Wegen Ok Tedi: Protestaktion bei der Hauptversammlung der Norddeutschen Affinerie

von Volker Böge
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Am 4. April 2000 trafen sich im noblen Hamburger Congress-Centrum die Aktionäre der Norddeutschen Affinerie zu ihrer diesjährigen Hauptversammlung. "Begrüßt" wurden sie vor dem Tagungsort von Menschen aus der Hamburger Hafengruppe, dem Pazifik-Netzwerk, dem BUKO und anderen Organisationen, die mit Transparenten, Plakaten und Flugblättern darauf aufmerksam machten, dass diese nach eigenem Bekunden umweltfreundlichste Kupferhütte der Welt mitverantwortlich ist für schwerste Umweltzerstörungen und Menschenrechtsverletzungen in Papua-Neuguinea und im indonesisch besetzten West-Papua (Irian Jaya).

Denn die Norddeutsche Affinerie (NA) bezieht einen Großteil ihres Kupfererzes von zwei Minen, die im Hochland von Neuguinea liegen. Das ist zum einen die Ok Tedi-Mine auf dem Gebiet Papua-Neuguineas (PNG), und zum anderen die Freeport-Mine in West-Papua. Beide Minen gehören zu den weltgrößten Tagebauprojekten. Mit Ok Tedi unterhält die NA langfristige Lieferverträge; sie bezieht jährlich rund 90.000 Tonnen Kupferkonzentrat von dort, das ist fast ein Viertel des von der NA weiterverarbeiteten Kupferkonzentrats. Und auch Erzfrachter mit Kupfererz aus der Freeport-Mine machen mehrmals im Jahr im Hamburger Hafen fest.

Ok Tedi ist in den letzten Wochen in die internationalen Schlagzeilen geraten, weil die Betreibergesellschaft selber eingestehen musste, dass der Betrieb der Mine zu verheerenden Umweltzerstörungen geführt hat und immer noch führt. Schon seit Jahren hatten Umweltschutzorganisationen immer wieder kritisiert, dass der Minenbetrieb gegen jegliche international übliche Umweltstandards verstößt und zu Flussvergiftung, großfächigem Absterben tropischer Regenwälder usw. führt. Die Betreibergesellschaft, der australische Bergbaugigant Broken Hill (BHP), hatte diese Kritiken stets zurückgewiesen und die Kritiker denunziert und lächerlich gemacht. Nun musste BHP aber erstmals unabhängige Umweltstudien zulassen. Deren Ergebnisse wurden im letzten August vorgelegt. Sie bestätigten die kritischen Stimmen, ja, übertrafen teils sogar noch die schlimmsten Befürchtungen. Kleinlaut musste der BHP-Chef einräumen, dass man den Betrieb von OkTedi gar nicht hätte aufnehmen dürfen, wenn man um dieses Ausmaß der Umweltzerstörungen gewusst hätte. Im März nun bestätigte eine Studie der Weltbank die verheerenden Umweltschäden und zog die Schlussfolgerung, dass man unter ökologischenGesichtspunkten die Mine eigentlich sofort stilllegen müsste. Gegenwärtig läuft in Papua-Neuguinea und international eine lebhafte Debatte um die Zukunft von Ok Tedi. Internationale Umweltorganisationen fordern ihre sofortige Stilllegung, und BHP selber lanciert öffentlich immer einmal wieder Gerüchte, sich aus dem Projekt möglichst rasch zurückziehen zu wollen. Nun stellt sich allerdings das Problem, dass Ok Tedi für Papua-Neuguinea der größte Devisenbringer und Steuerzahler ist und dass die gesamte Minenregion mittlerweile am Tropf der Bergwerksgesellschaft hängt. Die gesamte Infrastruktur, viele soziale Einrichtungen werden aus Mitteln unterhalten, die die Minenbetreiber für Strukturmaßnahmen zur Verfügung stellen. Eine sofortige Schließung der Mine hätte für die Menschen in der Region katastrophale wirtschaftliche und soziale Folgen. Daher wird gefordert, dass sich BHP jetzt nicht einfach aus dem Staube machen dürfe und die Menschen nicht mit der von der Mine verursachten ökologischen Katastrophe allein lassen dürfe. Vielmehr müsse eine Strategie für die Minenschließung einschließlich ökologischer und sozialer Rehabilitationsmaßnahmen erarbeitet werden. Der Förderkreis "Rettetdie Elbe", der NA-Aktien besitzt, hat zur Unterstützung der betroffenen Menschen in der Ok Tedi - Region zur NA-Hauptversammlung beantragt, dass die NA sich für die Schließung der Mine einsetzt und zweckgebunden zur Abhilfe von wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Minenschließung eine Rücklage von 1% des Bilanzgewinns bildet. In seiner Presseerklärung zu diesem Antrag schreibt der Förderkreis: "In Hamburg rühmt sich die NA, sauberste Kupferhütte der Welt zu sein. Wenn sich die NA ihrer weltweiten Verantwortung für die Bedingungen der Kupferproduktion jedoch nicht stellt, bleibt das Bekenntnis zu nachhaltiger Entwicklung Heuchelei"

