Der Zivile Friedensdienst

Einleitung zum Schwerpunkt:

von Christine Schweitzer
Schwerpunkt
Schwerpunkt

Der Zivile Friedensdienst hat seit seiner „Erfindung“ vor wenigen·Jahren eine Metamorphose durchgemacht. Der Kreis in der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg um den deutschen „Papst“ der Sozialen Verteidigung, Professor Theodor Ebert, sah den von ihm erdachten Zivilen Friedensdienst als ein Mittel, breiten Bevölkerungskreisen Grundkenntnisse in gewaltfreier Aktion zu vermitteln. Dies wurde ausdrücklich als Vorbereitung zur Einführung von sozialer Verteidigung; also dem organisierten gewaltfreien Widerstand, der die militärische Verteidigung ersetzen soll, gesehen.

Der Zivile Friedensdienst sollte deshalb ein Angebot möglichst viele junge und ältere Menschen darstellen; Theodor Ebert selbst sah und sieht ihn sogar im Kontext einer allgemeinen Dienstpflicht für alle Männer und Frauen. „Wir müssen die Wasser der Wehrpflicht auf die Mühlen der Sozialer Verteidigung lenken“, es war von ihm bei mehr als einer Gelegenheit zu hören.

Auch wenn seitdem das Gespenst einer Einbindung in: die Wehrpflicht bzw. eine Allgemeine Dienstpflicht umgeht, wird ein solcher Zusammenhang von der überwiegenden Mehrheit derjenigen, die sich für einen Zivilen Friedensdienst einsetzen, abgelehnt. Trotzdem führte es vor allem von Seiten pazifistischer und antimilitaristischer Organisationen zu heftiger-Kritik und bei manchen Gruppen bis heute währenden totalen Ablehnung des gesamten Konzeptes.

Der Zivile Friedensdienst hat konzeptionell drei Phasen durchgemacht, wobei sich diese Phasen nicht nur überlappen, sondern in der Person einzelner Vertreterlnnen bis heute fortbestehen. Die erste Phase war das erwähnte Konzept eines Dienstes, der einmal ausgebaut, mehrere Hunderttausende von Freiwilligen umfassen sollte. Danach konzentrierte sich die Diskussion zunehmend auf den Aspekt der Ausbildung. Längere  Zeit schien es so, als ob der Zivile Friedensdiensts; vorrangig bis ausschließlich eine einjährige Ausbildung in ziviler Konfliktbearbeitung meine; der Aspekt der praktischen Tätigkeit trat dahinter völlig zurück. Mit der „Startphase Ziviler Friedensdienst" (s. unten) vollzog·sich ein abermaliger Wandel hin zu einem „Friedensfachdienst“. Dieser Begriff, der wohl aus der parallel laufenden Diskussion in der Evangelischen Kirche um die Neukonzeptionierung der kirchlichen freiwilligen und Entwicklungsdienste stammt, sucht den ZFD von Freiwilligendiensten abzugrenzen und parallel zu Entwicklungsdiensten zu definieren. Ziviler Friedensdienst in dieser Konzeption meint den Einsatz ausgebildeter Fachkräfte, die professionelle Konfliktbearbeitung leisten.

Die Entwicklung des ZFD ist vor allem mit dem Forum Ziviler Friedensdienst verbunden, das ursprünglich aus einer offenen Arbeitsgruppe des Bundes für Soziale Verteidigung heraus entstanden ist und heute praktisch alle Organisationen und Personen zu Mitgliedern hat, die die Forderung nach einem Zivilen Friedensdienst vertreten. Das Forum hat zunächst im Winter 1995/96 versucht, auf Bundesebene Unterstützung einzuwerben. Einer interfraktionelle Initiative für eine „Startphase Ziviler Friedensdienst“ verschiedener Bundestagsabgeordnete unter der Federführung der MdBs Gert Weisskirchen, Winni Nachtwei und Rainer Eppelmann scheiterte dann aber an Widerständen aus der Exekutive, besonders in Person des Bundesministers für Entwicklung Spranger. Aus der „Startphase“ gewissermaßen .gerettet wurde das Konzept einer viermonatigen Ausbildung der „Friedensfachkräfte“, wie die Freiwilligen des ZFD inzwischen hießen, die von Land Nordrhein-Westfalen finanziert im Frühjahr 1997 dann erstmalig durch¬geführt wurde. Die fünfzehn TeilnehmerInnen sind vorwiegend in Projekten im ehemaligen Jugoslawien beschäftigt.

Gemeinsam haben fast alle Konzeptionierungen eines ZFD die Vorstellung, öffentliche Mittel einzuwerben. Die direkte staatliche Einbindung, am Anfang noch z.B. in·Form eines Bundesamtes oder gar Ministeriums für Zivilen Friedensdienst angedacht, wurde- wiederum voll der Mehrheit der ZFD-VertreterInnen- zugunsten eines staatlich subventionierten Programmes und der Formulierung bestimmter Gesetze·zur Regelung des Rahmens (z. B. parallel zum Entwicklungshelfer-Entsendegesetz) aufgegeben. Das hier veröffentlichte Statement des Komitees für Grundrechte und Demokratie und die Antwort des Forums Ziviler Friedensdienst darauf sprechen mögliche durch öffentliche Finanzierung entstehende Abhängigkeiten an.

Ein weiterer problematischer Aspekt bei der Entwicklung des Zivilen Friedensdienstes ist der ursprünglich deutlich formulierte Anspruch, eine Alternative zum Militär entwickeln zu wollen (Stichwort: „gewaltfreie Intervention“). Von verschiedenen KritikerInnen- hier auch wieder das Komitee- wird des Öfteren die Frage gestellt, ob dieser Anspruch zugunsten einer Akzeptanz durch breite Kreise- Parteien, Entwicklungsdienste, Landesregierunen- aufgegeben worden sei. In diesem Zusammenhang wird dann auch auf mögliche Gefahren hingewiesen, die durch eine Kooperation mit militärischen Stellen während des Einsatzes (zum Beispiel in Bosnien) entstehen.

Außerdem sind in diesem Schwerpunkt u.a. in Thesenpapier von Ulrich Frey (AGDF) zum „Friedensfachdienst“, ein Bericht von der viermonatigen Modellausbildung in ziviler Konfliktbearbeitung in Nordrhein-Westfalen, die Berliner Erklärung (ein Aufruf, den Zivilen Friedensdienst zu unterstützen, der von zahlreichen Prominenten mitunterzeichnet wurde) und Beispiele, was Ziviler Friedensdienst sein kann, enthalten.

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Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.