„Wir. Dienen. Deutschland.“

Überblick über die Werbeoffensive der Bundeswehr

von Lena Sachs

Immer wieder kreuzen sie meinen Alltag: die Soldatinnen und Soldaten in Hochglanz, die mich anlächeln und stolz für eine Karriere mit Zukunft werben. Ob auf Plakaten, in Zeitschriften, im Fernsehen, Radio oder Internet, die Bundeswehr scheint mit ihrer Werbung nahezu allgegenwärtig. „Wir. Dienen. Deutschland.“ Mit diesem neuen Selbstverständnis läutete die Bundeswehr 2011 ihre Werbeoffensive um neue Nachwuchskräfte ein. Denn nachdem durch Aussetzung der Wehrpflicht die Nachwuchsgewinnung der Bundeswehr nun nicht mehr staatlichem Zwang unterliegt, muss diese ihrerseits verstärkt zu Werbemaßnahmen greifen, um den Bedarf von 5.000 bis 15.000 „freiwillig“ Wehrdienstleistenden und SoldatInnen auf Zeit zu decken. Dies insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass die Quote der AbbrecherInnen des freiwilligen Wehrdienstes bis 2013 auf über 30% gestiegen ist. Zudem erschweren es  geburtenschwache Jahrgänge sowie die zunehmende Ausrichtung der Bundeswehr auf Auslandseinsätze, Nachwuchskräfte zu finden.

Dass die Bundeswehr weder Kosten noch Mühen scheut, um dieses Soll an Nachwuchs zu erfüllen, verdeutlichen die Ausgaben der letzten Jahre. Von 2008 bis 2012 haben sich die finanziellen Mittel zur Personalwerbung mehr als verfünffacht und beliefen sich im letzten Jahr auf über 20 Mio. Euro, Personalkosten nicht einberechnet (Bundestagsdrucksache 17/14703).

Jugendliche stehen im Focus
Das Marketing der Bundeswehr richtet sich insbesondere an die heranwachsende Generation. So ist diese bemüht, sich gerade Jugendlichen als „ganz normaler“ und sehr attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren. Dass es bei einer Berufslaufbahn, bei der man sein Leben derart aufs Spiel setzt, nicht reicht, bloß mit guter Bezahlung, Karrierechancen und  Familienfreundlichkeit zu werben, liegt auf der Hand. Darum wird beim Jugendmarketing zu anderen Mitteln gegriffen und versucht, insbesondere die Abenteuerlust, Sport- und Technikbegeisterung anzusprechen, um Neugierde zu wecken. Militärische Gewalt wird in diesem Zusammenhang banalisiert und die Soldaten werden als ehrenhafte BürgerInnen in Uniform dargestellt, die global Verantwortung für das eigene Land übernehmen.

Um Heranwachsende von einer Berufslaufbahn bei der Bundeswehr im militärischen oder zivilen Bereich zu begeistern, sind derzeit 110 Karriereberatungsbüros eingerichtet und 551 KarriereberaterInnen im Einsatz, die bei ihrer Arbeit oftmals die Schattenseiten des Berufs in den Hintergrund rücken lassen. Diese haben im Jahr 2012 254.600 Jugendliche, 25.301 Lehrkräfte und andere MultiplikatorInnen erreicht (Bundestagsdrucksache 17/12339) und führten im letzten Jahr 646 Veranstaltungen in JobCentern, Berufsinformationszentren und Arbeitsagenturen durch (Bundestagsdrucksache 17/14703). Neben Vorträgen oder Beratungsgesprächen in Schulen, in Arbeitsagenturen oder sog. Karrierecentern ist die Bundeswehr mit ihren pompösen Ständen auf nahezu allen Messen präsent. Dabei handelt es sich nicht bloß, wie anzunehmen wäre, um Berufsmessen, sondern beispielsweise auch um die Bildungsmesse „Didacta“, auf der ein riesiger Heißluftballon der Bundeswehr die Messehalle füllte, und unter dem die Bundeswehr ihre Bildungsangebote bewarb.

Tage der offenen Kasernentür oder „Tage der Schulen“ lotsen die Bevölkerung in die Bundeswehrstandorte, wo die Arbeit der SoldatInnen präsentiert wird. Seit 2005 lädt die Bundeswehr Jugendliche zum „BW Beachen“ ein und verspricht beim Beach-Volleyball oder Beach-Soccer Spaß, Action und Infos. Der Girls-Day oder der von der Bundeswehr organisierte Jugend-Presse-Kongress wird genutzt, um an potentiellen Nachwuchs heranzutreten.

