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Zivilklausel
Keine Forschung und Lehre für das Militär
von„Lehre, Forschung und Studium an der Universität sollen friedlichen Zwecken dienen, das Zusammenleben der Völker bereichern und im Bewusstsein der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen erfolgen.“ So heißt es in der Präambel der Grundordnung der Universität Tübingen. Für eine Formulierung wie diese setzen sich seit einigen Jahren verstärkt StudentInnen, WissenschaftlerInnen und Gewerkschaften an zahlreichen Forschungsstandorten ein.
Die Einführung der ersten Zivilklausel geht zurück auf das Jahr 1986. Damals forderte der Akademische Senat in Bremen alle Mitglieder der Uni auf, Forschungsthemen und -mittel, die zu Rüstungszwecken dienen können, abzulehnen. Inzwischen sind dem Beispiel mehr als ein Dutzend weiterer Hochschulen gefolgt. Darunter die Universitäten in Frankfurt, Tübingen, Göttingen, Münster und Darmstadt.
Eine Zivilklausel? Für Hochschulen ginge die Einführung einer solchen mit dem Verlust von potentiellen Forschungsgeldern einher. Das mag für viele Unis und FHs abschreckend sein. Einen erheblichen Anteil unter diesen Geldern nehmen Drittmittel, also Gelder, die eine Hochschule aus der Privatwirtschaft oder öffentlichen Forschungsförderungen bezieht, ein. Betrug der Anteil der Drittmittel an der Gesamtfinanzierung der Hochschulen 1998 noch 16% (2,5 Mrd. €), lag er 2010 bei 26% (5,3 Mrd. €).
Unter den Drittmittelgebern befinden sich auch Rüstungskonzerne. Das ist kein Wunder: Rüstungsforschung ist nötig, um einerseits den technischen Anforderungen der „Bundeswehr der Zukunft“, und andererseits der Rolle Deutschlands als drittgrößter Rüstungsexporteur gerecht zu werden. Fest steht, dass an über 40 Hochschulen im naturwissenschaftlichen, medizinischen und sozialwissenschaftlichen Bereich für Bundeswehr, Rüstung und Krieg geforscht und gelehrt wird. Unklar ist jedoch das Ausmaß, in dem Rüstungsforschung an zivilen Hochschulen betrieben wird. Die betreffenden Verträge zwischen Hochschulen und Rüstungsunternehmen gelangen nur in den seltensten Fällen ans Licht der Öffentlichkeit.
Um sich zumindest eine Vorstellung von dieser Zahl machen zu können, lohnt sich ein Blick auf die Forschungsausgaben des Bundesverteidigungsministeriums. Diese belaufen sich jährlich auf über 1 Mrd. € - von denen der Großteil an die Universitäten der Bundeswehr in Hamburg und München, sowie drei wehrwissenschaftliche Institute der Fraunhofer-Gesellschaft geht. An zivile Hochschulen vergab das BMVg in den Jahren 2007 bis 2012 immerhin 35 Mio. €.
Wie aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag hervorging, verteilte das BMVg in diesem Jahr „lediglich“ 4,5 Mio. € an Drittmitteln an zivile Hochschulen. Betrachtet man den Grund für diese Anfrage, könnte man jedoch meinen, dass die Drittmittel an zivile Hochschulen zwar weniger geworden sind, dafür aber zu zynischeren Zwecken eingesetzt werden.
Die Uni Bonn plant ab dem Jahr 2014 eine auf fünf Jahre angelegte „Henry Kissinger Stiftungsprofessur für internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung unter besonderer Berücksichtigung sicherheitspolitischer Aspekte“ einzurichten. Von den 300.000 € Kosten, die die Professur jährlich in Anspruch nehmen soll, beteiligt sich das BMVg mit jeweils 250.000 € jährlich. Das Auswärtige Amt übernimmt die übrigen 50.000 €. Die Uni Bonn blieb die Antwort auf die Frage, wie der Name Henry Kissinger mit Völkerrechtsordnung zusammenpasst, bisweilen schuldig.
Ein ähnliches Beispiel liefert die Uni Potsdam. Dort wird seit 2008 der viersemestrige Masterstudiengang „Military Studies“ angeboten, der sich aus den Disziplinen Soziologie, Geschichts- und Politikwissenschaften zusammensetzt. Bezahlt werden die Lehrkräfte zum Teil von der Bundeswehr.
