Rüstungsindustrie – Macht – Politik

Anmerkungen zur „Natur der Bestie"

von Kathrin Vogler
Schwerpunkt
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Als der parlamentarische Staatssekretär Uwe Beckmeyer (SPD) im Februar 2015 in Neu-Delhi aus dem Flugzeug stieg, hatte er eine heikle Mission zu erfüllen: Mit Billigung von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sollte er Gespräche führen über die Entscheidung der indischen Regierung aus dem Jahr 2012, den Rüstungskonzern Rheinmetall wegen Bestechungen durch dessen Tochter Rheinmetall Air Defence für zehn Jahre von Geschäften auszuschließen. Außerdem sollte er den indischen Verteidigungsminister Mathur zu einem Treffen mit Rheinmetall-Chef Armin Papperger bewegen.

Als ich kurz danach in der Fragestunde wissen wollte, ob Beckmeyer dafür geworben habe, dass die indische Regierung Rheinmetall von ihrer Liste der korrupten Rüstungsunternehmen streicht, antwortete seine Kollegin Brigitte Zypries (SPD) noch, das Thema habe nach ihrer Kenntnis keine Rolle gespielt. Wenig später jedoch bekam ich schriftlich die Bestätigung: Beckmeyer habe sich am 16. Februar 2015 tatsächlich bei Mathur nach dem Blacklisting-Verfahren gegen Rheinmetall erkundigt (1). Drei Jahre später haben nun Journalisten des Bayrischen Rundfunks, des Stern und des indischen Onlineportals The Print den Skandal aufgearbeitet. Sie belegen, dass Rheinmetall Schmiergelder an einen hohen Beamten der indischen Regierung gezahlt und mit Hilfe eines mit 530.000 US$ ausgestatteten Vermittlers versucht hat, wieder ins Indien-Geschäft zu kommen. All dies war Gabriel bekannt, der die "politische Flankierung" dieser Bemühungen befürwortete. Im Juli 2017 wandte sich Rheinmetall noch einmal an die indische Regierung, weil diese die Laufzeit des Blacklisting für korrupte ausländische Unternehmen auf fünf Jahre halbiert hatte (2). Kurz danach hieß es jedoch, dass der indischen Ermittlungsbehörde neue Beweise vorlägen, dass zwischen 2005 und 2007 schon einmal „Provisionen“ für einen Verkauf von Luftabwehrsystemen geflossen sein sollen (3). Im September wurde der Antrag von Rheinmetall vor dem Obersten Gerichtshof in Neu-Delhi behandelt, die Entscheidung wurde ausgesetzt und der nächste Anhörungstermin auf den 12. November festgesetzt. Der Vorsitzende Richter argumentierte vorab, jeder Rüstungskonzern stehe unter Korruptionsverdacht, dies läge "in der Natur der Bestie". (4)

Diese Bestie hat viele Gesichter. Enge Beziehungen zwischen Politik und Rüstungsindustrie werden offensichtlich, wenn man sich ansieht, wer Regierungsmitglieder auf ihren Dienstreisen begleitet (5) oder zu welchen Veranstaltungen der Rüstungslobby Politiker*innen eingeladen werden. Eine zentrale Kommunikationsstruktur ist der „Strategische Industriedialog“, 2017 vom Verteidigungsministerium mit dem Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) initiiert. Er wird präsentiert als „Möglichkeit …, gegenseitiges Verständnis herzustellen, sowie schnelle und konkrete Maßnahmen im Rüstungsbereich umzusetzen“ (6). 66 Rüstungsfirmen vertritt der BDSV in der Berliner Friedrichstraße, in Wurfweite zum Regierungsviertel. Von dort aus hat man sich einen Markt zurückerobert, der noch 2014 aus der Sicht des BDSV-Präsidenten und Rheinmetall-Chefs Papperger so schlecht aussah, dass alle großen Rüstungsunternehmen prüften, „ob sie auf Dauer im Land bleiben können“. Für 2019 hat Ministerin von der Leyen jedoch 10 Milliarden mehr als 2014in den Rüstungsetat eingestellt und dessen "langen und steilen Anstieg" verkündet. In freudiger Erwartung konstatierte Papperger im Frühjahr dieses Jahres: „Wir haben ein sehr gutes Marktumfeld“ (7).

Daran mitgewirkt haben viele Politiker, die in den letzten Jahren in die Rüstungswirtschaft wechselten und ihre Expertise in neue Marktstrategien einbrachten. Zu nennen wäre etwa Georg Wilhelm Adamowitsch (SPD), als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium von 2002 bis 2009 zuständig für Kriegswaffenexporte und danach von 2011 bis 2017 Hauptgeschäftsführer des BDSV, wo er seine "vielfältigen beruflichen Erfahrungen in Wirtschaft, Politik und Verwaltung“ nutzte, um „die Interessen des Verbandes und seiner Mitgliedsunternehmen auf nationaler und europäischer Ebene zu vertreten“ (8). Dirk Niebel (FDP), von 2009 bis 2013 Entwicklungsminister, stieg 2015 als Berater bei Rheinmetall ein. Seine eigene Consulting-Firma verfügt „über ein langjährig gewachsenes und exzellentes weltweites Netzwerk zu Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen“ (9), was ihm wohl auch half, trotz eines bestehenden Embargos einen Deal mit Aserbaidschan anzubahnen (10). Ex-Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) ließ sich 2017 in den Rheinmetall-Aufsichtsrat wählen (11).

Aber es geht auch anders: Die spanische Regierung hat jüngst einen Export von 400 lasergesteuerten Bomben nach Saudi-Arabien annulliert, damit diese Waffen nicht im Jemen-Krieg eingesetzt werden können. Die spanische Regierung zahlt nun 10,6 Mio. US$ an Saudi-Arabien zurück und weiß sich dabei im Einklang mit der Bevölkerung, die diese Waffengeschäfte mehrheitlich ablehnt. In Deutschland sollten wir Spanisch lernen!

Anmerkungen
1 6.3.2015, https://bit.ly/2Dwbusi
2 11.7.2018, https://bit.ly/2zo9fCW
3 12.7.2018, https://bit.ly/2OEqFAp
4 9.9.2018, https://bit.ly/2NubiOC
5 https://bit.ly/2Q5xvzr
6 25.9.2018, https://bit.ly/2NVY0qR
7 15.3.2018, https://bit.ly/2QTTXNj
8 20.7.2011, https://bit.ly/2N0ZGgU
9 25.09.2018, https://bit.ly/2xRw1B8   
10 8.7.2018, https://bit.ly/2xEXeI7
11 10.5.2017, https://bit.ly/2xRruyI

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