(Nord-) Korea oder die Kontinuität des Kalten Krieges

von Rainer Werning

Zerrbilder der gröbsten Art. Offenbar ist da auch eine Abwehrhaltung im Spiel. Denn das Land fühlt sich permanent bedroht, und sein Bild im Ausland, selbst in Kinofilmen, ist in den schwärzesten Farben gemalt. Allen anderen Ländern wird zugestanden, zumindest zwei Gesichter zu haben". Der Schriftsteller Hwang Sok-Yong, Südkoreas bedeutendster zeitqenössischer Autor, im Gespräch mit dem Autor (25. Juni 2005)

Konfrontation statt Kooperation
Den Höhepunkt Pjöngjanger Außenpolitik und einen diplomatischen Coup im Sog der vom früheren südkoreanischen Präsidenten Kirn Dae-Jung (1998-2003) entworfenen „Sonnenscheinpolitik" vis¬à-vis Nordkoreas bildete zweifellos der Besuch von US-Außenministerin Madeleine Albright am 23. und 24. Oktober 2000. Damit weilte erstmalig in der Geschichte beider Länder ein derart hochrangiger Repräsentant der US-Regierung in der Volksrepublik. Zudem empfing US¬Präsident Bill Clinton fast zeitgleich mit General Cho My"ng-Rok sogar die Nummer Drei der nordkoreanischen Nomenklatur im Weißen Haus. Wäre Clinton in den letzten Tagen seiner Amtszeit nicht angesichts von Bemühungen um Deeskalation des palästinensisch-israelischen Konflikts und durch das sich daheim quälend hinziehende Debakel um die Auszählung von Wählerstimmen auf dem falschen Fuß erwischt worden, hätte ihn möglicherweise seine letzte Auslandsreise Anfang 2001 nach Pjöngjang geführt, wo bereits entsprechende Vorbereitungen im Anschluss an den Albright-Besuch angelaufen waren.

Was zu Beginn des Jahres 2001 auf einen behutsamen, kontinuierlichen Entspannungsprozess in Korea hindeutete, geriet bereits kurz nach dem Amtsantritt von George W. Bush aus den Fugen. Selten dürfte im Weißen Haus ein Staatsgast, dazu noch ein gerade erst (im Jahre 2000) mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnetes Staatsoberhaupt, dermaßen brüskiert worden sein, wie das Anfang März 2001 Südkoreas Präsidenten Kirn Dae-Jung widerfuhr. Anlässlich dieses ersten Staatsbesuchs eines asiatischen Regierungschefs beim neuen Chef im Weißen Haus nannte Präsident Bush Nordkorea am 7. März 2001 unvermittelt und ohne Umschweife einen „Bedrohunqsfaktor in Ostasien", mit dem Ge¬spräche ausgesetzt und· erst nach einer kompletten Neubestimmung der US-Asienpolitik wieder aufgenommen würden. Als er auch noch den innerkoreanischen Dialog in Zweifel zog, diesen sogar als .naiv" abstempelte, standen Kirn Dae: Jung samt Entouraqe wie begossene Pu¬del da. Einen Tag zuvor, am 6, März 2001, hatte Außenminister Colin Powell den noch zuversichtlich gestimmten Gästen aus Seoul versichert, er werde „die viel versprechenden Elemente der Nordkorea¬Politik seiner Vorgängerin weiter entwickeln". Peinlich· für die südkoreanische Delegation war überdies, dass sie in die Debatte um das von Präsident Bush propagierte Raketenabwehrsystem (NMD) als Kern einer neuen us-amerikanischen Verteidigungsstrategie hineingezogen wurde und Bushs nationale Sicherheitsberaterin, Condoleezza Rice, die Wiederaufnahme von US-amerikanisch-nordkoreanischen Raketentests trotz des 1999 von Pjöngjang zugesagten Moratoriums schlichtweg für „kontraproduktiv" hielt.

