Drohnenstreit in der Bundesregierung

Debatte um bewaffnete Drohnen in Deutschland

von Ute Finckh-Krämer
Schwerpunkt
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Die Debatte um bewaffnete Drohnen in Deutschland bezieht sich fast ausschließlich auf Drohnen des sogenannten MALE-Typs (medium altitude, long endurance – also Flughöhen von 10-15 km und Einsatzzeiten von 24-48 Stunden). Daher soll es in diesem Text um diesen Drohnentyp gehen, wohl wissend, dass es auch Risiken aus anderen Drohnentechnologien gibt, z.B. den in Entwicklung befindlichen Schwärmen kleiner, bewaffneter Drohnen.

Die deutsche Debatte um bewaffnete bzw. bewaffnungsfähige Drohnen war zunächst vor allem eine Debatte innerhalb der Friedensbewegung über den stark gesteigerten Einsatz bewaffneter US-Drohnen in Afghanistan, Pakistan und anderen Konfliktregionen unter der Regierung von Barack Obama ab 2009. Hier ging es vor allem um die – auch in den USA heftig diskutierten – ganz offensichtlich völkerrechtswidrigen Angriffe auf Einzelpersonen in offiziellen Kriegsgebieten, aber auch in Regionen, in denen die US-Regierung meinte, auf diese Weise vermeintliche oder tatsächliche Terroristen töten und auf diese Weise unschädlich machen zu können. Die Nutzung der US-Luftwaffenbasis Ramstein für diese Angriffe war der Bundesregierung peinlich, sie tat aber alles, um den Eindruck zu erwecken, dass sie darüber nichts wisse und damit auch nicht handeln müsse. Das führte dann zum einen oder anderen kritischen Artikel in der Presse und wurde unter anderem in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe am 6. Mai 2015 thematisiert, deren Thema der 11. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik war. (1)

Streben nach bewaffneten Drohnen
Ein zweiter, sehr unterschiedlicher Diskussionsstrang ergab sich unter den Verteidigungs- und Sicherheitspolitiker*innen. Die Bundeswehr hatte 2010 drei unbewaffnete israelische Aufklärungsdrohnen vom Typ Heron 1 geleast, die insbesondere in Afghanistan (wo sich die Bundeswehr ja bis 2014 noch im Kampfeinsatz im Rahmen des ISAF-Mandates befand) zum Einsatz kamen. Da das israelische Nachfolgemodell Heron TP im Gegensatz zur Heron 1 bewaffnungsfähig ist und der Bedarf an Aufklärungsdrohnen sowohl im Nachfolgeeinsatz in Afghanistan (Resolute Support) als auch in Mali (ab 2016) mit dem Schutz der dort jeweils eingesetzten Bundeswehrsoldat*innen begründet werden konnte, wurde im Sommer 2018 vom Haushalts- und vom Verteidigungsausschuss des Bundestages der Beschaffung und Anpassung von Heron TP Drohnen zugestimmt. Am liebsten hätte das Verteidigungsministerium gleich die Bewaffnung samt der Ausbildung der Drohnenbedienmannschaften im Umgang mit den Waffen mit beschafft/beauftragt. Dem stand aber der Koalitionsvertrag im Wege, in den die SPD folgenden Satz hineinverhandelt hatte: „Über die Beschaffung von Bewaffnung wird der Deutsche Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert entscheiden. Hierzu wird die Bundesregierung eine gesonderte Vorlage erstellen und dem Deutschen Bundestag zuleiten.“ (2) Allerdings steht in diesem Koalitionsvertrag auch der Satz: „Wir werden im Rahmen der Europäischen Verteidigungsunion die Entwicklung der Euro-Drohne weiterführen.“

Und die Euro-Drohne, die von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien gemeinsam entwickelt werden soll, soll bewaffnungsfähig sein. Insofern begann in der Friedensbewegung mit der Absichtserklärung von 2015 zur Entwicklung besagter Euro-Drohnen eine Debatte darüber, welches militärpolitische Eskalationspotenzial sich daraus ergeben würde, dass die Bundeswehr über kurz oder lang nach dem Motto „was andere haben bzw. beschaffen, wollen wir auch“ bewaffnungsfähige Drohnen samt den zugehörigen Waffen beschaffen würde.

