Ächtung von Atomwaffen in 2017

UN-Mehrheit forciert Verhandlungen über Verbotsvertrag

von Xanthe HallLinda Schneider
Im Blickpunkt
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

In einer historischen Abstimmung haben sich Ende Oktober 2016 zwei Drittel der internationalen Staatengemeinschaft für Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot in 2017 ausgesprochen.

Eine große Mehrheit von atomwaffenfreien Staaten, vor allem aus dem Globalen Süden, setzte die Resolution „General and complete disarmament: Taking forward multilateral nuclear disarmament negotiations“  gegen den Widerstand und den politischen Druck der Atomwaffenstaaten durch. Insgesamt stimmten 123 Staaten für die Resolution und 38 Staaten dagegen, es gab außerdem 16 Enthaltungen. Die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates und offiziellen Atommächte sowie ihre Alliierten stimmten unter Führung der USA und Russland wie erwartet annähernd geschlossen gegen die Resolution. Einzig China wählte den moderaten Weg der Enthaltung, zusammen mit den inoffiziellen Atommächten Indien und Pakistan. Nordkorea stimmte dafür.

Umso bedeutsamer und zukunftsweisender ist deshalb aber das Abstimmungsergebnis. Die Durchsetzung abrüstungspolitischer multilateraler Schritte – zur Not auch gegen den Widerstand der Atomwaffenstaaten und ohne ihre Beteiligung – markiert eine grundlegende Wende in den internationalen Abrüstungsbemühungen: Die atomwaffenfreie Mehrheit der internationalen Gemeinschaft, die Atomwaffen als letzte nicht verbotene Massenvernichtungswaffen endlich auch ächten will, hat die sonst den Ton angebenden und abrüstungsunwilligen Atomwaffenstaaten überstimmt und sich ihrem Druck widersetzt.

Europaparlament versus europäische Regierungen
Einige wenige europäische Länder – Österreich, Schweden, Irland, Liechtenstein, Malta, San Marino und Zypern – stimmten für die Resolution; die Schweiz, Niederlande, Finnland und Weißrussland enthielten sich. Die Mehrheit der europäischen Staaten jedoch – insbesondere diejenigen, die als Teil des NATO-Sicherheitsbündnisses auf nukleare Abschreckung setzen – votierte dagegen. So auch die deutsche Regierung, deren Haltung noch bis kurz vor der Abstimmung unentschieden war. Sie beugte sich letztlich dem NATO-Druck und blieb bei ihrer Position aus der Genfer Offenen Arbeitsgruppe im August dieses Jahres.

Gleichzeitig hatte das Europäische Parlament am Nachmittag des Abstimmungstages mit großer Mehrheit Verbotsverhandlungen explizit befürwortet und in einer Resolution alle EU-Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, dafür zu stimmen und sich konstruktiv an Verhandlungen zu beteiligen. Bemerkenswerterweise stimmten dabei vor allem auch die europäischen Abgeordneten der meisten konservativen und Mitte-Rechts-Parteien, auch die der deutschen CDU und SPD, für die Resolution und damit in vielen Fällen gegen die Position ihrer nationalen Regierungen.

Trump und das nukleare Tabu
Nur knapp zwei Wochen später wurde Donald Trump für vier Jahre zum „Commander in Chief“ über mehrere Tausende Atomsprengköpfe gewählt. Trump hatte während des Wahlkampfs auch mit Äußerungen zum Thema Atomwaffen schockiert: Seinen außenpolitischen Berater soll er angeblich mehrfach gefragt haben, warum die USA Atomwaffen nicht einsetzen könnten, wenn sie sie doch besäßen. Weder scheint er sich an das nukleare Tabu gebunden zu fühlen noch den Atomwaffensperrvertrag als „Eckpfeiler der internationalen Sicherheit“ anzuerkennen. Im Gegenteil: Er will, dass die US-Verbündeten Südkorea und Japan über eigene Atomwaffen verfügen – ein klarer Fall der völkerrechtlich verbotenen Weiterverbreitung.

Wie weiter?
Die finale Abstimmung in der UN-Vollversammlung findet im Dezember 2016 (nach Drucklegung dieses Friedensforums) statt. Die UN-Resolution sieht zwei Verhandlungsperioden vom 27. bis 31. März und vom 15. Juni bis 7. Juli 2017 vor mit Beteiligung und Beitrag von internationalen Organisationen und VertreterInnen der internationalen Zivilgesellschaft.

In der Zukunft wird sich die deutsche und europäische Diskussion um die NATO-Atomwaffenpolitik drehen müssen. Die Bundesregierung hat bislang argumentiert, wegen der Mitgliedschaft in der NATO seien ihr die Hände gebunden.

Damit gibt es für die Bundesregierung nur zwei mögliche Wege zum Verbotsvertrag: Entweder tritt sie aus der NATO aus oder sie versucht mit Hilfe anderer gleichgesinnter Staaten wie der Niederlande, die Nuklearpolitik der NATO zu verändern und die nukleare Teilhabe endgültig zu beenden.

Die Enthaltung der Niederlande bei der UN-Abstimmung, deren Parlament sich dezidiert für ein Atomwaffenverbot ausgesprochen hat, ist hier ein wichtiges Signal und ein richtiger Schritt: Auch in Deutschland sollte die öffentliche und parlamentarische Ablehnung von Atomwaffen und Befürwortung eines Atomwaffenverbots die Bundesregierung zu einer Umkehr in punkto Atomwaffenverbot und NATO-Nuklearpolitik zwingen. Die Bundesregierung könnte stattdessen eine konstruktive Rolle bei den Verhandlungen spielen, indem sie sich beteiligt und Vorschläge für die Vereinbarkeit des kommenden Verbotsvertrags mit dem bestehenden Atomwaffensperrvertrag einbringt. 

 

Dieser Text erschien in einer früheren Fassung unter dem Titel „UN-Mehrheit für Verhandlungen über Atomwaffen-Verbot in 2017“ zuerst auf den Seiten der Heinrich-Böll-Stiftung.

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