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Beispiele und Trends in der Entwicklung gewaltfreier Handlungsmöglichkeiten in Konflikten Dritter
Gewaltfreie Intervention, ein Widerspruch in sich.
vonDie Diskussion über die Möglichkeiten, mit gewaltfreien Mitteln in Konflikte anderer Parteien einzugreifen, hat verschiedene Aspekte, die im Folgenden kurz angerissen werden sollen. Wichtige Weichenstellungen stecken bereits im unreflektierten Gebrauch des Begriffs "Intervention". Eine Klärung der Begrifflichkeit ist daher nötig und beinhaltet Festlegungen über Ziele und Einsatzmöglichkeiten von "Eingreifkorps", die sich gewaltfreier Mittel bedienen.
Intervention - worum geht es?
"Intervention" wird gemeinhin assoziiert mit militärischem Eingreifen und mit der Anwendung von Zwang. Man kann noch hinzufügen: keine Intervention ohne dahinterstehende Interessen der Mächte, die die Intervention ausführen, oder, wenn man an die UNO denkt, der Mächte, die in der UNO bestimmen. Der unhinterfragte Gebrauch des Begriffs verhindert ferner, daß die Strukturen offengelegt werden, in denen "Interventionen" ihren Platz haben. Eine "Intervention" fremder Mächte oder zwischenstaatlicher Organisationen zur Sicherung der Menschenrechte in China ist genauso undenkbar wie eine "Intervention" derselben in der Bundesrepublik zum Überlebensschutz von Flüchtlingen bzw. eigenen Staatsangehörigen. Ein "gewaltfrei" davor ändert weder an Strukturen noch an den Interessen etwas, sondern weckt Illusionen über die Mittel. Frühere Blauhelmeinsätze z.B. erfüllten zwar durchaus gewaltfreie Funktionen von Puffern wie "Beobachten" und "Berichten" und entfalteten vielfältige zivile Aktivitäten. Daraus entstand der Impuls, diesen zivilen Aspekt weiter auszubauen und dafür keine Soldaten, sondern ziviles Personal einzustellen. Hinter diesen Einsätzen steht aber nach wie vor die Drohung mit der Gewaltanwendung, falls der Konflikt eskaliert. Die Anwesenheit der Blauhelme oder zivilen Personals kann ins Kalkül der Konfliktparteien einbezogen werden, wenn diese nach der Ausweitung des Konflikts durch die Einbeziehung weiterer Konfliktparteien streben.
Natürlich können militärische Begriffe mit anderen Inhalten versehen werden und dann in einem anderen Sinne gebraucht werden. Aber in der Diskussion über Formen gewaltfreien Eingreifens in Konflikte Dritter ist keine Eindeutigkeit zu erkennen, was die Ziele und Inhalte betrifft. Im Folgenden wird daher auf den Begriff Intervention verzichtet. Es wird von "Eingreifen" die Rede sein. Wer eingreift und mit welchen Mitteln und Aktionsmethoden, ist durchaus offen.
Gewaltfreies Eingreifen - was ist das?
In groben Umrissen lassen sich einige Grundmuster gewaltfreien Eingreifens in Konflikte Dritter beschreiben. Die Anwendung von Gewalt ist ausgeschlossen, die Handlungen der "EingreiferInnen" beziehen sich vor allem darauf, bedrohte Personen zu schützen und Aktivitäten zu entfalten, um das Verhalten der Konfliktparteien zu deeskalieren, bis eine direkte Kommunikation derselben über ihre Streitfragen in Gang kommt. Gandhis Vorstellung von einer lebenden "Mauer" von Menschen, die sich beispielsweise einer Invasion entgegenstellen und dabei ihren Tod bewusst in Kauf nehmen sollten, beschreibt die weitestgehend und seit ihrer Formulierung umstrittene Aktionsform. Als überwiegend lokal tätige "KonfliktberaterInnen" könnten die Konzeptionen der Shanti-Sena, der "Friedensbrigadisten" von Gandhi und Vinoba bezeichnet werden. Zusätzlich zur konstruktiven, konkreten Arbeit zur Vorbeugung und Vermittlung von Konflikten am Heimatort trat ein Element des "Einmischens" in Konflikte, die sich in einem eskalierteren Zustand befanden. Fähigkeit zur Konflikt- und Situationsanalyse, eine eigene Orientierung an Gewaltfreiheit, Mediation und Unparteilichkeit machen einige der wesentlichen Einstellungen und Fertigkeiten aus.
Zur Zielbestimmung gewaltfreien Eingreifens: gegen Unrecht? - auf Bestellung? - statt Marines? - statt Blauhelmen?
Keine Klarheit besteht über die Ziele des Eingreifens. Als Möglichkeiten kommt, in Anlehnung an die Internationalen Friedensbrigaden (Peace Brigades International, PBI), der Abbau von Ungerechtigkeit in Betracht. Dafür hat PBI eine typische Form der Anwesenheit von kleinen Freiwilligenteams entwickelt. Sie prüfen Anfragen nach Schutz und begleiten bedrohte Personen. Inzwischen wandeln sich die Aufgaben hin zu konstruktiver Arbeit einerseits und reiner Eskortierung andererseits und die Anfragen steigen. PBI steht vor der Entscheidung, die Tätigkeitsbereiche auszuweiten, Arbeitsteilung mit anderen Organisationen einzugehen oder sich zu spezialisieren. Der Aufbau sozialer Gerechtigkeit stand ebenso für die konstruktive Arbeit der Shanti Sena zentral.
Für einen "guten Zweck" sollen sicherlich die Zivilpersonen der österreichischen Blauhelme eingesetzt werden. Als Bestandteile von UNO-Truppen können sie sich vermutlich nicht deren Restriktionen entziehen und einen Einsatz dort durchsetzen, wo es ihrer Ansicht nach sinnvoll erscheint, aber die UNO kein Mandat erteilt.
