Friedensfachkraft -ein neues Berufsbild?

von Christine Schweitzer
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Der Zivile Friedensdienst will eine größere Zahl von Menschen als professionelle Konfliktbearbeiterlnnen ausbilden und im Rahmen eines wie auch immer ausgestalteten „Dienstes“ im ln- oder Ausland einsetzen. In jüngerer Zeit wurde der Begriff des „Friedensfachdienstes“ geprägt, der die Qualität eines solchen Dienst einerseits und die ausschließliche Konzentration auf Friedensarbeit andererseits in den Vordergrund stellt. Es ist nicht deutlich - weder in den Publikationen des Forums Ziviler Friedensdienst, noch in jenen. der Evangelischen Kirche -· ob dies gleichzeitig einen Abschied von dem Konzept der „großen Zahlen“ darstellt, oder ob die gegenwärtige Beschränkung auf wenig Projekte sich allein aus fehlenden Mitteln für Projekte erklärt.

Friedensfachkraft- ein neuer Beruf?
Das sachgemäße Umgehen mit Konflikten - sei es in einem Fanclubprojekt am Niederrhein oder in einer Flüchtlingsgemeinde in Bosnien - benötigt·Fachkenntnisse in ziviler Konfliktbearbeitung und ist damit nichts, das jungen, unerfahrenen Freiwilligen in Lerndiensten -zugemutet werden kann. Vergleichbares gilt für viele Berufsgruppen aus dem Dienstleistungsbereich und anderen Aufgabengebieten, die von Berufs wegen mit Konflikten in Berührung kommen, ohne hierfür vorbereitet zu sein (angefangen von Verkäuferinnen in Bahnhofsgeländen bis hin zu Technikern in Entwicklungsprojekten). Von daher ist es zu begrüßen, wenn durch die Einführung eines Begriffes wie „Friedensfachdienst“ der Aspekt einer erforderlichen Qualifizierung hervorgehoben wird.

In der Diskussion um den Zivilen Friedensdienst finden sich immer wieder Versuche, den Zivilen Friedensdienst von allen bestehenden Diensten und Berufsfeldern abzugrenzen, indem eine Verknüpfung mit anderen Aufgabenfeldern abgelehnt und die Besonderheit der zivilen Konfliktbearbeitung hervorgehoben wird. Die „Friedensfachkraft“ habe sich um zivile Konfliktbearbeitung zu kümmern und nicht z. B. Sozialarbeit zu leisten. Sei verständlich diese Abgrenzung aus dem Legitimationsdruck, eine neuzuschaffende Institution zu rechtfertigen, auch ist, so fohlt der Autorin hier eine gründlichere Analyse, ob solche „Konfliktbearbeitung pur“ überhaupt in jedem  Fall Wünschenswert und/oder durchführbar ist. Es ist· z.B. bislang kaum die Frage der sozialen Akzeptanz thematisiert worden, die in der Entwicklungszusammenarbeit eine so große Rolle spielt. Es sollte sorgfältig überdacht werden, ob die Konzeption einer „Friedensfachkraft“, die sich allein auf zivile Konfliktbearbeitung konzentriert, nicht immer auf wenige Sonderfälle beschränkt·bleiben muß, während in zahlreichen weiteten Projekten Sozialarbeiterlnnen, Lehrerinnen und Entwicklungshelferlnnen zivile Konfliktbearbeitung zu einem Teil, aber eben auch mir zu einem Teil, ihrer Aufgabe machen.

Ein größeres Berufsfeld würde sich freilich dann ergeben, wenn es gelänge, statt Schneller·Eingreiftruppe und Bundeswehr -Peacekeeping- Einsätzen ziviles Peacekeeping zu etablieren. Aber: Es fehlen hier – neben dem politischen Willen natürlich - schlicht Kenntnisse und Erfahrungen. Im Gegensatz zur Sozialen Verteidigung, die zumindest als Konzeption ausgearbeitet dasteht und auf entsprechende Erfahrungen aus unzähligen gewaltlos verlaufenen Aufständen und Widerstandsbewegungen zurückgreifen kann, fehlt hier eine entsprechende wissenschaftliche Vorarbeit, um überhaupt auf theoretischer Ebene eine überzeugende Alternative zu entwickeln. Die Argumentation, daß Zivilisten die Arbeit von Blauhelmen viel besser machen werden, da es sich ja um
im Kerne zivile Aufgaben handele, ist auf den ersten Blick bestechend. Über die Implementierung dieser Forderung müßte aber noch länger gearbeitet werden.

