Block 08: 2008 wird das Jahr des Zivilen Ungehorsams

von Jochen Stay
Initiativen
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Heiligendamm hat Folgen: Aus "Block G8" wird quasi "Block 08". Ein Jahr mit zahlreichen Großaktionen Zivilen Ungehorsams steht bevor. Und im "Netzwerk ZUGABe" haben sich erfahrene OrganisatorInnen gewaltfreier Aktion zusammengeschlossen, um diese Dynamik zu unterstützen.

Rückblende: Die Bilder von den fröhlichen und bunten Menschenmassen, die durch die Getreidefelder rund um Heiligendamm zogen und sich dabei von der Polizei nicht aufhalten ließen, gingen im Juni 2007 um die Welt. Der G8-Gipfel wurde von seiner Infrastruktur abgeschnitten. Etwa 12.000 Aktive drangen trotz eines der größten Polizeieinsätze in der Geschichte der Republik in die Verbotszone ein und blockierten 48 Stunden lang die Zufahrtsstraßen zum Tagungsort. Ein deutliches Zeichen: Die Legitimität des Gipfels wurde ganz praktisch in Frage gestellt. Für die globalisierungskritische Bewegung und alle Beteiligten aus anderen Bewegungen war das ein großer Erfolg.

Ziviler Ungehorsam hat sich in den Tagen von Heiligendamm als klar effektiver und politisch wirkungsmächtiger gezeigt als alle Massenmilitanz-Rituale. Etwa 4.000 Menschen haben in den Wochen vor Heiligendamm an Trainings teilgenommen und dabei beispielsweise gelernt, wie die "5-Finger-Taktik" den Weg zum Aktionsort öffnet oder wie mensch sich bei einer Räumung verhalten kann, um zu vermeiden, dass es knallt.

Die Blockaden von Heiligendamm haben vielen Mut gemacht, auch in anderen politischen Auseinandersetzungen auf die Kraft des gemeinsamen Zivilen Ungehorsams zu setzen. Politische Vermittelbarkeit, Vermeidung von Eskalation und direktes Eingreifen in Missstände sind dabei wesentliche Kriterien. Wenn die Mehrzahl der Aktionspläne, die für dieses Jahr entwickelt wurden, umgesetzt wird, so wird 2008 zu einem Jahr des massenhaften Zivilen Ungehorsams. Der Widerstands-Kalender ist voll und bietet für jede/n etwas:

Los ging es an Ostern im benachbarten Ausland: Unter dem Motto "NATO-Game over - Gegen die militärische Globalisierung" versuchten viele hundert AktivistInnen aus ganz Europa gewaltfrei in das NATO-Hauptquartier in Brüssel einzudringen, um gegen weitere Kriegsverbrechen und militärischen Besetzungen zu demonstrieren. (s. Bericht in diesem Heft)

Die nächste Station wird in Mannheim sein. Überall in der Republik entsteht derzeit eine neue Anti-KKW-Bewegung, wobei das Kürzel für Kohlekraftwerke steht. Mehr als 20 dieser Klimakiller sollen gebaut werden, eines davon als Block 9 des Mannheimer Großkraftwerks. Um für die vielen Initiativen an den geplanten Neubauten eine Aktionsperspektive über Demonstrationen hinaus zu entwickeln, veranstalten attac, örtliche Initiativen gegen Kohlekraft und das Netzwerk ZUGABe (siehe Kasten) am 24. Mai einen Aktionstag, der auch direkte gewaltfreie Aktionen mit einschließt. Eingerahmt wird dieser Tag von der attac-Aktionsakademie vom 21. bis 25. Mai in Heidelberg, bei der es u.a. um die Organisation von Großaktionen gehen soll. Die verschiedenen Arbeitsbereiche des neugegründeten Netzwerks ZUGABe stellen sich vor und laden zur Mitarbeit ein, auch über die Aktion in Mannheim hinaus. http://www.attac.de

Ende Mai, Anfang Juni wird mit der Wiederinbetriebnahme des AKW Krümmel bei Hamburg gerechnet. Der Reaktor steht seit einem Brand im Trafo und einer ziemlich missglückten Schnellabschaltung Ende Juni vergangenen Jahres still. Jetzt soll es wieder losgehen. Norddeutsche Anti-AKW-Initiativen planen unter dem Motto "Krümmel bleibt aus" eine Blockade des Kraftwerks. http://www.contratom.de

Die Kampagne "Gendreck weg" hat mit bisher drei öffentlich angekündigten "freiwilligen Feldbefreiungen" mit jeweils mehreren hundert AktivistInnen gegen den Anbau von gentechnisch verändertem Mais agiert. In diesem Jahr sollen das gentechnikfreie Camp und die große Feldbefreiungs-Aktion vom 26. bis 29. Juni bei Würzburg stattfinden. Dort wird erstmals in Bayern in größerem Stil Genmais angebaut. http://www.gendreck-weg.de

Das Aktionsbündnis Rosa Heide ruft für den 18.-22. Juli 2008 zu einem Aktionscamp gegen das Bombodrom in der Kyritz-Ruppiner Heide auf. Eine weitere Aktion auf dem Gelände ist für den 11. August geplant. http://www.g8andwar.de, http://www.clownsfreiheide.de.tl, http://www.sichelschmiede.org

Die "Lebenslaute" ist eine offene bundesweite Aktionsgruppe von MusikerInnen, die seit 22 Jahren mit Zivilem Ungehorsam gegen Militär, Atomkraft, Rassismus und Gentechnik agiert. Am 19. August (Vorbereitung ab 15.8.) wird es eine Aktion in Lübeck geben, wo in einer Kaserne der Bundespolizei Lehrgänge zur Abschottung der EU-Außengrenzen stattfinden. http://www.lebenslaute.de

Im August werden in Hamburg (15.-24.8.) und möglicherweise auch bei Hanau ein oder zwei KlimaAktionsCamps stattfinden. Nach britischem Vorbild hat sich ein breites Spektrum von Gruppen weit über die Ökologiebewegung hinaus zusammengetan, um unter der inhaltlichen Klammer des Klimathemas systemkritische Schlussfolgerungen zu ziehen. Angedacht ist auch eine Großaktion Zivilen Ungehorsams. http://www.klimacamp.org

Vom 23. August bis 1. September läuft ein Aktionscamp am deutschen Fliegerhorst Büchel in der Eifel. Höhepunkt ist am 30. August eine gewaltfreie Aktion des Zivilen Ungehorsams unter dem Motto "bye-bye nuclear bombs". Die Kampagne der Gewaltfreien Aktion Atomwaffen abschaffen (GAAA) verfolgt das Ziel der Beendigung der deutschen nuklearen Teilhabe innerhalb der NATO hin zu einer atomwaffenfreien Bundesrepublik und Welt. Infos: http://www.gaaa.org oder http://www.atomwaffenfrei.de

Bleibt in diesem Aktionskalender des massenhaften Zivilen Ungehorsams noch der November. Dann steht der nächste Castor-Transport nach Gorleben an. "X-tausendmal quer" bereitet eine große Blockadeaktion vor. http://www.X-tausendmalquer.de

Ob viele oder wenige Menschen ins Wendland kommen, hängt stark davon ab, wie die zahlreichen Aktionen im Sommer verlaufen. Entweder es sind viele Aktive völlig ausgepowert oder sie haben Kraft und Energie und neue MitstreiterInnen gewonnen. Dann kann Gorleben zum krönenden Abschluss dieses Ungehorsams-Jahres werden. Ich bin gespannt darauf.

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