Arbeitskreis Darmstädter Signal

Nicht im Gleichschritt, Marsch

Im September 1983 schloß sich der Friedensbewegung eine Gruppierung an, deren Mitgliederzahl zunächst eher bescheiden war. Trotzdem erregte sie Aufsehen: Denn ausgerechnet Soldaten der Bundeswehr sagten NEIN zur Stationierung neuer Atomraketen· das "Darmstädter Signal" war gegründet. "Wir verstehen uns als Friedensinitiative und solidarisieren uns mit allen Friedensgruppen, die sich für Frieden mit weniger Waffen in West und Ost einsetzen!"

Für ursprünglich 20 Soldaten stand diese Aussage am Anfang ihrer Tätigkeit im Arbeitskreis "Darmstädter Signal." Sie wollten in der Öffentlichkeit deutlich machen, daß die Zugehörigkeit zur Bundeswehr nicht mit politischer Monokultur gleichzusetzen ist. "Wir treten entschieden dem Eindruck entgegen, daß in der Bundeswehr Einigkeit darüber besteht, die Nachrüstung oder eine weitere konventionelle Aufrüstung sei aus politischen oder militärischen Gründen notwendig!" Das war 1983. Heute sind es mehr als 200 Zeit- und Berufssoldaten, vom Obergefreiten bis zum Oberst, die sich im Arbeitskreis zusammengeschlossen haben und die der nationalen wie internationalen Sicherheitspolitik zahlreiche Kritikpunkte und Forderungen gegenüberstellen. In einem Grundlagenpapier - das "Signal" (erstmals 9/83 in Darmstadt aufgelegt, aktualisiert 10/84 und 1/86) - wurden die inhaltlichen Grundlagen für die Arbeit der "Staatsbürger in Uniform" zusammengefaßt. So fordert das ''Darmstädter Signal" u. a.:

  1.  "Das Wiederaufgreifen einer Politik der Entspannung
  2. Konkrete Schritte zur Abrüstung.
  3. Als vertrauensbildende Vorleistung einen Rüstungsstop, den unverzüglichen Abzug aller chemischen und die deutliche Verringerung von atomaren Kampfmitteln auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland.
  4. Die sofortige Rücknahme der sogenannten Nachrüstung.
  5. Das Schaffen von ABC-waffenfreien Zonen in Europa.
  6. Eine konsequente Umsetzung des defensiven Auftrages der Bundeswehr im Rüstungsbereich. Zurückweisung aller Konzepte für die NATO, die neue Rüstung notwendig machen und zum Präventivschlag herausfordern.
  7. Die Ablehnung der Strategischen Verteidigungs-Initiative (SDI) und ähnlicher Konzepte.
  8. Die schrittweise Verringerung der Rüstungsexporte und Militärhilfen für Länder der sogenannten Dritten Welt!"

Der Arbeitskreis ist seit 1983 zum Sprachrohr jener Soldaten geworden, die mit der Sicherheitspolitik der Bundesregierung unzufrieden sind. Der Arbeitskreis ist kein parteipolitisch gebundenes Forum. Zwar ist etwa die Hälfte seiner Mitglieder in Parteien organisiert, aber ihre Gedanken und Forderungen reichen über die Parteigrenzen hinaus. Dies ist jedoch nur ein Aspekt, der dem "Darmstädter Signal" zu einer glaubwürdigen Teilnahme an der politischen Diskussion über Sinn und Unsinn von Rüstung und Militär verhilft. Wichtiger noch: Da melden sich Personen zu Wort, die wissen, wo¬von sie reden. Nahezu für jeden einzelnen Aspekt der Militär-, Sicherheits- und Verteidigungsproblematik kann der Arbeitskreis Experten aufbieten, die über Detailkenntnisse verfügen und somit sachlich fundiert zu argumentieren verstehen.
Die Fortsetzung der inhaltlichen Arbeit wird durch interne Rundbriefe mit Meinungsaustausch und Abstimmungen organisiert. Alle vier bis sechs Wochen treffen sich die "Signaler" zu Wochenendseminaren, zu denen sie Fachleute als Referenten einladen. Jährlich findet eine große öffentliche Veranstaltung, das "Hardtberg-Gespräch", statt.
Delegationen des Arbeitskreises "Darmstädter Signal" reisen seit drei Jahren in die CSSR zu Gesprächen mit Soldaten. Ein Besuch in der DDR fand im Februar diesen Jahres statt, im Oktober 1989 wollen Signaler in die UdSSR reisen. Ein praktischer Beitrag zum Feindbildabbau!

Innere Freiheit und Zivilcourage
Die Mitglieder des Arbeitskreises "Darmstädter Signal" sind Soldaten und somit Angehörige eines militärischen Gesamtgefüges. Wesentliche Elemente dieses Komplexes werden von ihnen in Frage gestellt, und das sorgt in einer Institution wie der Bundeswehr für Zündstoff.
Dennoch ermutigte der damalige Bundesverteidigungsminister Wörner die Bundeswehrangehörigen in seiner Rede vom 10. 6. 1983 in der Heeresoffizierschule Hannover zu innerer Freiheit und Zivilcourage und bescheinigte ihnen das moralische Recht, ja, sogar die Pflicht, abweichende Ansichten zu äußern, wo es im Sinne einer höheren Wertstellung erforderlich scheine. Allerdings zeigt die Praxis, daß Karrierenachteile entstehen, wenn man zu einer Gruppe gehört, die im übrigen weitgehend totgeschwiegen wird. Auch paßt in dieses Bild, daß weder Verteidigungsminister noch Mitglieder der CDU Bundestagsfraktion jemals Einladungen zu Diskussionsveranstaltungen der "Signaler" nachgekommen sind. Auch in den Bundeswehrmedien wird der Arbeitskreis "Darmstädter Signal" totgeschwiegen.
Am 15. März 1986 wurde der "Förderkreis Darmstädter Signal" gegründet, der sich für die Erhaltung und den Ausbau der demokratischen Grundrechte von Soldaten einsetzen will. Unter den jetzt 340 Mitgliedern befinden sich Bundestagsabgeordnete der SPD und der Grünen, Schriftsteller, Theologen, Gewerkschafter und Publizisten: Erhard Eppler, Jo Leinen, Petra Kelly, Herta Däubler-Gmelin, Gert Bastian, Otto Schily, Peter Härtling, Luise Rinser, Robert Jungk, Horst Eberhard Richter und Walter Jens - nur einige Namen aus der Liste prominenter Unterstützer der "Signaler". Vorsitzender des Förderkreises ist der Kölner Rechtsanwalt und ehemalige Intendant des Westdeutschen Rundfunks, von Seil. Die Mitglieder des Förderkreises wollen den "Staatsbür¬er in Uniform" den Zutritt zur öffentlichen Plattform sichern, ohne die, so von Seil, "Demokratie nicht denkbar ist", und weiter: "Der Arbeitskreis ist der Motor, wir werden Schutz geben." Mitglied im Förderkreis kann im übrigen jeder werden, der die Arbeit des "Darmstädter Signal" unterstützen möchte.
Schwerpunkte der augenblicklichen Arbeit des Arbeitskreises ist der Vor¬schlag für eine "defensive Verteidigungsstruktur", ein Positionspapier zur "Pflege demokratischer Traditionen" und eine Stellungnahme zur Militärseelsorge.

Zeit- und Berufssoldaten aller Dienstgrade (auch d. Res.), die zum AK "Darmstädter Signal" Kontakt aufnehmen wollen, wenden sich bitte an: Major Helmut Prieß, Quellenstr. 80, 5357 Swisttal 1, Telefon 02254-1745.

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