Professionalisierung von Friedensarbeit
Ein allgemeinerer Gesichtspunkt ist der, einer Professionalisierung von Friedensarbeit generell. Die Schaffung von „Friedensfachkräften“ scheint eine Tendenz zu verstärken, die schon des längeren auch in der Friedensarbeit besteht. (Nachdem sie in den 70er Jahren bereits im Bereich der sozialen Dienste und der Wohlfahrt verbreitete.) Mit dem Rückgang von Bewegungsaktivitäten sind es mehr und mehr die Hauptamtlichen, die das Bild der Friedens“bewegung“ be    stimmen. Und in der zivilen  Konfliktbearbeitung holt Deutschland gerade gegenüber den angelsächsischen Ländern auf, in denen professionelle Mediatorlnnen, Konfliktlöserlnnen plus einer entsprechenden universitären Szene bereits seit etlichen Jahren aktiv sind. Das Geschäft mit dem Konflikt blüht.

Auch bei diesem Punkt ist kein einfaches Schwarz- Weiß-Muster·zu zeichnen, da es sehr wohl auch gute Gründe für eine Professionalisierung gibt.

-Zivile Konfliktbearbeitung braucht Fachkenntnisse. Eine Qualifikation in diesem Bereich ist notwendig.

- Sie können nur dann erworben und bewahrt werden, wenn sie ständig praktiziert werden. Nebenamtlich ist dies nur bei ungeheurem, sehr zeitintensivem Engagement möglich.

-Ein/e Hauptatntliche/r kann einen größeren Kreis von ehrenamtlich Tätigen unterstützen und ihrer Arbeit Kontinuität verschaffen.

- Größere Projekte sind ohne Hauptamtliche kaum zumachen.

Auf der anderen Seite stehen die bedenklichen Faktoren, nämlich:

-Hauptamtliche Tätigkeit kann leicht soziale Bewegung vortäuschen, wo schon lange keine ist.

Das Wissens-Ungleichgewicht wird schnell so groß, daß Ehrenamtliche in Helferrollen (zum Eintüten z.B.) gedrängt werden. Anstatt zu unterstützen, werden sie zu den Hauptpersonen.

-Infolge dessen wird dann, sofern Hauptamtliche nicht mehr zu bezahIen sind, die Arbeit eher eingestellt als sie auf mehr Schultern zu verlagern.

- Dies gewinnt nochmal an Bedenklichkeit in vielen angedachten Projekten des ZFD problematisch, deren Ziel es ist, daß die ausländische·„Friedensfachkraft“ sich schnell wieder überflüssig macht.

- Zivile Konfliktbearbeitung kann so sehr schnell zu einer Technik werden. Sie verliert ihren emanzipatorischen Charakter. In vielen Konflikten geht es nämlich darum, einen Konflikt zunächst einmal (gewaltfrei) zu eskalieren, um soziale Gerechtigkeit zu schaffen, eine Diktatur zu stürzen oder die Achtung der Menschenrechte durchzusetzen. Viele professionelle „KonfliktlöserInnen“ haben für diesen Aspekt wenig Verständnis bzw. fürchten ihn sogar, weil er ihnen die gutzahlenden (etablierten) Klienten kosten könnte.

Ohne Moos nichts los?
Die Frage der Finanzierung von Zivilen Friedensdienst und „Friedensfachkräften“ ist bislang vorrangig unter dem Aspekt der Abhängigkeit von staatlichen Mitteln besprochen werden. (s. Papier des Komitees für Grundrechte und Demokratie in dieser Ausgabe). Aber daneben gibt es zwei weitere Anfragen, die an das Konzept gestellt werden müssen.

