Drohnen

Bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr endgültig vom Tisch? Zu früh gefreut …

von Marius Pletsch

Die Bestellungen für das Nachfolgesystem der sogenannten „Luftgestützten Unbemannten Nahaufklärungsausstattung“, kurz LUNA, und die Verlängerung der Leasingverträge der in Afghanistan wie in Mali eingesetzten Heron 1 Drohnen bis Februar 2019 gingen ohne großes Aufsehen durch die zuständigen Gremien.  Aber es entzündete sich im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages ein Streit innerhalb der Regierungskoalition über die Entscheidung, ob auch bewaffnungsfähige Drohnen in Zukunft zur Ausrüstung der Bundeswehr gehören sollten. Die SPD stoppte vorläufig dieses Großprojekt von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Aber wie kam es dazu und wie geht es weiter, auf deutscher, wie europäischer Ebene?

In dem Koalitionsvertrag von 2013 einigte man sich auf folgende Formulierung: „Vor einer Entscheidung über die Beschaffung qualitativ neuer Waffensysteme werden wir alle damit im Zusammenhang stehenden völker- und verfassungsrechtlichen, sicherheitspolitischen und ethischen Fragen sorgfältig prüfen. Dies gilt insbesondere für neue Generationen von unbemannten Luftfahrzeugen, die über Aufklärung hinaus auch weitergehende Kampffähigkeiten haben“. (1) Ob eine solche zugesicherte, sorgfältige Prüfung stattfand, darf bezweifelt werden. Das Thema wurde zwischen dem 30. Juni 2014, hier fand eine Anhörung im Verteidigungsausschuss statt, und dem 2. Juli 2014 abgehandelt. Am Morgen des zweiten Julis war bereits in der Süddeutschen Zeitung zu lesen, wie sich die Bundesverteidigungsministerin in der Sache entschieden hatte: Bewaffnungsfähige Drohnen für die Bundeswehr würden kommen. Und zwar in Form einer europäischen Eigenentwicklung. Bis diese verfügbar ist, sollte es eine Zwischenlösung geben. Die Ministerin präferiere hierbei die Leasingoption, da so auch die Zulassungsfragen wegfallen würden. (2) Dies wurde am selben Tag dann noch in einer aktuellen Stunde des Bundestages diskutiert, aber die grundsätzliche Entscheidung war schon gefallen.

Am 12. Januar 2016 gab Volker Wieker, der Generalinspekteur der Bundeswehr, die Entscheidung für das Leasing der Heron TP bekannt. Es wurde beabsichtigt, maximal fünf Drohnen für den Einsatz und zwei für Übungszwecke zu leasen. (3) Stationiert werden sollten sie in Israel auf dem Stützpunkt Tel Nof. Bis zu zwei Einsatzgebiete sollten parallel abgedeckt werden können. Operiert werden sollten die Drohnen von den Soldaten und Soldatinnen des Luftwaffengeschwaders 51 Immelmann, die auch schon die Heron 1 Drohnen in Afghanistan seit 2010 und Mali seit 2016 fliegen. Kosten sollte das Leasing der Heron TP bis 2025 mindestens 1,024 Mrd. €.

Erst war der Rechtsstreit …
Noch vor den politischen Differenzen im Bundestag drohte der Deal durch einen Rechtsstreit zu scheitern. Der amerikanische Rüstungskonzern General Atomics sah sich bei der Vergabeentscheidung benachteiligt und reichte zunächst vor der Vergabekammer des Bundes Beschwerde ein. Hier scheiterte das Unternehmen am 17. August 2016. (4) Danach klagte das Rüstungsunternehmen vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Am 13. September 2016 entschied das Gericht, dass das BMVg bis zum Abschluss des Verfahrens keinen Vertrag in der Sache unterzeichnen dürfe. Zwischenzeitlich überlegte das Bundesverteidigungsministerium (BMVg), im Falle einer gerichtlichen Niederlage die Drohnen nicht über zwei separate Verträge – einen mit dem Hauptauftragsnehmer Airbus, der für Wartung und Instandhaltung der Drohnen zuständig sein sollte, und  einen mit Israel, hauptsächlich für die Nutzung der Luftwaffenbasis, abzusichern, sondern einen „government-to-government“ Vertrag zu schließen, um so die vergaberechtlichen Schwierigkeiten zu umschiffen. (5) Dies wurde aber nicht nötig, da das OLG die Klage von General Atomics am 31. Mai 2017 abwies. Die Rüstungsschmiede reichte noch eine Anhörungsrüge ein, doch auch diese wurde vom OLG am 3. Juli 2017 abgewiesen. Nun bleibt dem Konzern theoretisch noch die Möglichkeit, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.

