Ein Jahr Drohnen-Kampagne

Was tun, wenn sie fliegen sollen?

Auch wenn es eigentlich kein Grund zum Feiern ist, sich ein Jahr lang mit den tödlichen Drohnen zu beschäftigen, so ist es zumindest erfreulich, dass sich zahlreiche Friedensbewegte im Rahmen einer Drohnenkampagne solange schon mit dem Thema auseinandersetzen und dafür Öffentlichkeit schaffen.

Im März 2013 trafen sich dafür zum ersten Mal VertreterInnen aus der Friedens- und BürgerInnenrechtsbewegung in Hannover. Es entstand der Appell: Keine Kampfdrohnen! Er war der erste bundesweite Aufruf gegen die Anschaffung von bewaffneten Drohnen für die Bundeswehr. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, „den Irrweg der Anschaffung und Produktion bewaffneter Drohnen sowie die diesbezügliche Forschung und Entwicklung aufzugeben und sich für ein weltweites Verbot und [eine] völkerrechtliche Ächtung dieser Waffen einzusetzen“. Damit geht der Appell über die ledigliche Ächtung künftiger ‚autonomer Systeme‘ hinaus und wendet sich viel breiter gegen die „Kriegsführung, Überwachung und Unterdrückung“ mit Drohnen. Mittlerweile haben den Appell rund 17.000 Menschen (zum großen Teil offline) unterschrieben und 145 Organisationen und Parteien den dort geäußerten Widerspruch unterstützt.

Ende Mai 2013 kamen die an der Kampagne Interessierten ein zweites Mal in Kassel zusammen. Drohnen waren aufgrund des Eurohawk-Debakels in aller Munde, und die Gelegenheit günstig, die ablehnende Stimmung gegenüber Drohnen im Bundestagswahlkampf aufzugreifen. Zwei Wochen vor der Wahl im September 2013 konnte bei einer Kampagnenpressekonferenz das gute Zwischenergebnis von über 10.000 gesammelten Unterschriften für den Appell bekannt gegeben werden – unter ihnen auch prominente UnterstützerInnen wie Noam Chomsky, die Band TOCOTRONIC oder der Kabarettist Volker Pispers. Zudem hatten alle im Bundestag vertretenen Parteien (plus Piraten und DKP) bezüglich ihrer Positionen zu Drohnen mit Hilfe von Wahlprüfsteinen Stellung genommen. Schon kurz nach der Wahl zeigte sich in den schwarz-roten Koalitionsvereinbarungen, dass insbesondere die SPD an ihre zurückhaltende Positionierung durch die Kampagne erinnert werden musste.

Ende Oktober 2013 fand dann abermals in Kassel ein drittes Kampagnentreffen statt. Mittlerweile hatte sich eine lebhafte Mailingliste etabliert, um Aktionen zu koordinieren, Wissen auszutauschen und politischen Druck aufrechtzuerhalten. Ein monatlicher Newsletter stellt zudem die Aktivitäten der Kampagne dar, schätzt die aktuelle politische Lage ein, informiert über wichtige Termine und stellt eine ausführliche Linkliste bereit (Eintragen möglich unter: <http://info.dfg-vk.de/listinfo/drohnen-info>). Gesammelt wird dies alles auf der Website <www.drohnen-kampagne.de>.

Anfang März 2014 fand dann das bis dato letzte, vierte Treffen wiederum in Kassel statt. Inzwischen waren die Drohnen wieder in aller Munde gewesen, dieses Mal aufgrund der Enthüllungen um die NSA-Affäre und die deutsche Unterstützung bzw. Billigung des Drohnenkrieges über die US-Basen AFRICOM und Ramstein. Bis zum vierten Treffen im März waren die Aktiven der Drohnenkampagne nicht untätig. Neben zahlreichen Drohneninformationsveranstaltungen, Pressemitteilungen, Briefen usw. halfen sie mit, eine Rundreise der US-Drohnenaktivistin Medea Benjamin Anfang Dezember 2013 zu organisieren. Medea Benjamin hielt mehrere gut besuchte Lesungen und versuchte gemeinsam mit deutschen AktivistInnen ein Schreiben im Bundeskanzleramt abzugeben. Auch vor dem AFRICOM gelang es, über 100 Menschen an einem Adventssonntag gemeinsam mit Medea Benjamin auf die Straße zu bekommen.