Forschungsprojekte wie diese scheinen eine neue Ebene der Einmischung von Militär an Hochschulen darzustellen. Hier geht es nicht um die Erforschung von neuen Technologien. Vielmehr geht es hier um die Legitimation von militärischen Handlungen. In Zeiten der zunehmenden Skepsis gegenüber diesen, scheint dies aus Sicht der Bundeswehr sinnvoll zu sein, um sich gesellschaftlichen Rückhalt zu schaffen.
Befürworter von Zivilklauseln sehen die Freiheit der Wissenschaft durch Drittmittel (insbesondere der für Rüstungsforschung) in Gefahr. Ist die Wissenschaft überhaupt frei, wenn nur nach dem geforscht wird, wofür Geldgeber zahlen? Frei nach dem Sprichwort „wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ lautet die Antwort: nein. Das bestätigt auch der Landesrechnungshof NRW, der 2011 feststellte, dass Stifter sehr häufig und umfangreich auf Forschung und Lehre der finanzierten Professuren Einfluss nehmen. In einer Pressemitteilung stellte der Landesrechnungshof fest: „Zu einer Beeinträchtigung der Wissenschaftsfreiheit durch unzulässige Einflussnahmen des Stifters darf es jedoch weder im Verfahren zur Besetzung der Stiftungsprofessur noch bei der Auswahl von Forschungsthemen oder bei Entscheidungen über Lehrangebote der Stiftungsprofessur kommen.“
Die Freiheit der Wissenschaft führen jedoch auch die GegnerInnen der Zivilklausel ins Feld. Sie sehen sich durch eine Verpflichtung, zu zivilen Zwecken zu forschen, eingeschränkt. In vielen Bereichen könne man den zivilen Nutzen nicht vom militärischen trennen. Beliebtes Beispiel: GPS. Ob damit nun eine Rakete auf ein Ziel oder ein Auto durch den Straßenverkehr gelenkt wird, die Technik bleibt die gleiche.
In der Tat liegt hier ein Knackpunkt einer starren Zivilklausel. Die Uni Göttingen versucht sich hier mit einem Kniff zu helfen. In dem entsprechenden Beschluss des Senats heißt es, die Forschungsprojekte seien mit der Zivilklausel nicht vereinbar, „wenn absehbar ist, dass die Ergebnisse militärisch verwendet werden sollen“. Ob diese Formulierung für den Einzelfall hilfreich oder doch zu schwammig ist, bleibt fraglich. Gleichzeitig verweist sie auf ein weiteres Problem: die nötige Transparenz.
Denn ebenso ungewiss wie die Höhe der Drittmittel für Rüstungsforschung ist, ob bestehende Zivilklauseln eingehalten werden. Beispiel Bremen: dort wurde im vergangenen Jahr bekannt, dass, trotz Zivilklausel, Militärforschung mit einem Volumen von 400.000 € betrieben wurde. Unter anderem kooperierte die Uni mit dem Raumfahrtunternehmen OHB-Technology. Erforscht werden sollte ein Datenübertragungssystem für das Bundesverteidigungsministerium. Doch mit dem Verstoß gegen die eigene Zivilklausel ist die Uni Bremen nicht alleine. Vergleichbare Fälle gibt es auch andernorts.
Mit der flächendeckenden Selbstverpflichtung von Hochschulen zu rein friedlichen Zwecken zu forschen wäre ein großer Schritt gemacht, um Rüstungsforschung zu verhindern. Wie der Fall aus Bremen jedoch zeigt, ist mit der Einführung einer Zivilklausel noch längst nicht alles geschafft. Gerade im Bereich der „dual use“-Forschung werden unterschiedliche Auslegungen nicht ausbleiben. Grund genug, diese Fragen dem öffentlichen Diskurs zugänglich zu machen, um verantwortungsbewusste Entscheidungen zu ermöglichen.
Solange die Beschaffung von Forschungsgeldern zum ureigensten Interesse der Hochschulen gehört, um sich im zunehmend ökonomisierten Bildungsbereich zu beweisen, ergeben sich zwei grundlegende Forderungen, um zivile Forschung zu garantieren. Zum einen ist die Einführung der Zivilklausel ein Instrument, gegen Rüstungsforschung vorzugehen. Zum anderen ist die Forderung nach Offenlegung der Verträge zwischen öffentlichen Hochschulen und Drittmittelgebern unumgänglich, damit Zivilklauseln in der wissenschaftlichen Praxis Anwendung finden können.