Das ließ unverzüglich alte Wunden wieder aufbrechen. Pjöngjang brandmarkte im Staatsrundfunk und in der Rodonq Shinmun, dem Zentralorgan der herrschenden Partei der Arbeit die USA als eine „Nation von Kannibalen" und warnte Washington vor provokativen Aktionen: ,,Sollten die us-Imperialisten die Konfrontation wagen, wird ihnen tausendfach Rache zuteil." Pjöngjang reagierte auch deshalb so harsch, weil sich seit dem Amtsantritt von Bush Junior die US-amerikanisch-chinesischen Beziehungen spürbar abkühlten. Anfang April2001 worauf der chinesischen Insel Hainan ein US-Spionageflugzeug zur Landung gezwungen Und dessen Besatzung eine Zeitlang festgehalten worden. Präsident Bush und seine damalige Sicherheitsberaterin und heutige Außenministerin Condoleezza Rice schalten China als „aufstrebende Macht und strategischen Gegner", als einen Rivalen also, der den USA-langfristig gesehen- am ehesten politisch, militärisch und wirtschaftlich Pa¬roli bieten könnte. Chinas Präsident Jianq Zemin fuhr eine Retourkutsche. Anfang Mai 2001 charakterisierte er seinen Kollegen im Weißen Haus während eines Sondertreffens von Mitgliedern des Politbüros der Kommunistischen Partei Chinas und außenpolitischen Experten als - so wörtlich: "logisch unbedarft, konfus und prinzipienlos." Beijing aber ist und 'bleibt Nordkoreas engster Verbündeter. Eine Grundlage dafür ist die Waffenbrüderschaft, die es während des dreijährigen Koreakrieqes (1950-53) gab, in dem auch ein Sohn Mao Tse-tunqs sein Leben verlor. Ein anderer Grund ist der Freundschafts-und Beistandspakt zwischen beiden Staaten vom 11. Juli 1961. Außerdem erhält Nordkorea vom großen Nachbar Erdöl, Lebensmittel und andere notwendige Güter des täglichen Bedarfs.

Fundamentalisten unter sich
Nachdem Bush im Januar 2002 die „Achse des Bösen" erfunden hatte, ersetzte er im September 2002 die traditionelle Politik der Eindämmung durch eine neue Strategie präventiver Militärschläge, das heißt des Präventivkriegs, wonach ein Land anzugreifen sei, von dem die USA glauben, es könnte zuerst angreifen. In seinem Buch ;,Bush at War" - ,,Bush im Krieg" -zitiert der Journalist Bob Woodward den US-Präsidenten mit den Worten: ,,Ich hasse Kim Jong-Il!" Und er fügte hinzu, am liebsten würde er das Regime in Pjöngjang stürzen. Dieses reagierte prompt, verwies die In-spektoren der Internationalen Atomener¬gie-Behörde des Landes, ließ den Atomreaktor in Yongbyon mit neuen Brennstäben beladen und erklärte den Austritt aus dem· Atomwaffensperrvertrag.

„So trafen Anfang 2003 die vorhersehbaren Provokationen und Täuschungsversuche Nordkoreas auf die seit langem vorliegenden Pläne der USA, die schon in der Anfangsphase eines neuen koreanischen Krieges den Einsatz von Atomwaffen vorsehen", schrieb der US-amerikanische Histo-riker und Korea-Experte Bruce Cumings (2003): Das Prinzip des Atomwaffensperrvertrags lautet", so Cumings weiter, ,,dass Staaten ohne Nuklearwaffen nicht von denen bedroht werden dürfen, die Atomwaffen besitzen. 1996 erklärte der Internationale Gerichtshof in Den Haag, jeglicher Einsatz von oder die Bedrohung durch Atomwaffen sei als das „mal ultime" zu verurteilen. Dennoch könnte der Einsatz von Atomwaffen gerechtfertigt sein - dann nämlich, wenn das Überleben eines ganzen Staates auf dem Spiel stünde [zit. nach: The New York Times, 9. Juli 1996]. Demnach jedenfalls ist es eher gerechtfertigt, dass Nordkorea Atomwaffen produziert, als dass die USA dem „nichtnuklearen Staat" Nordkorea die Vernichtung androhen."