Für eine Bezahlung der Zivilen FriedensdienstlerInnen – um Unterschied zu Freiweilligen, die lediglich ein Taschengeld erhalten – sprechen mehrere gute Gründe. Es sollen Personengruppen für den ZFD gewonnen werden, die aufgrund ihrer familiären Situation und ihrer Berufslaufbahn (erreichte Qualifikation und Berufserfahrung) sich nicht in der Lage stehen, für ein oder zwei Jahre „auszusteigen“ und ohne nennenswerten Verdienst zu existieren. Dazu kommt, daß durch eine Bezahlung der Wert der Tätigkeit und die erforderliche Qualifizierung für sie honoriert werden sollen. Aber die Höhe der geplanten Kosten für den ZFD, die sich wesentlich aus der regulären Bezahlung der „Friedensfachkräfte“ ergibt, wirft auch Fragen auf. Welche Chancen hat ein Ziviler Friedensdienst, der die Bezahlung seiner MitarbeiterInnen nach BAT anstrebt, in Zeiten leerer Kassen bei Bund, Ländern, Gemeinden und auch den Stiftungen und private Haushalten?

Der Gedanke liegt nahe, daß die Forderung nach einem ZFD zehn Jahre zu spät gekommen ist. In einer Zeit, wo nicht einmal die ständigen, zu den zentralen öffentlichen Aufgaben gehörende Maßnahmen mehr finanziert werden können, scheint es unwahrscheinlich, daß Mittel für eine neue, teure Aufgabe bereitgestellt werden. Ja, die VertreterInnen des ZFD müssen sich sogar die Frage gefallen lassen, „wem sie es denn wegnehmen wollen, den Rentnern oder den Sozialhilfeempfängern“? So demagogisch diese Frage ist, hat sie leider einen wahren Kern, kennt man die Praxis der Aufstellung öffentlicher Haushalte. (Der Zivile Friedensdienst sah sich einem solchen Dilemma schon einmal gegenüber, als das Bundesentwicklungsministerium prüfte, ob einige „Startphasen“- Projekte aus seinem Etat bezahlt werden könnten, was direkt zu Lasten anderer Projekte gegangen wäre.) Die Forderung nach einer Finanzierung aus dem Verteidigungshaushalt des Bundes löst dabei das Problem nicht, solange gleichzeitig die Forderung nach Abrüstung aufrechterhalten wird. Diese würde nämlich erstmal Geld kosten; der Verteidigungshaushalt könnte, sollte eine neue Bundesregierung konsequente Abrüstung vorantreiben, für viele Jahre nicht zur Deckung anderer Ausgaben herangezogen werden.

Es gibt darüber hinaus noch einen zweiten, inhaltlichen Einwand gegen die „angemessene Bezahlung von 'Friedensfachkräften‘“. Zumindest im Bereich der Auslandstätigkeit ist es·nämlich so, daß diese „Friedensfachkräfte“ - und das gilt auch schon für die Mehrzahl der Projekte, die in der Startphase Ziviler Friedensdienst vorgeschlagen worden waren - das Mehrfache von dem verdienen würden, was einem guten einheimischen Lohn entspricht. Auch wenn sicherlich niemand sie so bezahlen will, wie die gtz oder andere staatliche Einrichtungen ihre AuslandsmitarbeiterInnen entlohnen oder was UN-MitarbeiterInnen erhalten, wird hier eine ökonomische und soziale Schieflage geschaffen, die dem Grundanliegen der Projekte, Konflikte bewältigen zu helfen, was auch immer, etwas mit der Frage der Gerechtigkeit zu tun hat; nicht gut tut.

Fazit
Auch wenn generell die Entwicklung des Zivilen Friedensdienstes von einem „Friedenskorps“, also einer großer Zahl ungelernter, junger Menschen hin zu einem Dienst mit qualifiziertem Beschäftigungsprofil zu begrüßen ist, wirft die Schaffung der „Friedensfachkraft“ einige konzeptionelle und praktische Anfragen auf. Solange Professionalisierung weniger mit professioneller·Arbeit und mehr mit gut gefüllten Lohntüten und möglichst einer eigenen Berufsbezeichnung zu tun hat, könnte es gut sein, daß die Idee des zivilen Friedensdienstes sich selbst im Wege steht. Es wäre wünschenswert, wenn über .dem Druck, der durch Lobbyarbeit und die Durchführung voll Pilotprojekten entsteht, die konzeptionelle Weiterentwicklung nichtvernachlässigt würde.

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Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.