Deserteur Dragan D. nach Belgrad zurückgekehrt

Jugoslawisches Parlament verabschiedet Amnestiegesetz

von Wolfgang Menzel
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Am 26. Februar verabschiedete das neue jugoslawische Parlament ein Amnestiegesetz. Begnadigt wurden überwiegend junge Männer, die sich vor allem während der NATO-Luftangriffe vor zwei Jahren der Einberufung in die jugoslawische Armee entzogen und damit strafbar gemacht haben. Ihre Gesamtzahl wird auf 33.000 Personen geschätzt, die meisten von ihnen sind ins Ausland geflüchtet, insbesondere ins benachbarte Ungarn. 24.000 Kriegsdienstverweigerer und Deserteure wurden bereits angeklagt oder verurteilt.

Mit Inkrafttreten der Amnestie würden alle gerichtlichen Verfahren gegen diesen Personenkreis eingestellt und bislang nicht angeklagte Personen würden nicht länger strafrechtlich verfolgt, teilten Belgrader Bürgerrechtsgruppen mit. Laut dpa wurden bereits 5000 Häftlinge entlassen. Von der Amnestie ausgenommen sind Personen, denen Terrorismus vorgeworfen wird - zumeist Kosovo-Albaner - sowie die Straftatbestände Völkermord, Kriegsverbrechen und Rauschgifthandel. Das Amnestiegesetz wurde auf Initiative von Menschenrechtsgruppen ins Parlament eingebracht und stellt eine wichtige Bedingung für den vollen Beitritt des Landes zum Europarat dar.

Der serbische Deserteur Dragan D., um dessen Aufnahme in Freiburg sich Friedensgruppen und Stadtverwaltung vergeblich bemüht hatten, ist nach Bekanntwerden des Amnestiegesetzes aus dem ungarischen Flüchtlingslager Debrecen zu seinen Angehörigen nach Belgrad zurückgekehrt, teilt die Regionalgruppe Freiburg der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) mit. "Dragan ist glücklich, wieder zu Hause sein zu können. Gleichzeitig ist er aber auch enttäuscht und verbittert darüber, dass sein Antrag auf Aufnahme in Freiburg von der Stadtverwaltung so schleppend bearbeitet und letztlich vom Regierungspräsidium abgelehnt wurde", sagt der Sprecher der DFG-VK Freiburg, Wolfgang Menzel. Im November 1999 hatte der Freiburger Gemeinderat fast einstimmig beschlossen, Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern aus Kriegsgebieten aus humanitären Gründen Schutz und Hilfe zu gewähren. Auch der Freiburger Bundestagsabgeordnete Gernot Erler (SPD) hatte sich mehrfach für eine Aufnahme Dragan D.s eingesetzt. Doch das für seine restriktive - und in einigen Fällen unbarmherzige - Ausländerpolitik bekannte Freiburger Regierungspräsidium versagte die (rechtlich erforderliche) Zustimmung.

"Wir hoffen, dass Dragan nach dem 18-monatigen, zermürbenden Lageraufenthalt unter schlimmem äußeren Bedingungen nun in seiner Heimat möglichst schnell wieder Fuß fasst, er eine Arbeitsstelle findet und von einer erneuten Einberufung in die Armee verschont bleibt", erklärt die Freiburger Unterstützergruppe. Denn das Gesetz wurde in den Parlamentsberatungen von den oppositionellen Milosevic-Sozialisten heftig bekämpft, die die Einberufungsverweigerer als "Verräter" denunzierten. Und es bezieht sich nur auf die Milosevic-Ära. Kriegsdienstverweigerer müssen auch im "neuen" Jugoslawien mit Anfeindungen und Diffamierungen rechnen - und mit strafrechtlicher Verfolgung: denn es gibt kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Noch am 24. Januar wurde der Koordinator des Netzwerks für Kriegsdienstverweigerung, Srdjan Knezevic, am Belgrader Flughafen verhaftet, des "unerlaubten Verlassens und Flucht vor der jugoslawischen Armee" bezichtigt und 24 Stunden festgehalten (Mitteilung der Friedensgruppe "Frauen in Schwarz", Belgrad am 25. Januar). Damit wurde verhindert, dass Knezevic zu einer Veranstaltung in die Schweiz fliegen konnte, um seine Kampagne für ein Kriegsdienstverweigerungsgesetz vorzustellen.

Für die DFG-VK Freiburg ist die Verabschiedung des Amnestiegesetzes und die Ermöglichung der Rückkehr der Deserteure ein wichtiger Teilerfolg der mutigen und beharrlichen Arbeit der jugoslawischen Friedens- und Menschenrechtsgruppen und ihrer Unterstützer im Ausland. Die nächsten Ziele sind die Verankerung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung, die Durchsetzung der Menschenrechte, die weitere Demokratisierung und Entmilitarisierung der jugoslawischen Gesellschaft.

Im Hinblick auf den Gemeinderatsbeschluss über die Aufnahme von Deserteuren appelliert die DFG-VK eindringlich an Rat und Verwaltung, diesen mit Leben zu füllen und künftig schneller zu reagieren. Schließlich gebe es Länder wie zum Beispiel Angola, in denen aktuell Krieg oder Bürgerkrieg geführt werde und Kriegsdienstverweigerer massiven Repressionen bis hin zur Ermordung ausgesetzt seien.

Weitere Informationen zum Thema im Internet unter: http://www.connection-ev.de und http://www.dfg-vk.de

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