,,Der trotz des Widerstandes der internationalen Gemeinschaft geführte Krieg in Irak hat gelehrt", konterte die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA, ,,dass eine Nation über ei¬ne angemessene militärische Stärke verfügen sollte, um ihre Souveränität zu ver¬teidigen." Pjöngjang sah sich herausgefordert und bangte um das Überleben seines Regimes, als im März 2003 US-Streitkräfte in den Irak einmarschierten. Seitdem beharrt es -- so wörtlich: ,,auf das Recht; ein größtmögliches Abschreckungspotenzial zum Selbstschutz zu unterhalten", wobei bis heute nicht eindeu¬tig geklärt ist, ob Pjöngjang tatsächlich über ein Atomwaffenarsenal inklusive Trägersystemen verfügt. Davon aber geht Washington aus. Und dieses erwäge man, so der ehemalige NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark noch. Ende Mai 2005 gegen¬über dem Fernsehsender CNN; notfalls gemäß des bestehenden Planungskonzepts· CONPLAN 8022 durch „zielgenaue Nuklearschläge auszuschalten".

Fast zeitgleich, nämlich Mitte Juni 2005 anlässlich des fünften Jahrestages des ersten koreanischen Gipfeltreffens und der Unterzeichnung der Nord-Süd¬Deklaration, reisten über 300 südkoreanische Gäste nach Pjöngjang, um dort mehrere Tage lang gemeinsam dieses Ereignisses zu gedenken. Es herrschte eine ausgelassene Atmosphäre, die einmal mehr demonstrierte, dass Nord und Süd einander begegnen, voneinander lernen und miteinander feiern können, solange Einmischungen von außen unterbleiben. „Von nun an sollten Süd- und Nordkorea all ihre Kräfte bündeln, um einen tragfähigen Friedensmechanismus zu schaffen und die Gefahr eines Atomkrieges auf der Halbinsel zu bannen", erklärte Südkoreas Vereinigungsminister Chung Dong-Young in Pjöngjang nach einem Treffen mit Staatschef Kim Jong-Il. Die nordkoreanische Seite reagierte prompt: ,,Wir sollten nicht untätig herumsitzen und auf Frieden warten, wir sollten lieber unserer Nation voll vertrauen und mit vereinter Kraft den Frieden sichern", erwiderte der nordkoreanische Sprecher Ahn Kyong-Ho. Südkoreas Außen- und Handelsminister Ban Ki-Moon (designierter Nachfolger Kofi Annans als UN-Generalsekretär) und andere hochrangige Diplomaten in Seoul zeigten sich maßlos enttäuscht, als bereits wenige Tage nach den gemeinsamen Nord-Süd-Feierlichkeiten Paula Dobriansky, Unterstaatssekretärin im US-State Department, Nordkorea als einen von vier „Außenposten. der Tyrannei" brandmarkte – gemeinsam mit Myanmar (Burma), Simbabwe und Kuba. Dazu Minister Ban: ,;Solche provokativen Äußerungen aus Washington tra¬gen nicht dazu bei, den innerkoreanischen Versöhnungsprozess zu stärken und die Sechser-Gesprächsrunde wieder zu beleben. Nordkorea stets mit negativen, respektlosen Etiketten zu belegen, ist kontraproduktiv". Wodurch wenigstens de facto die schizophrene Situation ein Ende fand, dass Südkorea engere Kontakte zum Norden wünscht, diesen aber gleichzeitig in seinem seit der Staatsgründung 1948 bestehenden Nationalen Sicherheitsgesetz als „staatsfeindliche Organisation" denunziert.

