Kein Strohfeuer: 20 Jahre nach Tschernobyl

Anti-Atom-Bewegung braucht weiter langen Atem

von Jochen Stay

Etwa 400 Veranstaltungen listet die Termine-Datenbank des Netzwerk Friedenskooperative im Zusammenhang mit dem 20. Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl auf. Quer durch die Bundesrepublik beschäftigen sich unzählige Menschen aus Friedens- und Anti-Atom-Bewegung mit den Folgen des Super-GAU, der bis heute in den betroffenen Gebieten in der Ukraine, in Weißrussland und Russland Todesopfer fordert.

Auch in Deutschland sind Waldböden weiterhin belastet. ,,Pilze haben ein besseres Gedächtnis als Politiker" heißt es auf einem Plakat des BUND Freiburg. Thema der Veranstaltungen und Demonstrationen ist deshalb nicht nur der Blick auf die Opfer, sondern auch der von Industrie, Stromkonzernen, Union und FDP geäußerte Wunsch nach einer Renaissance der Atomenergie.

Die aktuelle Krise um das Nuklearprogramm des Iran zeigt mehr als deutlich, dass zivile und militärische Nutzung der Atomkraft nicht zu trennen sind. Viele wissen gar nicht, dass im westfälischen Gronau genauso eine Urananreicherungsanlage seit Jahren läuft und nun sogar ausgebaut wird, wie sie dem Iran unter allen Umständen versagt sein soll. Aber wir sind ja kein Schurkenstaat, oder? Immerhin war die atomare Bewaffnung der Bundeswehr auch hierzulande in vergangenen Jahrzehnten Thema ernsthafter politischer Erwägungen.

Dass Friedens- und Anti-Atom-Bewegung in Sachen Atomwaffen und Atomkraftwerke an einem Strang ziehen, ist dringend notwendig, geht die öffentliche Diskussion doch gerade rund um den Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl ganz andere Wege. Obwohl noch immer eine Mehrheit in diesem Land die Nutzung der Atomkraft - egal für welchen Zweck - entschieden ablehnt, ist in den Medien viel mehr von den Argumenten derjenigen zu lesen, die sich vom Weiterbetrieb der AKWs großen Nutzen versprechen. Ein Nutzen übrigens, der sich hauptsächlich auf den Bankkonten einiger weniger Konzerne bemerkbar machen würde.

So wird also allenthalben für Laufzeitverlängerung geworben. Eigentlich sollte man aber von Gefahrzeitverlängerung sprechen, denn die angeblich sichersten Reaktoren der Welt kommen in die Jahre, und die Zahl der Störfälle steigt.

Eine Organisation, die wie keine andere den Kampf gegen Bomben und Reaktoren gleichrangig sieht und diese Verknüpfung seit Jahren engagiert vorantreibt, ist die IPPNW: Auf ihrem Tschernobyl-Kongress Anfang April in Bonn diskutierten einige hundert TeilnehmerInnen nicht nur über die Folgen des Super-GAU, sondern auch über Strategien, die zu einem wirklichen Atomausstieg führen können.

Kurzfristig geht es da neben der weiter nötigen Aufklärung über die Gefahren im Wesentlichen um den Druck auf die vier großen Stromkonzerne E.on, RWE, EnBW und Vattenfall. Denn genau diese vier sind es, die erreichen wollen, dass die Uralt-Reaktoren in Neckarwestheim, Biblis und. Brunsbüttel auch noch über die nächste Bundestagswahl hinaus am Netz bleiben. Sie wollen sich auf unsere Kosten und angesichts des unlösbaren Atommüll-Problems auf Kosten der kommenden Generationen eine goldene Nase verdienen. Denn für die Energieversorgung nötig sind diese AKW nicht.

Es wird also in den nächsten zwei Jahren darauf ankommen, ob es AtomkraftgegnerInnen gelingt, genügend Druck aufzubauen, in einer Sprache, die die Konzerne verstehen, nämlich die Sprache des Geldes. Eine groß angelegte Boykottkampagne ist in Vorbereitung.

Damit die Veranstaltungen und Aktionen zum Tschernobyl-Jahrestag kein Strohfeuer sind, braucht es zeitgemäße Möglichkeiten, damit sich gegen Atomenergie engagierte Menschen vernetzen können. Einen solchen Ansatz verfolgt die Kampagne „ausgestrahlt", gemeinsam getragen von BUND, X-tausendmal quer und der Online-Politik-Plattform campact. Wer die ausgestrahlt-Erklärung unterzeichnet, bekommt regelmäßig Informationen, wie es auch Einzelnen ohne viel Zeit möglich ist, aktiv zu werden und am Thema dranzubleiben. Die Beteiligung an Online-Aktionen ist mit wenigen Klicks auf der Seite www.ausgestrahlt.de  möglich.

 

 

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