Das Risiko, dass sich Deutschland über kurz oder lang im Rahmen von Bündnisloyalitäten dann doch an extralegalen Tötungen beteiligen würde, wurde in diesem Kontext natürlich auch diskutiert. Entscheidend war aber die Frage: wenn die Bundeswehr seit 2015 bewusst in keinen Auslandseinsatz geschickt wurde, in dem bewaffnete Drohnen überhaupt eingesetzt werden können, was für implizite Szenarien steckten dann hinter dem Wunsch, für die Bundeswehr bewaffnete Drohnen zu beschaffen? Mehr Machtprojektion in Konfliktgebieten, in denen die potenziellen Gegner über keinerlei Luftabwehr verfügen (denn nur dort können bewaffnete Drohnen sinnvoll eingesetzt werden)? Höhere Bereitschaft, im Rahmen der NATO oder irgendwelcher „Coalition of the Willing“ in Kampfeinsätze des Typs „War on Terror“ zu ziehen? Die Aktivist*innen der Drohnenkampagne (3) wiesen zu Recht darauf hin, dass die Debatte in Deutschland zu diesen Themen über Deutschland hinaus eine wichtige Bedeutung hatte.

Durchwinken der Drohnenbeschaffung gescheitert
2020, mitten in der Corona-Krise, meinte das Verteidigungsministerium, es könne so eben mal die im Koalitionsvertrag vereinbarte ausführliche völkerrechtliche, verfassungsrechtliche und ethische Würdigung in Eigenregie abhaken und dann mit dem wolkigen Argument, es gebe aber Szenarien, in denen bewaffnete Drohnen für den Schutz von Bundeswehrsoldat*innen in Auslandseinsätzen unabdingbar seien, den Widerstand aus der SPD-Fraktion überfahren. Die Szenarien waren am ISAF-Einsatz in Afghanistan orientiert: während eine deutsche Patrouille in gebirgigem Gelände unterwegs ist, planen Taliban auf der anderen Seite eines Hügels einen Artillerieeinsatz auf die Patrouille, die Beobachtungsdrohne sieht das gerade noch rechtzeitig und bekämpft dann das legitime militärische Ziel sofort und gerade noch rechtzeitig. Leider waren viele SPD-Abgeordnete nicht in der Lage, laut und deutlich zu sagen, dass neue Waffensysteme eigentlich nicht Probleme der Vergangenheit, sondern Probleme der Zukunft lösen sollten. Und da stellte und stellt sich ja die Frage, ob die Lehre aus ISAF nicht sein muss, dass die Bundeswehr nie wieder in einen derartigen Einsatz geschickt wird.

Unter dem Druck der Verteidigungspolitiker*innen der SPD-Fraktion formulierte die zuständige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gabriela Heinrich dann im Sommer eine Reihe von Roten Linien, von denen eigentlich nur eine als Haltelinie zu gebrauchen war: nämlich die Forderung, dass vor einer Beschlussfassung im Bundestag ein Einsatzkonzept für bewaffnete Drohnen vorgelegt werden müsse. Das war und ist natürlich einer der wunden Punkte: es gibt für keinen einzigen aktuellen oder absehbaren Auslandseinsatz der Bundeswehr eine denkbare Anwendung bewaffneter Drohnen, auch die Union plant nach eigenem Bekunden keine neuen Einsätze vom Typ ISAF, wie sollte dann ein in irgendeiner Weise schlüssiges Einsatzkonzept aussehen?

Die Drohnenkampagne nutzte diese Lücken sehr geschickt. Sie verwies z.B. darauf, dass eine ausführliche völkerrechtliche, verfassungsrechtliche und ethische Würdigung auch die Perspektive der Menschen einbeziehen müsse, die in eventuellen Einsatzländern mit einer dauernden Bedrohung aus der Luft leben müssen – ein Fehler, ein durch die Bedienmannschaften falsch interpretiertes Bild und sie sind tot. Was macht das mit Menschen? Welche Folgen hat es für ihre Fähigkeiten, sich an der Lösung der Konflikte in ihrem Land zu beteiligen?

Die Debatte erreichte breitere Kreise, und schließlich und endlich entschied die SPD-Fraktion am 15.12.2020, in dieser Wahlperiode keiner Bewaffnung von Drohnen zuzustimmen. An diesen Erfolg gilt es jetzt, anzuknüpfen und die Debatte umfassend weiterzuführen. Auch und gerade im bevorstehenden Bundestagswahlkampf.

Anmerkungen
1 https://www.bundestag.de/resource/blob/387228/7ba6da167a85c56f644aab6b45...
2 https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertr... S. 161
3 https://drohnen-kampagne.de/

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