Friedensforscher diskutierten in Köln über die neue NATO-Strategie

"Globalisierung gleich Ramboisierung"

von Thomas Klein
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Auf Einladung des Komitees für Grundrechte und Demokratie fand am 11.6.99 in Köln eine Veranstaltung statt, die vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse einige der zukünftig wichtigen Aspekte bei der sich vollziehenden Neuordnung der Welt thematisierte.

Zur Einführung in die friedenspolitische Diskussion, die unter dem Motto stand "Und bist Du nicht willig, so brauch` ich Gewalt - Die neue NATO als Kern der unipolaren Weltmilitärordnung", ging der Hamburger Konflikt- und Friedensforscher Volker Böge zunächst auf einige in unserer Öffentlichkeit kursierende Mythen und Zerrbilder ein: So sei das Bild von einer chaotischen Welt, in der die NATO "für Ordnung sorge", zwar dazu geeignet, die Weltöffentlichkeit in den reichen und mächtigen Ländern des Nordens auf gewünschten Kurs zu bringen, stelle die Dinge aber schlicht auf den Kopf. Die von den Ländern des Nordens politisch, ökonomisch und auch militärisch dominierte Weltordnung produziere erst in erheblichem Maße soziale Verwerfungen und das viel beklagte Chaos in vielen Ländern des Südens. "Das Chaos", so Böge, "ist Bestandteil der bestehenden Weltordnung". Die NATO-Länder seien beispielsweise durch Rüstungsexporte und durch die Zusammenarbeit mit grausamen Regimen in vielen Ländern der Erde mitverantwortlich für die später manchmal angeprangerten Zustände. Das neue strategische Konzept der NATO sehe dabei vor, zivil agierende Akteure, hier vor allem der UN und der OSZE, in den Hintergrund zu drängen und das Militärbündnis zu einem weltweit operierenden Interventionsinstrument zu machen. Inzwischen gebe es in Europa stärker die Bemühung, neben der NATO den sogenannten Europäischen Pfeiler zu stärken und die Abhängigkeit von den USA zu verkleinern.
Für Otfried Nassauer, dem Leiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit (BITS), ist es ein interessantes Phänomen, dass in Europa nun die sozialdemokratisch geführten Regierungen die von konservativen Strategen entwickelten Konzepte aufgreifen und umsetzen. Die Beteiligung an von den USA beschlossenen Militäreinsätzen, konkret an dem Ende März begonnenen Krieg gegen Jugoslawien, werde mit dem Wunsch versehen, dann nachher "wenigstens mitreden zu dürfen".

Auf Widerspruch stieß der Versuch, die Ohnmacht der meisten deutschen Parlamentarier gegenüber der NATO-Strategie mit ihren Informationsdefiziten zu erklären. Im Gegensatz zu den amerikanischen Kollegen, die über mindestens zehn eigene Mitarbeiter verfügen und oft hervorragend präpariert in Diskussionen auftreten können, hätten die deutschen Abgeordneten mit maximal zwei Mitarbeitern einen schweren Stand. "Gerade die Grünen haben gezeigt", so eine Erwiderung aus dem Publikum, "dass sie ihre Moral verkauft haben. Ich brauche in Fragen von Krieg und Frieden, von Völkerrechts- und Grundgesetzbuch doch keine zehn Mitarbeiter, um zu sagen, "nein, das mache ich nicht mit".

Für Wolf-Dieter Narr, Professor an der Berliner Freien Universität, der sich des Themas Globalisierung und Krieg annahm, ist es Aufgabe der kritischen Friedensforschung, den Wandel des Kapitalismus genau zu analysieren und an den ökonomischen Bedingungen der gegenwärtigen Entwicklung "dranzubleiben". Genau das, beklagte die Kölner Soziologin und Frauenforscherin Maria Mies, sei bisher aber viel zu kurz gekommen. Vor allem der Aspekt, dass Kriege aus ökonomischen Gründen geführt würden, die gesellschaftlichen Verhältnisse aber vor allem durch die "Ausbeutung der Frauen und der Kolonien", ein Begriff, der noch nicht hinfällig geworden sei, zu charakterisieren seien, habe sich bisher zu wenig in der Diskussion niedergeschlagen. Augenmerk verdienten der Zusammenhang "Globalisierung - Militarisierung - Ramboisierung" und die Fragen, wie werden die Männer in der Gesellschaft auf ihre zukünftige Rolle vorbereitet, und woher resultiere "das Recht zu plündern und zu töten".

In einem abschließenden Vortrag ging Andreas Buro auf zivile Konfliktbearbeitungsmöglichkeiten als Alternative zu einer sich immer mehr verstärkenden militärgestützten Außenpolitik ein.

Fazit: Es wird in Zukunft darauf ankommen, der herrschenden Politik und gängigen Propaganda eigene Entwürfe entgegenzusetzen. Dass diese auch wieder von stärker aufkommenden sozialen Bewegungen aufgegriffen werden sollten und nicht nur in "Diskussionszirkeln" verbleiben, war die gemeinsame Hoffnung aller in Köln Versammelten

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