Für Änderungen braucht es Druck von Friedensgruppen und der Staatengemeinschaft

Israel – Palästina: Einstaatenlösung?

von Wiltrud Rösch-Metzler
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Der Traum von einem säkularen demokratischen Staat vom Mittelmeer bis zum Jordan, in dem alle BürgerInnen gleiche Rechte haben, ist ein jahrzehntealter Traum israelischer und palästinensischer Linker. Er setzt voraus, dass PalästinenserInnen nicht länger in Sorge sind, wirtschaftlich, militärisch und politisch von der israelischen Seite dominiert zu werden, und dass jüdische Israelis sich nicht mehr davor fürchten, “nur” eine Heimstatt in einem Staat Palästina-Israel gefunden zu haben.

Die Ein-Staatenlösung ist ein Konzept, das auch von so unterschiedlichen Akteuren wie der Siedlerbewegung und der Hamas verfolgt wird, allerdings ohne die Adjektive säkular, demokratisch und gleiche Rechte. Erstere wollen einen jüdischen Staat, letztere einen islamischen. Eigentlich gehört die israelische Regierung ebenfalls zu den Ein-Staatlern, nachdem sie 1980 Ostjerusalem und 1981 die syrischen Golanhöhen völkerrechtswidrig annektierte und de facto diese Annexions-Politik weiter betreibt: Apartheidsstraßen verbinden israelische Siedlungen in der besetzten Westbank mit Israel. Diese Siedlungen werden ausgebaut und neue errichtet, so dass immer weniger Land für eine Zweistaatenlösung mit den PalästinenserInnen bleibt. Die israelische Regierung verbaut die Zwei-Staatenlösung. Ihr Militär bestimmt über das Leben der PalästinenserInnen.

Die palästinensische Befreiungsbewegung (PLO) begann in den 70er Jahren den bewaffneten Kampf aufzugeben und anerkannte mit dem Oslo-Abkommen schließlich den Staat Israel in den Grenzen von vor dem Sechs-Tage-Krieg 1967 an. Die PLO strebt seither einen Staat Palästina in Westbank, Gaza und mit Ostjerusalem als Hauptstadt an. Die Zweistaatenlösung ist stark in Misskredit gekommen, nachdem die israelische Seite Arafat nicht mehr als Partner für Frieden anerkannte und nachdem sein Nachfolger Abbas keine Freiheiten für die PalästinenserInnen erwirken konnte. Schließlich führte dies zum Wahlerfolg der Hamas. Dieses Wahlergebnis wurde von Israel und dem Westen nicht geduldet, außer die Hamas anerkennt den Staat Israel. Die PLO bereitet derzeit eine UN-Resolution vor, nach der der palästinensische Staat geschaffen werden soll. Wie weit die palästinensischen Partner bereit waren, zusätzlich zur Zweistaatenlösung noch Zugeständnisse zu machen, zeigen die von Al Jazeera veröffentlichten Verhandlungsprotokolle, die den Rücktritt des palästinensischen Chefunterhändlers zur Folge hatten.

Bei einer Einstaatenlösung sei das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge, wie es in der UN-Resolution 194 beschrieben ist, gewährleistet, argumentieren die Befürworter. Ist es nicht eher der fehlende internationale Druck, weshalb es immer noch keine Lösung für die palästinensischen Flüchtlinge gibt? Der andere Einwand lautet: mit einer Einstaatenlösung könne eine rassistische Politik innerhalb Israels beendet werden. Ist nicht in gleicher Weise bei beiden Konzepten eine Änderung in der israelischen Gesellschaft notwendig, wie das Menschenrechtsorganisationen in Israel fordern?

Zweistaatenlösung ist das, wofür fast alle Regierungen und die UN mittlerweile eintreten. Diese müssen sich aber fragen lassen, ob sie wirklich genügend unternehmen, dass ein souveränes Palästina nicht nur auf dem Papier existiert. Oder ob Zweistaatenlösung nicht heißt: Aussitzen des Palästinaproblems, verhandeln, bis die meisten PalästinenserInnen vertrieben und ausgewandert sind.

Ob Einstaatenlösung oder Zweistaatenlösung, wichtig ist, dass eine Grundlage geschaffen wird für ein Miteinander von PalästinenserInnen und Israelis, das beiden eine gleichberechtigte Zukunft bietet. Auf der Strategiekonferenz der Kooperation für den Frieden im Januar 2011 in Hannover erklärte Rolf Verleger von der Jüdischen Stimme für Gerechten Frieden, dass die Grundlage für den Frieden erst einmal eine Entschuldigung Israels sein müsse, die Anerkennung des Leids, das die Staatsgründung Israels über die PalästinenserInnen gebracht habe.

Für die Friedensbewegung sind kleine Schritte wichtig: solange Besatzung herrscht, darauf zu drängen, dass die Regeln des Humanitären Völkerrechts eingehalten werden, keine Kollektivstrafen und kein Bevölkerungstransfer in besetztes Gebiet. Für ein Ende der Besatzung einzutreten, ermöglicht den Weg in ein freies Palästina und ist keine Festlegung auf eine Einstaaten- oder eine Zweistaatenlösung. Unsere gewaltlosen Instrumente sind Kaufverzicht, Investitionsstopp und Sanktionen bis zum Ende der Besatzung.

Indem die Stuttgarter Erklärung nur die Schaffung eines Staates als Lösung sieht, und in einer Zweistaatenlösung “die Zementierung der Ungleichheit”, ist sie nicht mehr offen für eine andere Meinung. Noch ist das kleine Fenster der Zweistaatenlösung nicht ganz zugeschlagen. Und die Regierungen in Lateinamerika sind gerade reihenweise dabei, den Staat Palästina an der Seite Israels anzuerkennen. Diesen Druck zu verstärken, sollten wir über die europäischen Staaten versuchen. Ist das alles nichts wert?

Es ist dann nichts wert, wenn die jetzige und vermutlich letzte Chance auf eine Zweistaatenlösung nicht ergriffen wird, wenn von den PalästinenserInnen immer weitere Zugeständnisse erwartet werden, wenn das “Palästinaproblem” auf diese Art ausgesessen wird. Dann wird irgendwann die Besatzung in Apartheid übergehen. Dann wird es nötig sein, dass man sich die Utopie von einem säkularen demokratischen Staat bewahrt hat, auch wenn nicht erkennbar ist, inwiefern die Staatengemeinschaft den nötigen Druck dafür schafft.

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Wiltrud Rösch-Metzler ist Journalistin und pax christi Bundesvorsitzende.