Syrien

Nur eine realistische Konfliktanalyse kann zu Konfliktlösungen beitragen

von Susanne GrabenhorstBerthold Keunecke
Krisen und Kriege
Krisen und Kriege

Der folgende Brief wurde Mitte März von der „AG MENA“ beim Netzwerk Friedenskooperative veröffentlicht.

Sehr geehrter Herr Außenminister Maas,

Sie haben gemeinsam mit den Außenministern der Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreichs, Italiens und des Vereinigten Königreichs anlässlich des 10. Jahrestages des Beginns von Demonstrationen gegen die Regierung Assad in Syrien eine Erklärung veröffentlicht. Diese schreibt die Verantwortung für zehn Jahre des Krieges und für großes menschliches Leid allein der syrischen Regierung zu. So eine Zuschreibung steht aber einer zukünftigen konstruktiven Konfliktbearbeitung und einer zukunftsweisenden Außenpolitik entgegen –wir fordern deshalb ein Umdenken.

Wir möchten einige Punkte Ihrer Analyse richtigstellen: Die Militärintervention in Syrien galt offiziell nicht der Regierung, sondern den -– auch von der syrischen Regierung bekämpften – „IS“-Milizen. Die Entstehung und das Erstarken des „IS“ haben ihre Ursachen auch in dem US-geführten Krieg gegen den Irak im Jahre 2003. Die Außenminister-Erklärung geht zudem nicht darauf ein, dass die westlichen Waffenlieferungen über die Türkei und von arabischen Regierungen an diese und andere Milizen die Ausweitung der Kriegshandlungen erst ermöglichten. Die UN hat in ihren Resolutionen oftmals die Einstellung dieser Waffenlieferungen und der finanziellen Unterstützung der Milizen gefordert – selbst in den Resolutionen, die dann als Rechtfertigung für die Militärintervention des Westens herangezogen wurden.

Nachdem der sogenannte "IS" alle besetzt gehaltenen Gebiete verloren hatte, haben die USA ihre Truppen nicht aus Syrien abgezogen, sondern halten seitdem einen Grenzübergang in den Irak und die Ölquellen im Osten des Landes besetzt – entgegen dem Völkerrecht. Auch Deutschland hat den Auslandseinsatz der Bundeswehr nicht beendet.

Die syrische Wirtschaft liegt tatsächlich am Boden, wie Sie erklären. Dabei sollte aber auch auf die Wirkung der sogenannten “Cäsar- Sanktionen“ hingewiesen werden. Dies sind umfassende unilaterale und nicht von der UN beschlossene Sanktionen. Ein Ausstieg ist dringend nötig.

Auch der Hinweis auf Menschenrechtsverletzungen in Syrien sollte sich nicht nur auf Menschenrechtsverletzungen der syrischen Regierung beziehen, sondern auch auf die anderer Konfliktparteien, sowohl in Syrien als auch in den jeweiligen Ländern.

Der Komplexität des Konfliktes wird Ihre Erklärung nicht gerecht.

Wenn Sie Ihr Versprechen, „Wir ... werden das syrische Volk nicht im Stich lassen" ernst meinen, müssen Sie zur Zivilen Konfliktbearbeitung, zu kritischem Dialog auch mit der syrischen Regierung und zur Stärkung der UNO zurückkehren.

Mit freundlichen Grüßen
Susanne Grabenhorst, Berthold Keunecke
(Sprecherin / Sprecher der AG MENA beim Netzwerk Friedenskooperative)

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Krisen und Kriege

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Susanne Grabenhorst ist Ärztin für Psychosomatische Medizin und Vorsitzende der deutschen Sektion der Internationalen ÄrztInnen für die Verhütung des Atomkriegs, ÄrztInnen in sozialer Verantwortung (IPPNW).
Berthold Keunecke ist Gemeindepfarrer, arbeitet im Bund für Soziale Verteidigung und Versöhnungsbund mit und in der Organisation der "Gewaltfreien Aktion GÜZ abschaffen".