Initiativen 9. Strategiekonferenz der Kooperation für den Frieden

9. Strategiekonferenz der Kooperation für den Frieden Befriedete Ökonomie?

von Wiltrud Rösch-Metzler

Einzelne und Gruppen können zu einer befriedeten Ökonomie beitragen, so das Fazit der diesjährigen Strategiekonferenz der Kooperation für den Frieden. Die in der Kooperation zusammengeschlossenen 58 Friedensorganisationen diskutierten unter dem Motto "Ökonomie und Krieg" vom 10. - 11. Februar in Magdeburg mit VertreterInnen alternativer Ökonomiekonzepte Zusammenhänge von Krieg und Wirtschaft.

"Als Konsumentinnen schrieben, wir kaufen keine Hess Natur Textilien mehr, wenn die Firma an den Fond Carlyle, der auch an Rüstung verdient, verkauft wird, fand der Verkauf nicht mehr statt", berichtete Jutta Sundermann von attac beim Abschlussplenum im Magdeburger Roncallihaus. Und Jürgen Grässlin, DFG-VK-Vorsitzender und Sprecher der "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel" warb dafür, anhand konkreter Beispiele, wie Kleinwaffen, den gesellschaftlichen Rückenwind für einen Rüstungsexportstopp für Kleinwaffen zu nutzen.

Ein wesentlicher Faktor für Kriege, die "Geißel der Menschheit" (UN-Charta von 1948), ist in ökonomischen Interessen zu finden, hieß es in der Einladung zur Konferenz. Andreas Buro, friedenspolitischer Sprecher des Komitees für Grundrechte und Demokratie, wollte in seiner Einführung nicht von Krieg reden, sondern von Gewalt und Ökonomie. Mit manifester Gewalt wurde und werde erobert, geplündert und kolonisiert. Mit struktureller Gewalt werde versucht, die Bereicherung abzusichern. Um die strukturelle Gewalt zu erhalten, sei es nötig, ein Potential an manifester Gewalt bereit zu halten. Heutzutage beobachtet der emeritierte Politikprofessor vor allem eine Konfrontation zwischen kapitalistisch orientierten Staaten. Die alten Industrienationen sind in Konkurrenz mit den aufstrebenden BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China). Wird dieser Konflikt - nach Buros Einschätzung so gewaltig, wie wenn Erdschollen sich bewegen - militärisch ausgetragen oder kooperativ? Wie werden die Konflikte zwischen Ländern mit sehr unterschiedlichen Lebensstandards ausgetragen? Nimmt die Rüstung einen neuen Aufschwung?

Die Aufgabe der Friedensbewegung sieht Buro darin, Rechtfertigungen für die Anwendung von Gewalt aufzudecken. Legitimationen wie z.B. "Responsibility to protect" seien wirksam. "In Libyen sind 50.000 Menschen umgekommen. Darüber spricht man nicht, aber über Syrien mit 5.000 Toten. Beides ist schrecklich. Dies sind Legitimationsideologien, damit es Unterstützung für solche Kriege gibt." Dass Friedensbewegung erfolgreich sei, zeige sich darin, dass zwei Drittel der Bevölkerung gegen den Krieg in Afghanistan sind.

"Es gibt keinen Automatismus, dass Krisen zu Krieg führen müssen", betonte IALANA-Geschäftsführer Reiner Braun. Eine Verschärfung von Krisen könne auch zu neuen Konfliktlösungsmöglichkeiten führen. "Für jeden einzelnen Konflikt gibt es eine Konfliktlösungsstrategie", ist Braun überzeugt. Als krisenverschärfend nannte er das zu Ende gehende fossile Zeitalter, das sich bei Öl (peak oil), Wasser und Land (Land-Grabbing) zeige, die Zunahme der Verschuldung (USA leiht sich jeden Tag zwei Milliarden US-Dollar), die weltweite Finanzkrise (weltweit gibt es weiter 680 Milliarden Euro Derivate) und das Feindbild Islam zur Ablenkung von den Krisen.

