Kampagne / Bündnis Unter 18 nie!

Doch kein Bonner Appell! – SPD-Ratsfraktion verwässert Bürgerantrag

von Armin Lauven
Initiativen
Initiativen

Seit Aussetzen der Wehrpflicht 2011 sind inzwischen mehr als 15.000 Jugendliche, die zum Zeitpunkt ihres Dienstantritts noch keine 18 Jahre alt waren, von der Bundeswehr rekrutiert worden.

Diese Praxis und ebenso die gezielt an Jugendliche gerichtete Werbung der Bundeswehr werden seit Jahren heftig kritisiert (1), da sie vor allem den Grundsätzen der UN-Kinderrechtskonvention widersprechen. Für „Kinder“ bis zum Alter von 18 Jahren gelten besondere Schutzvorschriften, gegen die weiterhin in eklatanter Weise verstoßen wird. (2)

Vor gut drei Jahren hat sich auf Bundesebene ein Trägerkreis der Kampagne bzw. des Bündnisses ‚Unter 18 nie! – Keine Minderjährigen in der Bundeswehr’ (3) gegründet. Ein breites Bündnis verschiedener Organisationen und Zusammenschlüsse aus den Bereichen der Friedensbewegung, der Kirchen und der Gewerkschaften kämpft mit intensiver Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit für die Verbote des Bundeswehrdienstes von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren sowie der gezielt an Minderjährige gerichteten Bundeswehrwerbung.

Jährlich erhalten Hunderttausende nach ihrem 16. Geburtstag ungefragt die sog. Dialog-Post der Bundeswehr. Die erforderlichen Daten liefert die zuständige Meldebehörde, die dazu lt. § 36 Bundesmeldegesetz verpflichtet ist, es sei denn, die Betroffenen (bzw. deren Erziehungsberechtigten) haben der Datenweitergabe an die Bundeswehr beim zuständigen Einwohnermeldeamt ausdrücklich widersprochen. (4)

Ein Widerspruchstool (5) und eine Postkarte (6) – beides vom o.g. Bündnis erarbeitet – sollen die Jugendlichen, ihre Eltern sowie die mit ihnen in Schule und Freizeit Arbeitenden dabei unterstützen, eine sog. Datensperre zu setzen.

Um die automatische Weitergabe auf politischem Weg zu stoppen, hat in Bonn ein Bündnis aus neun Friedensgruppen einen anderen Weg eingeschlagen. Über einen Bürgerantrag sollten die Oberbürgermeisterin und der Stadtrat dazu veranlasst werden, sich gegen „eine Weitergabe von Daten Kinder und Jugendlicher an die Bundeswehr durch das Einwohnermeldeamt“ auszusprechen; ferner sollte die Oberbürgermeisterin beauftragt werden, sich z.B. über den Deutschen Städtetag für eine Änderung des Bundesmeldegesetzes einzusetzen. Bestand zunächst die große Hoffnung, dass sich wie beim sog. ICAN-Städteappell (7) der Stadtrat dem Votum des Bürgerausschusses anschließt, dem Bürgerantrag zustimmt und dann von dem auf diese Weise geschaffenen „Bonner Appell“ auch eine bundespolitische Signalwirkung ausgehen kann, hat dann leider wohl die SPD-Ratsfraktion kurzfristig kalte Füße bekommen und ihren Änderungsantrag durchsetzen können:

„Die Verwaltung wird beauftragt: Jugendlichen, die in Meldeangelegenheiten Kontakt mit der Verwaltung haben, aktiv darauf hinzuweisen, dass sie der Weitergabe von Daten an die Bundeswehr widersprechen können.“ (8)

Diesem Beschluss fehlt nun die politische Sinnspitze des Bürgerantrages: die Verwaltung zu beauftragen, Jugendliche aktiv auf die ohnehin gesetzlich verbriefte Widerspruchsmöglichkeit bei der Datenweitergabe seitens des Einwohnermeldeamtes hinzuweisen, klingt vielversprechend, verfehlt aber die politische Stoßrichtung des Bürgerantrags völlig: Nicht nur am Flaggentag der Mayors-for-Peace Flagge gegen Atomwaffen zu zeigen, sondern auch bei der Rekrutierung Minderjähriger durch die Bundeswehr, hätte dem obersten beschlussfassenden Organ der Bundes- und UN-Stadt gut zu Gesicht gestanden. Der Ratsbeschluss ist daher zu kritisieren, die mündlich vorgetragene Stellungnahme des zuständigen SPD-Stadtverordneten belegt, woher der Wind in seiner Partei weht: „Aber die Bedeutung der Bundeswehr wird uns Tag für Tag durch die schrecklichen Bilder aus der Ukraine vor Augen geführt.“ Diese Aussage zeigt sehr deutlich, dass selbst die Bonner SPD-Stadtratsfraktion auch und gerade in diesen Zeiten nichts billigt und mitträgt, was in irgendeiner Weise als Kritik an der Bundeswehr verstanden werden kann, selbst dann nicht, wenn es um das Wohl von Kindern und Jugendlichen geht.

Wie die Friedensbewegung in Bonn die Stadtverwaltung bei der Umsetzung des Ratsbeschlusses „unterstützen“ wird, bedarf nun eingehender Beratung.

Anmerkungen
1 https://www.kinderrechte.de/fileadmin/Redaktion Kinderrechte/1_Kinderrechte/1.7_Staatenberichte/03B_
Abschliessende_Bemerkungen_des_Fachausschusses_zum_Dritten_und_Vierten_Staatenbericht.pdf
2 S. z.B. Anlage zu Parl Sts bei der Bundesministerin der Verteidigung Dr. Tauber 1980034-V267 vom 1. Februar 2021
3 https://unter18nie.de/
4 https://www.gesetze-im-internet.de/bmg/__36.html
5 https://unter18nie.de/2021/08/03/video-zu-unserem-widerspruchstool-ist-o... bzw. https://unter18nie.de/widerspruchs-tool/.
6 https://www.paxchristi.de/artikel/view/5867947138482176/Datenschutz%20st...
7 https://www.bonn.sitzung-online.de/public/to020?TOLFDNR=2008963&SILFDNR=398
8 https://www.bonn.sitzung-online.de/public/to020?TOLFDNR=2025684&SILFDNR=...

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Armin Lauven ist Mitglied der Pax-Christi-Gruppe Bonn.