Exporterleichterung als europäische Koproduktion

von Otfried Nassauer
Hintergrund
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Deutsche Rüstungsexporte im Wert mehrerer Milliarden DM haben nie das Licht der deutschen Rüstungsexportstatistikerblickt. Es bedurfte ihrer Abwicklung nicht einmal einer Genehmigung für die Ausfuhr in Empfängerländer wie den Irak; Syrien, Südafrika, Ägypten oder Argentinien. Statistisch unerfaßt blieben u.a. auch Exportschlager der deutschen Rüstungswirtschaft: die Panzerabwehrrakete „Roland“, der Transportflieger „Transall“ oder der leichte Jagdbomber „Alpha Jet“. All diese Systeme wurden vielfach in Länder der Zweidrittelwelt exportiert.

Gemeinsam ist diesen Waffen; daß sie in deutsch- französicher Kooperation entwickelt und gebaut, aber nach französischem Recht exportiert wurden. Meist werden sie von binationalen Gemeinschaftsfirmen -heute würde man·diese Joint Ventures nennen- in Frankreich vertrieben und schlagen sich deshalb in der französischen Rüstungsexportstatistik nieder. In der deutschen Statistik finden sich dagegen nur Zulieferungen von Komponenten an den NATO-Staat Frankreich.

Die kleinen Management- und Verkaufsfirmen wie Euromissile im Falle der Raketen Milan, Hot und Roland - wurden jeweils zwecks Realisierung und Vermarktung der Vorhaben gegründet. Entwicklung und Produktion selbst werden von deutschen und französischen Rüstungsgiganten wie MBB (heute Teil der Daimler-Tochter DASA) und Aerospatiale als Subunternehmer geleistet.

Das Exportverfahren für diese Waffensysteme geht auf eine deutsch-französische Besonderheit zurück. Für den Export gemeinsam entwickelter Rüstungsprodukte wurde unter Verteidigungsminister Helmut Schmidt 1972 eine - soweit bekannt - für die deutsche Seite noch lange einmalige getroffen, in der jede Seite auf ein Veto gegen Export wünsche des anderen Partners verzichtet.

„Keine der beiden Regierungen wird die andere Regierung daran hindern, Kriegswaffen oder sonstiges Rüstungsmaterial, das aus einer gemeinsam durchgeführten Entwicklung oder Fertigung hervorgegangen ist, in Drittländer auszuführen oder ausführen zu lassen. so die vertraulich gehaltene Vereinbarung. Erst dreizehn Jahre später, 1985, wurde sie in einem Informationsdienst für die Rüstungswirtschaft veröffentlicht. Und: „Beide Regierungen sind übereingekommen, daß sie die nationalen Gesetze im Geiste der deutsch- französischen Zusammenarbeit auslegen und anwenden werden“.

Die großzügige Vereinbarung sicher auch ein Ausdruck der französischen Interessen an einem umfangreichen Rüstungsexport, der die Überlebensfähigkeit der Rüstungsindustrie der Grande Nation mit sichern sollte - stand lange im Gegensatz zu den Exportregelungen, die bei anderen Rüstungskooperationsprojekten - so z.B. beim deutsch-britisch-italienischen Jagdbomber Tornado - deutscherseits ausgehandelt wurden. Der Tornado-Vertrag enthielt eine Klausel, die jedem Teilnehmerstaat die Möglichkeit gab, gegen Exportwünsche der anderen Partner ein Veto einzulegen.

In den achtziger Jahren begann die nunmehr konservativ-liberale Bundesregierung Gefallen an dem französischen Schlupfloch für einen erweiterten Rüstungsexport zu finden. Sie beschloß, es zu erweitern. Zunächst wurde im Zusammenhang mit dem britischen Wunsch nach Tornado-Lieferungen nach Nahost endgültig auf das gegenseitige Vetorecht gegen Tornado-Exporte verzichtet. Bei der quadrolateralen Koproduktion des Jäger 90 ging die Bundesregierung dann noch einen Schritt weiter. In der Grundsatzvereinbarung der vier Regierungen zur Entwicklung des Jäger 90 heißt es: „Die Teilnehmerstaaten erkennen an, daß Verkäufe an Dritte zur Förderung des Programms wichtig sind. ( ... ) Kein Teilnehmerstaat wird den Verkauf an Dritte … verhindern“. Im Klartext: Haben Spanien, Italien oder Großbritannien einen Käufer für den Jäger 90 gefunden, so wird nach ihren Exportgesetzen geliefert. Die Bundesrepublik verzichtet auf ein Veto und eine Genehmigung des Exportes nach den strengeren deutschen Richtlinien.

Ähnliches gilt auch für andere: Großvorhaben wie für den NAT0-Hubschrauber 90 oder den deutsch-französischen.

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Otfried Nassauer (1956-2020) war freier Journalist und leitete das Berliner Informationszentrum für transatlantische Sicherheit – BITS (www.bits.de)