Ein Aufruf zur Befehlsverweigerung und die Reaktion der Bundeswehr

Warnung vor Straftaten strafbar?

von Hermann Theisen

Im Rahmen einer Gewaltfreien Aktion haben am 8. Juni 2004 die Friedensaktivisten Hanna Jaskolkski (Erftstadt), Martin Otto (Wetzlar), Wolf-Dieter Wiebach (Berlin), Dr. Wolfgang Sternstein (Stuttgart) und Hermann Theisen (Heidelberg) am Fliegerhorst im rheinland-pfälzischen Büchel an die dort stationierten Bundeswehrsoldaten einen Aufruf zur Befehlsverweigerung verteilt. Dieser war folgendermaßen überschrieben: "Aufruf an alle Bundeswehrsoldaten des Jagbombergeschwaders 33 (Büchel): Verweigern Sie jegliche Beteiligung an der völker- und grundgesetzwidrigen nuklearen Teilhabe!". Unterschrieben wurde der Aufruf von bisher 38 Personen als Erstunterzeichner bzw. Unterstützer, die ein breites Spektrum der bundesdeutschen Friedensbewegung abdecken.

Ziel des Aufrufs war, an die in Büchel stationierten Bundeswehrsoldaten zu appellieren, von ihrer Beteiligung an der völker- und grundgesetzwidrigen nuklearen Teilhabe abzulassen, um damit ihrer rechtsstaatlichen Verantwortung Rechnung zu tragen. Mit der Bereithaltung von Kampflugzeugen, um mit diesen im sog. Ernstfall US-amerikanische Atombomben einzusetzen, verstößt die Bundeswehr gegen das Völkerrecht, unsere Verfassung sowie den Nichtverbreitungsvertrag.

Die Bundeswehr nahm die Verteilung der Aufrufe zum Anlass, unmittelbar darauf folgend, das Haupttor für sämtliche Fahrzeuge zu sperren und den Militär- und Zivilverkehr auf ein anderes Tor umzuleiten. Diese rigide Maßnahme, die insbesondere von Zivilisten, die einfahren wollten, auf Unverständnis stieß, hatte möglicherweise auch damit zu tun, dass an diesem Tag die Sicherheitsstufe Alpha galt. Einzelne Soldaten, die in ihren Fahrzeugen angesprochen wurden, ließen sich auf ein Gespräch über die Hintergründe unserer Aktion ein, jene Soldaten die ihren Dienst am Haupttor verrichteten, nahmen zwar den Aufruf an, verweigerten aber zugleich jegliches Gespräch darüber.

Gefahr in Verzug und Beschlagnahme des Aufrufs
Nach etwa einer halben Stunde erschien ein Kriminalbeamter der Polizeidirektion Cochem, die von der Bundeswehr über die Aktion unterrichtet worden war. Er bat um Überlassung eines Aufrufs und teilte mit, dass er das weitere Vorgehen nun auf seiner Dienststelle besprechen wolle. Nach etwa einer weiteren Stunde erschien ein Zivilfahrzeug mit zwei Kriminalbeamten, die zunächst das Geschehen vor dem Haupttor aus der Distanz beobachteten, um kurz darauf mitzuteilen, dass die Aufrufe beschlagnahmt werden müssten. Die sei von dem zuständigen Oberstaatsanwalt Schmengler (Staatsanwaltschaft Koblenz) angeordnet worden, da er den Tatbestand der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) alsllt betrachte. Der Aufruf sei ihm per Fax übermittelt worden und daraufhin sei die unmittelbare Beschlagnahme angeordnet worden, da Gefahr in Verzug bestehe. Die Beschlagnahme wurde wenig später vom Amtsgericht Cochem bestätigt (Verdacht: öffentliche Aufforderung zu Straftaten nach dem Strafgesetzbuch in Verbindung mit der Aufforderung zur Gehorsamsverweigerung, Ungehorsam, Meuterei, Verabredung zur Unbotmäßigkeit, Eigenmächtiger Abwesenheit und Fahnenflucht nach dem Wehrstrafgesetz). Hiergegen wurde das Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt.

Drohende Strafverfahren wegen Aufforderung zu Straftaten
Oberstaatsanwalt Schmengler war es auch, auf dessen Bestreben bereits aufgrund eines Verteilens des Aufrufs im März d.J. der Erlass eines Strafbefehls beantragt worden ist. In diesem Ermittlungsverfahren hat das zuständige Amtsgericht Cochem bereits angekündigt, dem Antrag der Staatsanwaltschaft (30 Tagessätze) zu folgen und den Strafbefehl zu erlassen.

Insofern ist davon auszugehen, dass es beim Amtsgericht Cochem zu entsprechenden Strafverfahren - zumindest gegen die Verteiler des Aufrufs - kommen wird. Ob möglicherweise auch gegen sämtliche Unterzeichner des Aufrufs Ermittlungsverfahren eingeleitet werden (so wie dies auch in Berlin während des Kosovo-Krieges aufgrund eines ähnlichen Verweigerungsaufrufs geschehen ist), bleibt abzuwarten.

Wer über den weiteren Verlauf der Ermittlungsverfahren bzw. über den Aufruf informiert werden möchte, wende sich an: Hermann Theisen, Moltkestraße 35, 69120 Heidelberg. Mail: Hermann [dot] Theisen [at] t-online [dot] de

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