Bei Großveranstaltungen, wie 2013 beispielsweise bei dem Leipziger Stadtfest oder beim Hessentag, fährt die Bundeswehr schwerere Geschütze auf: über 30mal hat der Karriere-Treff auf seiner Tour in deutschen Innenstädten Halt gemacht und dort zum „Chillen, Spaß haben und feiern“ eingeladen, um mit Unterhaltung, Spiel und Sport rund um das Militär zu protzen. Panzer oder Militärhubschrauber und andere Kriegsgeräte zum Anfassen, 3D-Kino, Flugsimulatoren, Kletterwände und Hochseilgarten, „Stuntkissen“, „Human Soccer“, Live-Musik, Bundeswehr Quiz, und natürlich allerhand Infomaterialien und KarriereberaterInnen, die zu Gesprächen zur Verfügung stehen, sind mit dabei.

Besonderes Aufsehen und Kritik hat 2012 das BW-Adventure Camp erregt, zu welchem die Bundeswehr in Kooperation mit der Jugendzeitschrift Bravo eingeladen hat.

Action. Adrenalin. Abenteuer. Die Herausforderung deines Lebens wartet auf dich. Krasse Wasserwettkämpfe, crazy Strandspiele und coole Beachpartys“, so das Versprechen des Werbeclips an die Jugendlichen, die sich bei ihrer Bewerbung zum Camp zwischen dem „Berg- oder Beachtyp“ entscheiden konnten.

Zudem hat die Bundeswehr auch das Internet für sich entdeckt. Die Internetseiten Bundeswehr-Karriere.de, die Informationen über berufliche Laufbahnen bei der Bundeswehr liefern, und treff.bundeswehr.de spielen hierbei eine große Rolle. Letztere richtet sich gezielt an Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren und bietet umfassende Informationen rund um die Bundeswehr sowie „Fun, Games und Action“. Eine treff.bundeswehr Community bietet die Möglichkeit, sich mit „Gleichgesinnten“ auszutauschen. Zudem verfügt die Bundeswehr über einen eigenen Youtube Channel und eine Facebook Seite. Ebenfalls an Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren richtet sich das Heft „infopost“ welches viermal Jährlich von der Bundeswehr herausgebracht wird und 2012 in einer Auflage von 600.000 Exemplaren erschienen ist (Bundestagsdrucksache 17/14703).

Nicht nur Personalwerbung, auch Sympathiegewinnung
Mit ihrer Werbeoffensive nimmt sich die Bundeswehr zunehmend öffentlichen Raum und präsentiert sich als ganz alltäglicher Bestandteil der Gesellschaft. Doch nicht nur ihr Auftreten gezielt zu Zwecken der Personalwerbung führt zu einer banalen Militarisierung. Insbesondere auch ihre indirekte Werbung um ein positives Image und Rückhalt in der Bevölkerung durch die politische Bildung in Schulen oder der Ausbildung von Lehrkräften trägt auf erschreckende Weise zur Veralltäglichung des Militärischen im Zivilen bei. Hierzu sind bundesweit 94 Jugendoffiziere im Einsatz, welche als ExpertInnen der politischen Bildung gelten und die Aufgabe haben, „überzeugend den Sinn und Zweck der Bundeswehr“ zu vermitteln. Seit 2008 sind in acht Bundesländern Kooperationsvereinbarungen zwischen der Bundeswehr und Bildungsministerien entstanden. Sie sollen die Zusammenarbeit zwischen den Institutionen intensivieren. 2012 wurden bei 7.081 Veranstaltungen 175.447 TeilnehmerInnen erreicht (Jahresbericht der JgdOffz 2012). Auch wenn den Jugendoffizieren Nachwuchswerbung offiziell verboten ist, arbeiteten diese doch eng mit den KarriereberaterInnen zusammen und tragen durch ihr jugendliches und gut geschultes Auftreten erheblich zur Sympathiegewinnung bei. Sie werden als „Brücke zum Bürger“ gesehen.

Mit ihrem „Nachwuchswerbe-Militainment“ präsentiert die Bundeswehr Krieg als Abenteuer und sportliches Event. Mit Einsatzrealität haben die Darstellungen nichts zu tun. Darum ist es heute notwendiger denn je, der Bundeswehrpropaganda entgegen zu treten und öffentliche Auftritte der Bundeswehr zu verhindern, zu stören oder lächerlich zu machen.

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