Verhaltene Sechser-Gespräche
Zwischenzeitlich initiierte Beijing eine so genannte Sechser-Gesprächsrunde, um diesen nach 1994 zweiten Atomstreit mit· Nordkorea beizulegen. Neben Gastgeber China gehören dieser Runde die beiden Korea, Japan, Russland und die USA an. Seit Sommer 2004 stockten die Gespräche, um schließlich in der vierten Runde der Sechs-Länder-Gespräche Mitte September 2005 zu einem (teilweisen) Durchbruch zu führen. In einer dpa-Meldung vom 19. September 2005 hieß es dazu: ,,Nordkorea hat sich grundsätzlich zur Aufgabe all seiner Atomwaffen und bestehender Nuklearprogramme verpflichtet. Nach zweijährigen Verhandlungen sagte Nordkorea ferner eine Rückkehr zum Atomwaffensperrvertrag „zu einem baldigen Zeitpunkt" zu. Die 2002 ausgewiesenen Inspekteure der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA). sollen dann zurückkehren können. (...) Als Gegenleistung für die Aufgabe seiner Atomwaffen winken dem verarmten Staat umfangreiche Energiehilfen, wirtschaftliche Kooperation und eine Normalisierung der Beziehungen zu den USA und Japan.( ... ) Das Dokument hält fest, dass Nordkorea für sich das Recht auf friedliche .Nutzung der Kernenergie in Anspruch nimmt. ,,Die anderen Parteien äußern ihren Respekt und stimmen zu, zu einem angemessenen Zeitpunkt über das Thema einer Bereitstellung eines Leichtwasserreaktors zu diskutieren: Die Aufnahme dieser beiden strittigen Punkte war möglich geworden, weil die USA ihren Widerstand dagegen aufgegeben hatten. ( ... ) In dem Papier versichern die USA, dass sie Reine Atomwaffen auf der koreanischen Halbinsel haben. Auch hätten sie keinerlei Absicht zu einem Angriff oder einer Invasion in Nordkorea. Die USA, Südkorea, China, Japan und Russland sagen dem unter Strommangel leidenden Land Energiehilfen zu. Das Versprechen Südkoreas vom Juli, jährlich zwei Millionen Kilowatt Strom zu liefern, wurde.in das Papier auf¬genommen. Bei der strittigen Zeitabfolge, wer welchen Schritt zuerst tun muss, war von „koordinierten Schritten" nach dem Grundsatz „Verpflichtung gegen Verpflichtung und Handeln gegen Handeln" die Rede."

Alle Beteiligten - von US-Unterhändler Christopher Hill, Chinas stellvertretenden Außenminister Wu Dawei, Südkoreas Delegationschef Song Min-Soon und Japans Außenminister Machimura Nobutaka bis hin zu dem Generaldirektor der IAEA, Mohairled El Baradei, und dem EU-Außenbeauftragten Javier Solana - zeigten sich erfreut über das Abkommen und bezeichneten es als Meilenstein auf dem Weg zum Aufbau eines „Friedensmechanismus" auf der koreanischen Halbinsel. Eigentlich war man im Herbst 2005 wieder dort angelangt, wo man bereits elf Jahre zuvor im Rahmen des Agreed Framework gestanden hatte. Eine groteske Situation, die wesentlich durch die aqgressive Falken-Diplomatie der früheren US-amerikanischen. Verhandlungsführer James A. Kelly (von 2001 bis 2005 Assistant U.S. Secretary of State for East Asian and Pacific Affairs) und John R. Bolton (heute US-Botschafter bei den Vereinten Nationen) heraufbeschworen und vom Zickzack-Kurs Pjöngjangs vertieft wurde. So löblich das Resultat dieser vierten Runde der Sechser-Gespräche im Sinne einer (zumindest temporären) Deeskalation der Konflikte auf der koreanischen Halbinsel war, es bleibt einstweilen eine notwendige, beiliebe aber keine hin- und ausreichende Bedingung für eine den Namen verdienende Friedensregelung in Korea und Nordostasien. Wie unwägbar auch immer Pjöngjang agiert, so besteht sein eigentliches Ansinnen darin, wenn schon nicht international als Freund anerkannt zu werden, dann wenigstens als Feind auf gleicher Augenhöhe zu Direktverhandlungen mit Washington zu gelangen, um so mittelfristig auch das seit Ende Juli 1953 existierende (anachronistische) Waffenstillstandsabkommen in einen Friedensvertrag zu überführen.

Bombenstimmung in Pjöngjang
Der schwache Hoffnungsschimmer vom 19. September 2005 verblasste allerdings sehr bald und vertiefte den Graben gegenseitigen Missvertrauens zwischen Washington und Pjöngjang. Bereits im Oktober 2005 warf Washington Pjöng¬jang vor, Nordkorea hätte über die in Macau ansässige Banco Delta Asia illegal - nämlich durch gefälschte und „gewaschene" US-Dollarnoten, Drogenhandel und Waffenverkauf - sein Nuklearprogramm finanziert. Washington belegte Nordkorea umgehend mit Sanktionen und einem Finanzembargo, um den Devisenverkehr der Volksrepublik mit der Außenwelt zu kontrollieren. Nordkorea reagier¬te darauf mit der Drohung, nicht länger mehr an weiteren Sitzungen der Sechser-Konferenz teilzunehmen, wo es um die Konkretisierung der Erklärung vom 19. September 2005 gehen soll. Unter diesen Umständen gossen die Raketentests Nordkoreas am 5. Juli 2006 weiteres Öl ins Feuer - für Washington und Tokio ein willkommener Anlass, den internationalen Druck auf Nordkorea zu erhöhen. Die· einstimmig verabschiedete Resolution des UN-Sicherheitsrats vom 15. Juli 2006, die von Pjöngjang verlangt, auf weitere Provokationen zu verzichten und an den Verhandlungstisch der Sechser-Konferenz zurückzukehren, wurde diesmal auch von China und Russland mitgetragen. Daraufhin erklärte Nordkorea, diese Resolution nicht akzeptieren zu können - mit dem Argument, Raketentests fielen unter die Entscheidungshoheit eines souveränen Staates.