Rüstungsexporte
Die Bevölkerung stärker einbeziehen will auch die Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel. Laut einer Emnid-Umfrage wollen 78 Prozent der Einwohner in Deutschland keine Waffenexporte. Die über 100 in der Aufschrei-Initiative zusammengeschlossenen Organisationen wollen über eine Grundgesetzergänzung erreichen, dass in Zukunft der Bundestag in aller Öffentlichkeit, und nicht mehr der Sicherheitsrat hinter verschlossenen Türen über Waffenexporte entscheidet. Das Endziel sei ein völliges Exportverbot, betonte Jürgen Grässlin im Workshop zur Kampagne. Damit würde für manches Rüstungsunternehmen die Waffenproduktion unattraktiv, folgerte Grässlin. Der Gewehrhersteller Heckler & Koch würde beispielsweise 70% der Produktion exportieren.

Warum ist in diesem Bereich die Diskrepanz zwischen Bürgern und Wirtschaft und Politik so groß, fragte Peter Grottian. Es gebe keinen gesellschaftlichen Konflikt, an dem sich dieses Auseinanderklaffen bislang zeige, analysierte der emeritierte Sozialwissenschaftler. Er plädierte dafür, einen exemplarischen Konflikt zu schaffen. In der Panzerlieferung nach Saudi-Arabien sieht er den Ansatzpunkt, einen "veritablen gesellschaftlichen Konflikt" zu inszenieren. Seine Organisation, das Komitee für Grundrechte und Demokratie, hat sich der Idee angenommen und plant Aktionen.

Alternativen
Neben der Ursachenanalyse konnte die Tagung eine Zukunftsvision vorstellbarer machen: statt an ungehemmter Bereicherung Weniger, eine die Natur schonende, solidarische und an den elementaren menschlichen Bedürfnissen Aller orientierte Produktion und Konsumtion. Damit werde Krieg, die kollektiv organisierte und zerstörende Gewalt, zu einem furchterregenden Phänomen aus grauer Vorzeit, ausgestorben wie der Dinosaurier, betonte Renate Wanie von der Gewaltfreien Aktion Baden und Sprecherin der Kooperation für den Frieden.

Nicht nur oberflächlichen ökonomischen Interessen für Krieg nachgehen, sondern auch schauen, was darunter steckt, forderte Werner Rätz vom attac-Rat . "Im Irak ging es nicht nur um die Kontrolle des Erdöls. Es ging auch darum, wie international Macht definiert wird. Und im Kongo geht es auch darum, Afrika nicht einfach China und den USA zu überlassen." Die gegenwärtigen Kriege müssten zusammen als ein Phänomen gesehen werden zur Stabilisierung der Weltordnung. Statt zu fragen, wohin mit dem vielen Geld der Vermögensbesitzer, damit es noch mehr Geld abwirft, setzt Rätz auf Schuldenstreichung und Vermögensabgabe.

Eine Demokratisierung der Wirtschaft forderte auch Harald Bender von der Akademie Solidarische Ökonomie. Da Kapitalisten nicht freiwillig ihre Macht aufgeben würden, könne das über Hebel, wie die Beschränkung der Kreditbeschaffung der Banken, erreicht werden. Gleichzeitig sei die Handlungsebene der Mikroökonomie wichtig und zu vernetzen wie z.B. alternative Betriebe, Tauschringe und Stiftungen.

Mit der Finanzkrise und dem dadurch entstehenden Problemdruck würden sich gesellschaftliche Konstellationen verändern, schloss Bruno Kern von der Initiative Ökosozialismus an. Beispielsweise könne man jetzt die Vergesellschaftung der Banken fordern, vor der Finanzkrise nicht. Banken könnten bei der EZB billig Geld (1%) leihen und damit Staaten erpressen. Einen Ausweg sieht er in einer radikalen Umverteilung und in einem Lastenausgleich, z.B. alle Schuldenstände und alle Vermögen um eine Kommastelle verschieben und dadurch verkleinern. Bei der Schlüsselfrage Energie, wo sich die Politik klammheimlich aus allen Klimazielen verabschiedet habe, sei eine kontrollierte Reduktion der Ressourcen im Interesse aller. Deshalb müsse jetzt die Forderung sein: Ausstieg aus der Kohleverstromung, damit der Sachzwang entstehe, mit knapper Energie umzugehen.

