Plädoyer eines Angeklagten

von Delf Krohm

Was hat mich bewogen, mich in der Nähe des Südtors Flughafen Ffm auf die Straße zu setzen?

Mir ging es darum, mit einer symbolischen Handlung ein Zeichen zu setzen. Um den Sinn davon zu erläutern, muss ich etwas über die Entwicklung meiner ethischen Einstellung zu Krieg und Frieden sagen.

Seit 1968 entwickelte sich bei mir zunächst in kirchlichen Gruppen Bewusstsein für Leid und Hunger in der `3. Welt`. Für die wirklichen Nöte gab es ein paar Millionen von Dollar. Für die Aufrüstung von Massenvernichtungswaffen waren viele Milliarden Dollar vorhanden. Schon damals war die zentrale Erkenntnis, dass in der Ungerechtigkeit eine große Gefahr für den Weltfrieden droht.

Das war für mich nicht eine Frage einer persönlichen politischen Meinung, sondern eine Gewissensfrage. Eine Hoffnung für die Zukunft sah ich in gewaltfreien, aber doch wirksamen Bewegungen wie die Befreiung Indiens unter Mahatma Gandhi und der Bürgerrechtsbewegung unter Martin Luther King, die sich beide auf die Bergpredigt Jesu beriefen.

Ab ca. 1973 (Bericht an den Club of Rome "Die Grenzen des Wachstums") wuchs mein Bewusstsein für weitere Zukunftsfragen auf unserem Planeten, besonders die Umwelt-, Rohstoff- und Energieproblematik in Hinblick auf das beschleunigte Wachstum der Weltbevölkerung (Engagement in Umweltgruppen).

An Protestaktionen nahm ich erst ab Ende der 70er Jahre teil, im Zusammenhang mit der Anti-AKW-Bewegung.

Eine Zuspitzung gab es Anfang der 80er. Die anstehenden großen Zukunftsfragen waren einer Lösung keineswegs nähergekommen, sondern hatten sich verschärft. Statt die Ressourcen von menschlicher Intelligenz, Geld und Material nun endlich darauf zu konzentrieren, was für die Zukunft der Menschheit auf diesem Planeten getan werden muss, sollte die alles Leben gefährdende Spirale der atomaren Rüstung um weitere Umdrehungen verschlimmert werden. Auch zu der Zeit war ich in Umwelt- und Friedensgruppen engagiert und habe an einigen bundesweiten Kundgebungen teilgenommen.

Eine völlig neue Wendung nahmen die Auseinandersetzungen um Krieg und Frieden im Zusammenhang mit dem Krieg um Rest-Jugoslawien. Das Militär sollte nun nicht mehr allein zur Verteidigung im Falle eines Angriffs da sein, sondern es sollte Gründe geben, die erlauben, auch außerhalb der Gebiete des NATO-Verteidigungspaktes anzugreifen. Solche Gründe lassen sich immer finden, im Falle Jugoslawiens sollten es humanitäre Günde sein. Die wirkliche humanitäre Katastrophe setzte aber erst nach dem Beginn der Bombardierungen ein. Da die Vereinten Nationen ihre Zustimmung für diesen Angriffskrieg verweigert hatten, handelte es sich um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg.

So auch bei dem Angriff der USA auf den Irak. Ich bin dankbar dafür, dass unsere Regierung und das deutsche Militär nicht daran beteiligt sind. Jedoch fliegen über deutschen Boden die US-Kampfflieger, die im Irak zum Einsatz kommen, und in der Frankfurter Air-Base werden sie mit für den Krieg wichtigen Hilfsgütern beladen. Das verstößt sowohl gegen das Grundgesetz des Landes, dessen Bürger ich bin, als auch gegen das Völkerrecht.

Aber es geht mir nicht hauptsächlich um juristische Fragen. Ich fühle mich durch mein Gewissen aufgerufen, etwas gegen diese Militarisierung der Weltpolitik zu tun. Wachsame, vorausdenkende Weltbürger zeigen seit ca. 40 Jahren auf: Der Weltfriede gerät in Gefahr, wenn es nicht mehr Gerechtigkeit zwischen Nord und Süd gibt. Dies tritt nun ein:

Der strukturellen Gewalt des Unrechts folgt die militärische Gewalt, die wiederum mit Terror beantwortet wird, gegen die wieder die militärische Gewalt eingesetzt wird, mit enormer Gefahr der weltweiten Eskalation.

Dagegen kann immer noch meine alte Hoffnung helfen: Stärkung der Zivilgesellschaft, Verständnis der Kulturen auf unserem Planeten untereinander, Solidarität der Völker des Nordens mit den Völkern des Südens. Dazu gehört auch Zivilcourage.

Wir zeigen mit so einer Sitzblockade, wie sie hier zur Beurteilung ansteht, dass der zivile Bürger nicht völlig ohnmächtig ist gegen Macht und Militär, und gegen die Billionen von Dollar, die dahinterstecken. Wir zeigen symbolhaft, dass es diese und noch einige andere erprobte Formen gewaltfreier Aktion gibt, die um so wirksamer werden, je mehr Bürgerinnen und Bürger sich daran beteiligen. Mit unserer Aktion machen wir solche Möglichkeiten, dem Frieden zu dienen, bekannt.

Nun bin ich zusammen mit anderen der gemeinschaftlichen Nötigung angeklagt. Damit der entsprechende Paragraph greift, muss das Gericht `niedere` Beweggründe feststellen. Die Staatsanwaltschaft sagt, der `niedere Beweggrund` bestünde darin, dass wir anderen, z.B. den zum Halten gebrachten Autofahrern unsere politische Meinung aufdrängen wollten. Ich hoffe, mit meinem inneren Werdegang geschildert zu haben, dass es mir nicht um meine politische Meinung geht, sondern um ein gewissenhaftes Eintreten für unser aller Zukunft in Gerechtigkeit, Frieden und Menschenwürde.
 

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