Und gemäß der selben etatistischen Logik zündete Pjöngjang schließlich am 9. Oktober 2006 unterirdisch seine erste Atombombe, wodurch seine Diplomaten und Außenpolitiker einmal mehr demonstrierten, wie schnell der kleinen Volksrepublik größtmögliche internationale Aufmerksamkeit beschert werden kann. Womöglich war dies die letzte verbliebene Trumpfkarte, um dem Ziel nahe zu kommen, endlich direkte Gespräche mit Washington zu erzwingen. Was das Ti¬ming des Atomtests betraf, so hat die nordkoreanische Führung mehrfach markante Ereignisse oder Jahreszahlen zum Anlass genommen, um öffentlich zu provozieren. Vor etwa einem Jahr endete in Beijing die vierte Runde der Sechser-Gespräche, während sich Tags zuvor (8. Oktober) zum neunten Mal der Tag jährte, an dem Kim Jong-Il nach dem Tod seines Vaters Kirn Il-Sung (Juli 1994) offiziell seine Führungsposition in Staat, Militär und Partei konsolidierte. Schließlich sollte zeitgleich mit der Durchführung des Nukleartests Südkoreas Außen- und Handelsminister Ban Ki-Moon publicityträchtig als neuer UN-Generalsekretär vorgeschlagen werden, während mit Abe Shinzo erstmals nach fünf Jahren wieder ein· japanischer Premierminister nach Beijing gereist war, was dessen Vorqänqer Koizumi Junichiro verwehrt geblieben war.

Nicht nur in Ostasien sorgten die Entwicklungen auf der koreanischen Halbinsel neuerlich für politische Schockwellen. Auch der UN-Sicherheitsrat sowie UN-Generalsekretär Kofi Annan riefen Pjönqjanq zur Mäßigung-auf und warnten Nordkoreas Führung vor einer Eskalation des Konflikts. Am 14. Oktober 2006 stellte die UN-Resolution 1718 schärfere Sanktionen gegen Nordkorea in Aussicht, was Pjöngjang laut der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA als „Kriegserklärung" wertete, um wenige Tage darauf gegenüber dem chinesischen Sondergesandten Tanq Jiaxuan ein diplomatisches Einlenken zu signalisieren. Die daraufhin einsetzende Shuttle-Diplomatie hochrangiger Politiker der an den Sechser-Gesprächen beteiligten Protagonisten zielte vorrangig auf die Wiederbelebung von Verhandlungen in Beijing, deren Ausgang ebenso ungewiss ist wie die Chance alsbaldiger Direktverhandlungen zwischen Vertretern Washingtons und Pjöngjangs. Auf solche Verhandlungen aber drängen nicht nur die Ex-Präsidenten Kirn Dae-Jung und Jimmy Carter, sondern mittlerweile - erst recht nach den Ergebnissen der letzten US-Kongresswahlen - selbst Mitglieder und Sympathisanten von Bushs Republikanischer Partei, die anstelle eines unerbittlichen Konfrontationskurses und angesichts ohnehin vielfältiger US-amerikanischer Probleme im Nahen und Mittleren Osten endlich auf Direktgespräche mit Nordkorea insistieren.

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Krisen und Kriege
Rainer Werning ist u.a. Vorstandsvorsitzender des Korea-Verbandes e. V. und Ko-Herausgeber des im November erscheinenden Buches Korea-Entfremdung und Annäherung (Köln: PapyRossa Verlag).