Zivilsteuergesetz
Auf großes Interesse ist das Netzwerk Friedenssteuer mit seiner Idee eines Zivilsteuergesetzes gestoßen. Mit 377 Euro ist jeder Bundesbürger und jede Bundesbürgerin an den Militärausgaben beteiligt, hat das Netzwerk errechnet. "Heute schon Geld verdient? Dann haben Sie mit 4,25% Ihrer Lohnsteuer Militär und Rüstung finanziert" - damit spricht das Netzwerk friedensbewegte Menschen an. Alle Steuerzahlenden sollen künftig die Wahl haben und mit ihren Steuern ausschließlich zivile öffentliche Aufgaben mitfinanzieren, so die Idee des Netzwerks.

Nahostkonflikt
Über Verbindungen zwischen Firmen und israelischer Besatzung informierte Shir Hever. Da werden beispielsweise Produkte in Supermärkten als israelische Waren ausgegeben, obwohl sie mit Produkten aus israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten vermischt wurden. Die EU sieht nur Zollvergünstigungen für Waren aus Israel in den Grenzen vor 1967 vor. Gleichzeitig behindere die israelische Regierung palästinensische Exporte. "Alle palästinensischen Exporte zusammen sind im Wert kleiner als jene der Firma Ahava", so der Wirtschaftswissenschaftler. Die Kosmetikfirma Ahava vertreibt Mineralien aus den besetzten Gebieten. Sodastream besitze ebenfalls eine Firma in den besetzten Gebieten. Auch das Transportunternehmen Veolia sei noch an Projekten in der Westbank beteiligt, nachdem es mittlerweile aus einem Jerusalemer Verkehrsprojekt ausgestiegen ist. Was die Meinung in Israel anbelangt, zeigte sich Hever wenig optimistisch: "Erst wenn die Besatzung beendet ist, wird sich auch die Meinung in Israel darüber ändern", glaubt er und verwies auf Südafrika. Ungefähr eine Woche vor dem Fall der Apartheid seien die meisten Weißen noch dafür gewesen. Nach dem Fall die meisten dagegen. Die palästinensische Zivilgesellschaft hat im Jahr 2005 international zu Boykott, Investitionsstopp und Sanktionen (BDS) aufgerufen, um ein Ende der Besatzung zu erreichen. Die BDS-Organisatoren seien bereit, auch mit Gruppen zusammenzuarbeiten, die nur Teile des Aufrufs übernehmen, jedoch nicht mit antisemitischen oder rassistischen Gruppen. Nur externer politischer und wirtschaftlicher Druck könne die israelische Gesellschaft zu einem Wandel veranlassen, ist Hever überzeugt, damit Demokratie Fuß fassen könne. Davon würden nicht nur die Palästinenser, sondern auch die Israelis profitieren.

Fazit
Auf dieser Strategiekonferenz hatte beides Platz: große theoretische Diskussionen um die kapitalistischen Krisen und deren Überwindung wie auch Handlungsfelder für Einzelne. Krieg hat auch ökonomische Ursachen, die Kriegsgefahr ist durch die Finanzkrise jedoch Gott sei Dank nicht größer geworden. Es bleibt die Aufgabe, die abschließenden Überlegungen der Vorbereitungsgruppe der 9. Strategiekonferenz in friedenspolitische Aktionen umzusetzen: "Regierungen sprechen von Menschenrechten und Demokratie und meinen Bereicherung an Rohstoffen, an billigen Arbeitskräften und an profitablen Märkten. Diese werden nicht nur, aber doch wesentlich auf dem Weg der militärischen Gewalt erbeutet. Dabei wird die NATO zur Eskorte von Öl- und Gaskonzernen, aktuell z.B. in Nordafrika. Und die Rüstungsindustrie profitiert davon auf den internationalen Waffenmärkten. Dies ist schon seit Jahrhunderten so, aber im Zeitalter fast unbegrenzter Zerstörungskraft der Waffen, bis hin zur nuklearen Vernichtung der Biosphäre, wird es zur Überlebensfrage, ob es gelingt, die Geißel der Menschheit zu überwinden."

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Wiltrud Rösch-Metzler ist Journalistin und pax christi Bundesvorsitzende.