Auf der Hauptversammlung sah sich der Vorstandsvorsitzende der NA genötigt, angesichts der Proteste vor der Tür und der Anträge von "Rettet die Elbe" relativ ausführlich auf das Thema Ok Tedi einzugehen. Der Tenor seiner Ausführungen: Man sehe zwar die Umweltprobleme und verfolge die internationale Diskussion hierüber, doch entscheiden über die Zukunft der Mine müssten andere, zudem könne man auf das Kupferkonzentrat von Ok Tedi bei der NA nicht verzichten. Und überhaupt: Wenn wir das Ok Tedi-Erz nicht abnehmen, dann tun das andere, und die würden das lange nicht so umweltschonend weiter verarbeiten wie wir. In seiner Rede auf der Hauptversammlung legte Bernd Moritz von "Rettet die Elbe" nochmals die Argumente der Protestierenden dar und forderte die NA auf, sich ihrer Mitverantwortungfür das von Ok Tedi verursachte ökologische Desaster zu stellen. Daraufhin kam es zu einer intensiven Diskussion, in der andere Aktionäre das Anliegen sogar unterstützten und der Aufsichtsrat anbot, in einen Dialog mit Umweltschützern, demMinenbetreiber und der Regierung von Papua-Neuguinea einzutreten. Gegenstand des Dialogs soll ein möglicher Beitrag der NA zur Behebung der ökologischen und sozialen Probleme im Minengebiet sein.

Noch viel schlimmer sieht es auf der anderen Seite der die Insel Neuguinea teilenden Grenze, bei der Freeport-Mine in West-Papua, aus. Dort ist es der US-Bergbaukonzern Freeport McMoran mit Stammsitz New Orleans, der am Grasberg eine riesige Gold- und Kupfermine betreibt, ohne Rücksicht auf Natur und ortsansässige Bevölkerung. Freeport hat stets eng mit dem indonesischen Suharto-Regime zusammen gearbeitet, es war und ist in Indonesien der größte Steuerzahler. Indonesisches Militär und privater Sicherheitsdienst der Bergbaugesellschaft sorgen gemeinsam für einen reibungslosen Minenbetrieb gegen den Widerstand der lokalen Bevölkerung. Dabei schrecken sie vor Mord, Folter und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen nicht zurück. Mit dem Aufschwung des west-papuanischen Widerstands gegen die indonesischen Besatzer in den letzten Wochen und Monaten (vor allem seit dem Unabhängigkeitsreferendum in Ost-Timor) hat sich auch der Widerstand gegen die Mine verstärkt. Immer wieder kommt es im Minengebiet zu Unruhen und Sabotageaktionen. Und auch in der indonesischen Öffentlichkeit mehren sich die Stimmen, die Freeport wegen seiner rücksichtslosen Umweltzerstörung kritisieren, einschneidende Veränderungen des Minenbetriebs fordern und sogar mit einer Schließung der Mine drohen. Um dem entgegen zu wirken, reiste eigens Henry Kissinger, seines Zeichens ex-US-Außenminister und Aufsichtsratschef von Freeport, Ende Februar nach Jakarta. Er warnte vor einer Verschlechterungdes Investitionsklimas für den Fall, dass man Freeport nicht weiter agieren lasse wie bisher, woraufhin er von Präsident Wahid zu seinem persönlichen Berater in Freeport-Angelegenheiten ernannt wurde!

Der Kampf der Papua gegen die indonesische Besatzung, für Selbstbestimmung und Unabhängigkeit West-Papuas wird noch schwerer werden als jener der Ost-Timoresen, und das vor allem, weil es dabei auch um die Freeport-Mine geht. Die NA macht sich zum Komplizen der Unterdrücker derwest-papuanischen Bevölkerung. Am Kupfererz der NA aus der Freeport-Mine klebt das Blut der Papua. Auch das sollte mit der Aktion vor der Aktionärsversammlung publik gemacht werden. Die Protestanten vor dem Congress-Centrum machten deutlich: Die NA wird auch künftig unter Beobachtung stehen.
 

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