Rolle der Frauen bei der Entmilitarisierung

von Brigitte Schubert

Entmilitarisierung, dabei denkt jede(r). zuerst an Abrüstung, Auflösung der Militärpakte, Abschaffung der Bundeswehr, Kriegsdienste verweigern, keine Frauen in die Bundeswehr
Entmilitarisierung muß aber mehr bedeuten. Unsere Welt, unsere Zukunft, die durch den Krieg und vielfältige Probleme bedroht ist, braucht eine prinzipiell entmilitarisierte Politik. Eine Politik, aus der militärische Grundsätze, Ziele und Wertvorstellungen verbannt sind und die Übertragung militärischer Prinzipien und Interessen auf alle Lebensbereiche unmöglich geworden ist. So ist Entmilitarisierung begreifbar als aktiver Prozess, in dem der militarisierten Denk- und Lebensweise die Vorstellbarkeit und das Erleben entmilitarisierter - pazifistischer - Politik entgegengesetzt wird.

Die Welt von heute braucht Abrüstung und Ideen für die Zukunftsgestaltung, Antworten auf die Frage "wie soll die Welt gestaltet sein, wie wollen wir leben?"

Dazu muß die Friedensbewegung noch viele Impulse geben und Frauen können dabei ihren besonderen Beitrag leisten, einen umfassenden Entmilitarisierungsbegriff zur Grundlage des politischen Handelns der Friedensbewegung machen.

Keines der Zukunftsprobleme wird mit Gewalt zu lösen sein, weder im Gegeneinander verschiedener gesellschaftlicher Systeme noch im Gegeneinander der Klassen, gesellschaftlicher Gruppen und Geschlechter.

Die herrschende Politik ist aber gekennzeichnet von ständigen Feindbildern, Minderwertung bestimmter Systeme oder gesellschaftlicher Gruppen, Diskriminierung, Ausbeutung, Unterdrückung, Sexismus und Ausgrenzung.

Von diesen militaristischen Prinzipien, die in allen Lebensbereichen wirken, sind Frauen stets in mehrfacher Weise betroffen, aufgrund ihrer Klassenlage, ihres Geschlechts und international auch wegen ihrer Hautfarbe.

Wenn es stimmt, daß die Zukunft nur noch im Miteinander und gewaltfrei zu gestalten ist, dann ist die Ausgrenzung, Diskriminierung und Minderwertung... der Hälfte der Menschheit durch Kapitalismus und Patriarchalismus ein globales Problem.

Jedes gesellschaftliche Feld läßt sich also auch daran messen, ob Frauen miteinbezogen sind oder nicht. Aber auch das Politik machen muß sich daran messen lassen, ob Frauen miteinbezogen sind. Hier läßt sich der Widerspruch feststellen, daß immer mehr Frauen Ansprüche an Zukunftsgestaltung entwickelt haben und an sozialen Bewegungen und der Friedensbewegung einen großen aktiven Anteil haben, aber auf Konferenzen, Kongressen, Tagungen etc. wenig in Erscheinung treten, in Organisationen ( Parteien, Gewerkschaften und auch in Friedensorganisationen) wenige Prozent der Mitgliedschaft ausmachen und in den Vorständen, auf den Funktionärsebenen einen nicht erwähnenswerten Anteil haben.
Sicherlich hat Nichtbeteiligt sein mit der Lebenslage von Frauen zu tun. Es scheint aber auch etwas zu geben, was Frauen fernhält, sich in das "Bestehende" einzureihen, "so" Politik zu machen.
Diese hemmenden Prinzipien herauszufinden und zu akzeptieren, was Frauen "anders" machen wollen (und z.T. in ihren Bewegungen auch schon entwickelt und erlebbar gemacht haben) ... in der ernsthaften Beschäftigung mit diesen Fragen sehe ich einen bedeutenden Hebel zur
"Veränderung des Politikmachens", wodurch die Friedensbewegung gestärkt würde.

FRAUEN SIND NICHT NUR WICHTIGE KRAFTE IN DER BEWEGUNG ZUR ENTMILITARISIERUNG, SONDERN BRINGEN AUCH. NEUE ASPEKTE UND FORMEN EIN.

