NATO und Bundeswehr üben Atomkrieg

Protesttag in Nörvenich am 9.10.21 gegen Atomkriegsmanöver „Steadfast Noon“

von Martin Singe
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Jedes Jahr Mitte Oktober übt die NATO den Atomkrieg in Europa. Dabei sind regelmäßig die USA, die nuklearen Teilhabestaaten in Europa sowie die sog. SNOWCAT-Staaten beteiligt. US-Atombomben sind stationiert in Kleine Brogel (Belgien), Büchel (Deutschland), Aviano und Ghedi (Italien), Volkel (Niederlande) und Inçirlik (Türkei). Zu den SNOWCAT-Staaten (= Support of Nuclear Operations with Conventional Air Tactics) gehören Dänemark, Griechenland, Norwegen, Polen, Rumänien, die Tschechische Republik und Ungarn.

Da die Übungen von höchster Geheimhaltung sind, erfährt man meist erst während des Manövers davon, dass diese schon im Gange sind. Die Regelmäßigkeit des Atomkriegsmanövers lässt aber darauf schließen, dass es in diesem Jahr in der Woche vom 11.-17. Oktober stattfinden wird (vgl. FriedensForum 1/21, S. 24f).

Bei den Manövern wird zunächst geübt, wie die Atombomben sicher aus ihren Bunkern zu den Trägerflugzeugen transportiert und an diese angekoppelt werden können. Dann werden Flug- und Abwurfübungen durchgeführt. Die Tornado-Piloten der Bundeswehr müssen vor allem üben, nach den simulierten Abwürfen wieder schnell davonzufliegen, um den Folgen des Bombenabwurfs im Ernstfall entgehen zu können. Noch handelt es sich um die alten frei fallenden Abwurfbomben, die demnächst durch lenkbare autonom weiterfliegende Bomben ersetzt werden sollen. Was sonst alles geübt wird, ist geheim. Die SNOWCAT-Staaten simulieren feindliche Flugzeuge oder unterstützen direkt die Bomber mit den Atomwaffen. Beteiligt sind natürlich auch die US-Streitkräfte mit Kampfjets. In England hatten die USA im letzten Jahr während „Steadfast Noon“ B-52 Langstreckenbomber stationiert. Vielleicht sollen diese im Ernstfall als alternative Bombenträger bereitstehen, da die Tornado-Reichweite ja sehr begrenzt ist.

Regelmäßig ist das taktische Luftwaffen-Geschwader 33 (Tornados) der Bundeswehr beteiligt, das in Büchel stationiert ist. Da nun jedoch Büchel von 2022-2026 für die neuen Atombomben B 61-12 umgebaut und modernisiert werden soll (veranschlagte Kosten: 259 Millionen Euro), werden für diese Zeit die meisten der Tornados auf den Fliegerhorst Nörvenich bei Düren verlegt. So wird Nörvenich in diesem Jahr - wie schon in 2020 - in das Manöver „Steadfast Noon“ sehr stark involviert sein. Auch das in Nörvenich dauerhaft stationierte taktische Luftwaffen-Geschwader 31 „Boelcke“ (Jagdflieger im 1. Weltkrieg!) nahm letztes Jahr mit Eurofightern am Manöver teil. 2020 waren zusätzlich italienische Nuklear-Jets in Nörvenich während der Atomkriegsübung „zu Gast“, wie es die Bundeswehr ausdrückte. Unbekannt ist auch, ob in 2021 parallel – wie erstmals im letzten Jahr – wieder die „Verteidigung“ des Standortes Büchel oder diesmal Nörvenichs trainiert wird. 2020 waren für das Manöver „Resilient Guard“ Patriot-Batterien aus Norddeutschland in die Eifel verlegt worden, um die Abwehr feindlicher Angriffe auf Büchel zu trainieren.
Die konkrete Rolle der deutschen Tornados im nuklearen Ernstfall ist völlig unklar. Sollten deutsche Pilot*innen etwa Kaliningrad, den russischen Außenposten in direkter Nähe zu Polen und Litauen, nuklear bombardieren? Kämen die Tornados überhaupt durch die hochmoderne russische Luftabwehr? Dies wird selbst vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages bezweifelt. Zudem haben die USA längst durch modernere seegestützte Atomwaffen bessere Möglichkeiten, Ziele in Russland „abzudecken“. Deshalb wird der Sinn der technischen nuklearen Teilhabe der europäischen Staaten auch NATO-intern inzwischen angezweifelt.

Gegen den Irrsinn der nuklearen Teilhabe, besser würde es „nukleare Gefangenschaft“ heißen, ist Widerstand vonnöten. Dieser wird seit Jahren nicht nur in Büchel artikuliert, sondern auch bundesweit, z.B. anlässlich des Inkrafttretens des Atomwaffenverbotsvertrages im Januar 2021. Nun wird von Seiten der Friedensbewegung geplant, auch in Nörvenich ein deutliches Zeichen gegen Atomkriegsvorbereitungen zu setzen. Im 25. Jahr des Gutachtens des Internationalen Gerichtshofes zu Nuklearwaffen von 1996, das jede Anwendung und Androhung von Atomwaffen als mit dem humanitären Völkerrecht als unvereinbar verurteilt hat, ist Deutschland gefordert, die nukleare Teilhabe aufzugeben und den Abzug der Atombomben zu veranlassen!

Friedensgruppen aus der Region um Nörvenich und die Kampagne „Büchel ist überall“ - atomwaffenfrei.jetzt“ wollen im Herbst gegen die Atomkriegspolitik der Bundesregierung deutlich protestieren. Nach der Menschenkette in Büchel am 5.9. - vor der Bundestagswahl - wird es anlässlich von „Steadfast Noon“ am 9.10. eine größere Demonstration am Fliegerhorst Nörvenich geben, dann wohl zur Zeit der Verhandlungen über eine neue Regierungskoalition. Start ist um 12 Uhr am Schloss in Nörvenich, dann geht es zum Fliegerhorst. Die genaue Aktionsplanung ist noch nicht abgeschlossen. Wir laden schon jetzt zur Teilnahme an beiden Aktionen in Büchel und Nörvenich ein! Den Sommer über sollte schon breit mobilisiert werden!

Der Flyer zur Menschenkette ist hier herunterladbar: https://www.friedenskooperative.de/sites/default/files/flyer_menschenket... – der Aufruf zur Nörvenich-Aktion ist auf der Seite der Kampagne veröffentlicht: http://www.atomwaffenfrei.de – Interessante Hintergrundinformationen zu Nörvenich finden sich hier.

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".