalte und Formen nicht reglementieren, sondern lediglich einige Themen / Anlässe besonders herausheben.

Von Anfang an hatten die Koordination der Euromärsche und das lokale Kölner Bündnis ihre Demonstrationsprojekte für die jeweiligen Gipfel-Samstage (5. und 19.6.) als Aktionsvorschläge eingebracht, die gemeinsam getragen werden sollten. Sie bilden zusammen mit einem Gegenkongress zum G7/G8 das Paket, über das sich das Treffen bisher verständigt hat. Breite Zustimmung fand auch der Vorschlag, die 2 Wochen zwischen den Gipfeln mit gemeinsamen Aktivitäten (Camp, Veranstaltungsreihe, Aktionstage) zu füllen, eine genaue Festlegung steht aber noch aus. Ob auch noch ein Gegenkongress zum EU-Gipfel dazukommen wird, ist offen.

Wie nicht anders zu erwarten, zeigt die Diskussion der Inhalte, die Gegenstand der Aktivitäten sein sollen, bisher eine große Breite. Dabei zeichnen sich allerdings Tendenzen ab: Eine Konzentration auf einige Themen scheint sinnvoll, um die öffentliche Wirkung zu steigern; eine Beschränkung auf ein einziges Thema scheint schwierig angesichts der Vielfalt der Probleme. Wirtschaftlichen Fragen kommt eine starke Bedeutung zu, sie werden allerdings recht unterschiedlich beurteilt. Am meisten Unterstützung (auch die des Autors dieses Beitrages) erhielt bisher der Vorschlag, drei Themen als sichtbaren Ausfluss neoliberaler Wirtschaftspolitik in den Vordergrund zu stellen.:

1) die immense Verschuldung der armen Länder bei den
   "reichen",

2) die zunehmende Erwerbslosigkeit und Deregulierung
   weltweit, auch in den Metropolen,

3) die Elendsmigration aus den armen und den
   Rassismus in den reichen Ländern.

Zu den drei beschlossenen Aktionen bestehen Arbeitsgruppen. Deren Termine ebenso wie die des Plenums, aktuelle Papiere mit Aktionskonzepten, Aufrufentwurf, Protokolle u.ä. können beim Friedensforum angefordert werden. Informationen sind auch erhältlich bei WEED, Bertha von Suttner Platz 13, 53111 Bonn, Tel. 0228/766130, Fax 0228/696470, e-mail: weed@bonn. comlink.apc.org.

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Werner Rätz ist aktiv bei der Informationsstelle Lateinamerika in Bonn und für diese im Koordinierungskreis von Attac Deutschland, ebenfalls im Blockupy-Kokreis. Webseite: www.werner-raetz.de