Nur einige Ideen: z.B. EMANZIPATION, die Befreiung von Herrschaft und Unterdrückung. Herrschaft und Unterdrückung findet seine Zuspitzung im Militär selbst. Moderne Männer emanzipieren sich vom Militärischen, sind Kriegsdienstverweigerer, Friedensarbeiter. Wir Frauen helfen bei dieser Einsicht und den emanzipatorischen Schritten. Wir verachten das Militär und alles Militärische, weil es einer humanen Zukunftsgestaltung entgegensteht.
Niemand. soll zu Mord, Unterdrückung, Diskriminierung Minderwertung ... ausgebildet werden. Ich behaupte, daß Frauen sensibler für die vielfältigen Formen des Militärischen in allen Lebensbereichen sind, auch weil sie die Kaderschmiede des Militarismus nicht durchlaufen müssen. Wäre es nicht wünschenswert, Männer fänden diese Sensibilität auch? Könnte es dann nicht sein, daß Männer auch empfindsamer gegenüber patriarchalischen Strukturen und Verhaltensweisen werden? Ja vielleicht sogar so weit, daß sie sich davon befreien und die Zukunftsgestaltung solidarisch mit dem anderen Geschlecht in die Hand nehmen? "In einer Zeit der Entsolidarisierung und des individuellen Überlebenskampfes wirkt erlebte Solidarität in einer Gemeinschaft mobilisierend, persönlichkeitsfördernd und ansteckend." (DFG-VK NRW, Dortmund Bildungswerk)
IN ZUSAMMENHANGEN DENKEN UND HANDELN DANACH AUSRICHTEN. "Frauenprobleme" stehen immer in den Zusammenhängen von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen, patriarchalischen Interessen.  Frauen sind immer mit den Interessen des Kapitals und des Patriarchats, mit ihren ökonomischen und ideologischen, mit ihren politischen und individuellen Interessen konfrontiert. In diesen dialektischen Verhältnissen müssen Frauen Politik machen, Zusammenhänge und Wechselwirkungen berücksichtigen. Aufgrund ihrer Erfahrungen haben Frauen "eher Sinn für die Vielfalt von Faktoren, neigen zu einer differenzierten Sicht von Problemen, sehen stärker die Komplexität von Lebenszusammenhängen, das Sowohl - als Auch." (Carola Stern auf dem 22. evgl. Kirchentag, Juni 87) In einer Welt vielfältiger, miteinander verwobener Probleme ist dies sicherlich eine Qualifikation für politisches Handeln.

POLTIK VON UNTEN MACHEN. Frauen haben (auch durch das Nichtbeteiligt sein in der großen militarisierten Politik) einen größeren Wirklichkeitsbezug, sind auf dem Teppich geblieben, wissen, was sich unten abspielt. Durch die Vielfältigkeit, die "unten" existiert, sind ihre Erfahrungen umfassender als die des ''Nur-Beruf-Mannes" oder "Nur-Politikers". Diese Vielfältigkeit von "unten" muß in das "Politikmachen" eingebracht werden. Frauen haben die herrschenden Spielregeln der Politik nicht verinnerlicht, sondern bringen eher Unbefangenheit ein, wodurch Bestehendes infrage gestellt und z.Z. auch abgelehnt wird. (Z.B. männliche Sitzungsrituale. Das "Aussitzen von Problemen", sich aufplustern, nichtssagende Redebeiträge halten ... ). Frauen geben Unsicherheiten, Zweifel, Ängste eher zu, was ein Problematisieren von Fragen eher möglich macht als die Haltung "so ist es". Dominanz ist damit leichter durch Kooperation, Toleranz, Partnerschaftlichkeit zu ersetzen. Und sind das nicht Prinzipien, die beim Prozess der Entmilitarisierung gebraucht werden?

Frauen können etwas von einer neuen Kultur einbringen, die dem umfassenden Entmilitarisierungsprozess sehr dienlich wäre. Diese neue Kultur, der Wandel dahin, geschieht aber nur durch das "Sich einbringen" (können) von Vielen, durch die aktive und bewußte Förderung von Frauen und die Schaffung vielfältiger Zugänge und Handlungsmöglichkeiten für alle. Viele Elemente wären zu entwickeln und eine schöne Herausforderung an die Friedensbewegung, um erfahrbar zu machen, daß es Spaß macht, langfristig ein kämpferisches Leben zu führen.

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