Globaler Aktionstag gegen Drohnen am 4. Oktober 2014
Das Drohnenthema konnte dadurch auch in der Presse kritisch besetzt werden. Leider gelang es es kaum, den Nutzen der Kampagne selbst sichtbar zu machen, die im Hintergrund mit ihrer Infrastruktur für die Organisation der Veranstaltungsreihe hilfreich war. Unterstützt von der Kampagne fand Mitte Dezember ein Internationales Vernetzungstreffen von Antidrohnen-AktivistInnen in Berlin statt. Ein internationaler Appell wurde formuliert, der sich an dem deutschsprachigen Appell orientiert. Weitere Zusammenarbeit wurde vereinbart und ein „Global Day of Action“ (Globaler Aktionstag) gegen Krieg und Überwachung durch Drohnen am 4. Oktober 2014 ausgerufen. Von der Kampagne wird daran gearbeitet, dass dieser Tag an vielen Orten von Menschen genutzt werden kann, ihre Stimme gegen Drohnen zu erheben. Ein globaler Slogan und ein gemeinsame Auftreten sollen auf globaler Ebene angestrebt werden. Alle sind aufgefordert, diesen Tag nicht ungenutzt verstreichen zu lassen: Demonstrationen, Mahnwachen, Veranstaltungen und viele kreative Aktionen sind gefragt!

Es ist zu hoffen, dass mit diesem Tag ein weiteres öffentliches Zeichen gesetzt werden kann, die Bundesregierung davon abzuhalten, eigene bewaffnungsfähige Drohnen anzuschaffen. Zurzeit wird für die Anschaffung aktiv an einer zweigleisigen Strategie von Militärs, Industrie und Politik gearbeitet. Auf dem ersten Gleis wird eine europäische Drohnenlösung angestrebt, diese ist aber technisch noch einige Jahre entfernt, und zudem erscheint es noch fragwürdig, wie eine solche europaweite Anschaffung politisch umgesetzt werden kann.

Daher wird von der Bundesregierung ein zweites Gleis gefahren: Bewaffnungsfähige Drohnen könnten wahrscheinlich aus den USA (ein Reaper-Modell) oder aus Israel (ein Heron-Modell), vorerst ohne Bewaffnung, vielleicht noch dieses oder nächstes Jahr angeschafft werden. Der Schritt zur Bewaffnung und dem wie auch immer gearteten Einsatz ist dann nur noch halb so lang, vielleicht sogar schon ganz gegangen. Verteidigungsministerin von der Leyen und die deutschen Militärs fordern kontinuierlich eine verstärkte Anschaffung von Aufklärungsdrohnen ein, und meinen damit bewaffnungsfähige Modelle. Die vermeintlich unschuldige „Aufklärung“ soll so zum Türöffner für das deutsche Militär werden, um im weltweiten Drohnenkrieg mitzuwirken.

Es wird dabei leicht übersehen, dass Militärdrohnen nicht in erster Linie dazu da sind, als unbemannte Flugzeuge Raketen auf Menschen zu schießen. Es ist auch nur im geringen Umfang der Schutz von SoldatInnen ihre Bestimmung, sondern es geht darum, „24 Stunden ununterbrochen ein bestimmtes Gebiet [zu] beobachten und bei Gefahr wohl abgewogen Waffen ein[zu]setzen“, wie der Kommandeur des deutschen ISAF-Kontingents Jörg Vollmer mit seinen Forderungen im Spiegel Anfang des Jahres wiedergegeben wird. Mit der Weiterentwicklung von Pfeil und Bogen ist dies nicht zu vergleichen, sondern mit einer flächendeckenden Überwachung, die alles sanktioniert, was einer politisch vorgegebenen Linie, der Norm oder einem mit Vorurteilen aufgeladenen und geformten Bild nicht entspricht. Ob bei der permanenten Überwachung in Kriegsgebieten dann als „Ultima Ratio“ die Drohnen Raketen abfeuern; oder ob die Drohnen nur durch ihre Präsenz ihren Terror ausüben, ist in der Wirkung zwar unterschiedlich, aber in beiden Fällen zerstörerisch. Militärische Aufklärungsdrohnen müssen daher auch als Kampfdrohnen verstanden werden.

Rückblickend auf ein Jahr Drohnen-Appell und -Kampagne darf festgehalten werden, dass beides gute Katalysatoren sind, der Drohne das Bild zu verschaffen, das ihr auch zusteht: ein negatives, wenn diese zur „Kriegsführung, Überwachung und Unterdrückung“ eingesetzt werden. Es ist zu hoffen, dass es mit Hilfe der geschaffenen Infrastruktur auch weiterhin gelingt, der Anschaffung weiterer Kampfdrohnen, insbesondere der mit Raketen bewaffnungsfähigen, einen Riegel vorzuschieben. In der Kampagne war dies jedoch nie ein singuläres Ziel, sondern stets eingebettet in eine generelle Kriegs- und Überwachungskritik, die die Drohnen als einen besonders gravierenden Ausdruck davon begreift. Drohnen nur als ein weiteres Waffensystem zu unterschätzen, wäre aufgrund ihres neuen Fähigkeitsspektrum, dass die Grenzen von Krieg und Frieden verschiebt, vielleicht sogar dauerhaft auflöst, fatal – Widerstand wird daher dringend erbeten.

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