dann folgte auch noch politischer Streit
Bis dahin war aber bereits klar: Die Verträge konnten in der 18. Legislaturperiode des Bundestages nicht mehr unterzeichnet werden, dafür sorgte der Streit zwischen den Koalitionären. Dieser wurde im Haushaltsausschuss geführt, der sich mit Rüstungsprojekten befassen muss, die ein Volumen von 25 Mio. € übersteigen. Grund für den Dissens der Regierungsparteien war die Bewaffnungsfrage. Informationen hierzu waren auf Wunsch der israelischen Regierung geheim. Der geplante Vertrag sollte bereits 60 Raketen umfassen, wie Spiegel Online berichtete. (6) Damit sollte das Bedienungspersonal schon in Israel für den Waffeneinsatz ausgebildet werden. Die SPD fühlte sich von der Bundesverteidigungsministerin hintergangen. Anscheinend erwarteten die SozialdemokratInnen, dass so lange keine Bewaffnung gekauft werden würde (und auch keine Zertifizierung und Ausbildung stattfinden würde), wie nicht auch ein Mandat für den bewaffneten Einsatz vorläge. Diese Annahme stellte sich nun als falsch und auch ein Stück naiv heraus. Denn die Zertifizierung für den Waffeneinsatz benötigt etwa zwei Jahre. Das bedeutet, dass eine kurzfristige nachträgliche Herstellung der Bewaffnungsfähigkeit bei Bedarf, also direkt nach einem vom Bundestag beschlossenen Einsatzmandat, gar nicht zu gewährleisten wäre.

Streitfrage Bewaffnung
Mittlerweile ist mehr über die geplante Bewaffnung bekannt geworden. Die Veröffentlichung des Urteils des OLG verriet zunächst, dass das BMVg „aus sachlich nachvollziehbaren Gründen von Anfang an [die entsprechende Bewaffnung] favorisiert“ hätte. (7) Die Munition soll über einen kleineren Sprengradius verfügen als vergleichbare amerikanische Munitionsarten und soll damit unter dem Bewaffnungskonzept der Luftwaffe auch in urbanem Gebiet eingesetzt werden können. General Atomics sicherte zwar zu, auch diesen Munitionstyp in das von ihnen angebotene System Certifiable Predator B integrieren zu können, jedoch hätte die Zulassung dafür deutlich länger gedauert. Mit der Zertifizierung hätte erst begonnen werden können, nachdem die Drohnen für die Bundeswehr verfügbar wären und nicht bereits nach dem Vertragsschluss, wie dies der Fall bei der gewünschten Heron TP gewesen wäre. (8) Auch hier stünden die Drohnen frühestens ca. 27 Monate nach Vertragsschluss zur Verfügung. Inzwischen ist auch der genaue Raketen-Typ bekannt. Es soll sich um „Whip Shot“-Raketen der Firma Israel Military Industries handeln, wie bei Netzpolitik berichtet wurde. (9)

Das BMVg möchte an dem Plan, die Heron TP Drohnen zu leasen, festhalten. (10) Doch eine politische Einigung erscheint vor dem Ablaufen der Frist für den Vertragsschluss mit Airbus am 30. September 2017 unwahrscheinlich. Denkbar ist eine Verlängerung dieser Frist, doch so oder so werden die Drohnen nicht vor 2020 in Dienst gestellt werden können.

Die Bewaffnung war aber nur einer der Gründe, warum die Heron TP favorisiert wurde. Des Weiteren hieß es bereits 2016 von Seiten des BMVg, „[d]ie Entscheidung für das System Heron TP führt zum Aufbau realen industriellen Know-hows bei europäischen Unternehmen. Dies ist eine zentrale Voraussetzung für die angestrebte Eurodrohne“. (11) Das macht die Entscheidung für die Heron TP auch zu einer, die den Rüstungsstandort Deutschland stärken soll.

Europäische Drohne und Forschungsprojekt Sagitta – Die Aufrüstung mit bewaffnungsfähigen Drohnen wird weiter forciert!
Am 18. Mai 2015 wurde eine Absichtserklärung für die Entwicklung einer „europäischen“ Drohne von den VerteidigungsministerInnen Italiens, Frankreichs und Deutschland unterschrieben. Spanien schloss sich dem Projekt später noch an. Bis 2025 soll eine auch bewaffnungsfähige Drohne aus gemeinsamer Produktion einsatzbereit sein. (12) Die Absicht, dieses Projekt umzusetzen, wurde in den Schlussfolgerungen des am 13. Juli 2017 abgehaltenen deutsch-französischem Verteidigungs- und Sicherheitsrat bekräftigt. (13) Im gleichen Monat gab die europäische Rüstungsagentur OCCAR eine Einigung für den Antrieb der zukünftigen Drohne bekannt. (14) Etwa im Herbst 2018 wird die Definitionsphase abgeschlossen sein; erst dann werden zuverlässigere Aussagen über die geplante Drohne möglich sein.