Letztlich unklar ist die Zielbestimmung ebenfalls beim "Zivilen Friedensdienst". Soll der Außenminister einen Einsatz anordnen können? Sollen die Organisationen, die Freiwillige oder Verpflichtete stellen, Einsätze vorschlagen? Was ist, wenn ein Einsatz vom Standpunkt des Zivilen Friedensdienstes aus wünschenswert wäre, aber mit den Interessen der Bundesregierung nicht vereinbar ist?
Traditionen gewaltfreien Eingreifens - Beispiele
Unabhängig von der instrumentalisierten Debatte um die moralische Notwendigkeit einer militärischen Intervention im ehemaligen Jugoslawien stellt die veränderte weltpolitische Situation neue Herausforderungen an diejenigen, die sich der Entwicklung friedlicher und menschlicher Zustände verpflichtet fühlen. Angesichts der Erkenntnis, daß Kriege wieder führbar geworden sind, besteht die Herausforderung darin, wie diese gestoppt oder ihr Ausbrechen verhindert werden kann. In der Tradition gewaltfreier Konfliktaustragung gibt es Erfahrungen mit dem Eingreifen in Konflikte Dritter, auf denen aufgebaut werden kann. Einige seien hier genannt:
um 1680: QuäkerInnen handeln ein dauerhaftes Zusammenleben zwischen Weißen und Indianern aus. Der Staat Pennsylvania entsteht ohne blutige Auseinandersetzung, die mit beiden Seiten ausgehandelte Verfassung wird zum Vorbild der US-Verfassung.
Um 1910 entsteht in England der Service Civil International, ein Freiwilligenverband, der mit aufbauender und versöhnender Arbeit versucht, Konflikte im Vorfeld von Kriegen politisch zu lösen.
1931/32: Peace-Army aus unbewaffneten Freiwilligen anläßlich des Krieges in der Mandschurei. Einsätze in den 30er Jahren in Palästina und Indien.
1938: Vorschlag Gandhis, "Peace Brigades" zu gründen.
1957: Vinoba Bhave, ein Schüler Gandhis, baut die "Shanti Sena" auf.
1961/62: Die Weltfriedensbrigade wird in Beirut gegründet, Aktivitäten im Nagaland und in Zypern.
1981: Neugründung der "Peace Brigades International", seitdem verschiedene weltweite Einsätze.
80er Jahre: Die Sicherung der Grenzen Nicaraguas gegen einen befürchteten Einmarsch amerikanischer Truppen durch die "Peace Witness".
1990/91: Golfkrise und -krieg: Gulf Peace Team und Initiative Frieden am Golf.
Seit 1991: Verschiedene Aktionen gegen den Krieg im ehemaligen Jugoslawien mit Märschen (Friedenskarawane) und Besuchen (Dezember 1992 in Sarajewo), Flüchtlingshilfe im Land bzw. in der Bundesrepublik, Mediationstraining auf Anfrage mit Gruppen im den verschiedenen Regionen, Bemühungen um Kriegsverhinderung im Kosovo.
1993: 75 ausgebildete, internationale BeobachterInnen begleiten 3000 guatemaltekische Flüchtlinge zurück in ihre Heimat.
Ziviler Friedensdienst
Eine entsprechende Anfrage der Kirchenleitung der evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg bei den Friedensorganisationen in der Bundesrepublik hat die Diskussion um einen Zivilen Friedensdienst neu belebt. Diese Diskussion ist in der gewaltfreien Bewegung nicht neu und reicht dort bis in die 60er Jahre zurück. Derzeit wird an der Konkretisierung der Vorstellungen bezüglich Einsatzmöglichkeiten, Ausbildung etc. gearbeitet. Heikle Punkte in der Diskussion werden die Fragen nach der Verfügbarkeit über die "Dienstleistenden", der Entscheidung über den Einsatz und der Verpflichtung zum Einsatz sein. Nachdem eine ganze Reihe von Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen zur Anfrage Bischof Kruses Stellung genommen hatten, traf sich am 26.3. die Arbeitsgruppe "Ziviler Friedensdienst" im BSV zu einem dreistündigen Gespräch mit der Kirchenleitung und man beschloß, weiter im Gespräch zu bleiben.
Gewaltfreies Eingreifen in aktuelle Konflikte
Unabhängig von der Diskussion um den Friedensdienst gehen die Bemühungen weiter, in aktuellen Konflikten die gewaltfreien Handlungsmöglichkeiten zu erweitern. In diesem Zusammenhang sind zur Kriegsvorbeugung im Kosovo Aktivitäten in Vorbereitung, die die Erfahrungen von PBI zum Personenschutz aufgreifen.
Zivilisierung der Blauhelme? Ein Blick nach Österreich
In Österreich, einem Land mit langjähriger Erfahrung bei Blauhelm-Einsätzen, werden derzeit die ersten zivilen Teilnehmer für Blauhelmeinsätze zur Ausbildung gesucht und derartige Kontingente aufgestellt. Ganz gezielt soll damit der zivile Teil der Blauhelme ausgeweitet und dieser Aufgabenbereich darüberhinaus mit qualifiziertem Personal besetzt werden.
Auf Quellenangaben im Einzelnen wurde hier verzichtet. Es wird auf die Broschüre "Blau-oliv oder Gewaltfrei" hingewiesen, die aktuelles Material zur out-of-area-Debatte, zu gewaltfreien Alternativen zur militärischen Intervention und zum Diskussionsstand zum Zivilen Friedensdienst enthält und im Mai beim BSV in Minden erscheinen wird. Bezug: Bund für Soziale Verteidigung, Friedensplatz 1 a, 4950 Minden.