Auch in Sachen Forschung gibt es Neuigkeiten. Die Tarnkappendrohne Sagitta absolvierte erste Testflüge in Südafrika. An der Entwicklung ist das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum sowie die Bundeswehruniversität München beteiligt. Bei der Drohne handelt es sich um eine, die weitgehend autonom fliegen kann und für offensive Einsätze hinter den feindlichen Linien ausgelegt ist. (15)

Auch falls die Pläne des BMVg für das zügige Leasing der Heron TP Drohnen zunächst auf Eis liegen sollten: Es wird weiter an militärischer Drohnentechnologie geforscht, und die Entwicklung der europäischen Drohne läuft bereits an. Für dieses Projekt sprach sich Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SozialdemokratInnen, bereits 2013 aus, er sah hier das Potenzial der Technologie für den deutschen und europäischen Rüstungsstandort.

Nichtsdestotrotz hat das Manöver der SPD im Haushaltsausschuss in Sachen Heron TP Friedensbewegten noch etwas Zeit verschafft, um die Aufrüstung der Bundeswehr mit bewaffnungsfähigen Drohnen weiter zu verzögern und Überzeugungsarbeit zu leisten, vielleicht von dem Schritt abzulassen. Solange im Bundestag das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, sollte weiter Druck aufgebaut werden. Zumindest die versprochene gesellschaftliche Debatte über die Drohnenthematik sollte in einem angemessenen Umfang nachgeholt werden. Auch sollte der Einsatz Deutschlands auf internationaler Ebene für starke Rüstungskontrollregime für diese sich schnell verbreitende Technologie gefordert werden.

 

Anmerkungen
1 Bundesregierung (2013): Deutschlands Zukunft gestalten. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. 18. Legislaturperiode, S. 178.

2 Nico Fried, Christoph Hickmann (2014): „Das Gefühl von Sicherheit ist eine Momentaufnahme“. In: Süddeutsche Zeitung, 2.7.2014, S. 6.

3 Deutscher Bundestag (2017): Stenografischer Bericht 242. Sitzung, Plenarprotokoll 18/242, 28.6.2017, Anlage 22.

4 Wiegold, Thomas (2016): Predator-Hersteller klagt gegen Drohnen-Entscheidung der Bundeswehr. In: Augengeradeaus.net, 30.8.2016.

5 Thiels, Christian (2017): Drohnendeal durch die Hintertür. Tagesschau.de, 26.5.2017, Online unter: https://www.tagesschau.de/inland/bundeswehr-drohnenkauf-101.html.

6 Gebauer, Matthias (2017): SPD will Kauf von "Jedi"-Raketen blockieren. In: Spiegel-Online.de, 23.6.2017.

7 Oberlandesgericht Düsseldorf (2017): VII-Verg 36/16, 31.5.2017.

8 ebda.

9 Monroy, Matthias (2017): Wunderwaffe für Drohnen der Bundeswehr kommt aus Israel. In: Netzpolitik.org, 5.9.2017.

10 Monroy, Matthias (2017): Verteidigungsministerium hält an Beschaffung von Kampfdrohnen fest. In: Netzpolitik.org, 22.8.2017.

11 Bundestag (2016): Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Auswahlentscheidung zur Beschaffung von bewaffneten Drohnen. Drucksache 18/7725, 26.2.2016, S. 13

12 Pletsch, Marius (2016): Eine Drohne für Europa. In: imi-online.de, 21.1.2016.

13 Deutsch-französischer Verteidigungs- und Sicherheitsrat (2017): Schlussfolgerungen, 13.7.2017, S. 2 f.

14 (2017): Major MALE RPAS design milestone achieved, Online unter: http://www.occar.int/449.

15 Hegmann, Gerhard (2017): Flug in Rückenlage – Trick macht Kampfdrohne unsichtbar. In: Welt.de, 25.7.2017.

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Hintergrund
Marius Pletsch studiert Politikwissenschaften und Philosophie auf M.A. an der Universität Trier und schreibt für die Informationsstelle Militarisierung e.V. über Drohnen.