Mit neuen Ideen in die Öffentlichkeit

Kooperation für den Frieden startet Monitoring für Zivile Konfliktbearbeitung

von Kathrin Vogler

Um welchen Konflikt es auch geht, die Friedensbewegung hat Vorschläge zur Deeskalation, die es wert sind, öffentlich wahrgenommen und umgesetzt zu werden. Im Mittelpunkt der Strategiekonferenz am 21./22. Januar in Hannover stand eine neue Idee zur Diskussion, um Methoden der Zivilen Konfliktbearbeitung am Beispiel einzelner Konflikte jeweils aktuell und fundiert in die Öffentlichkeit zu bringen: Das Projekt „Monitoring für Kriegsprävention und Zivile Konfliktbearbeitung", das aus den Beratungen der letzten Strategiekonferenz hervorgegangen ist.

Bei der Eröffnung der Konferenz formulierte Susanne Grabenhorst als Ziel der Tagung, eine Strategie für die Verbreitung der Methoden der Zivilen Konfliktbearbeitung zu entwickeln. Mehr Menschen sollen die Möglichkeiten der Zivilen Konfliktbearbeitung kennen lernen, um militärische Mittel zu diskreditieren und zurückzudrängen. Im Hinblick auf die noch „zarte Pflanze" zivile Konfliktbearbeitung appellierte Ko-Sprecherin Renate Wanie: ,,Lasst 1001 ZKB-Pflänzchen gegen die Krankheit Krieg erblühen, um unsere Alternativkonzepte in die Weltöffentlichkeit zu bringen."

Die Politikwissenschaftlerin Hanne Margret Birckenbach beschrieb in einem erfrischend unprofessoralen Vortrag die aktuelle politische Situation in Deutschland und der Europäischen Union. Zwar spräche viel dafür, dass die Militarisierung voranschreitet - es könne aber auch anders kommen. Es sei immer ein Fehler der Friedensbewegung gewesen, sich auf ein Szenario festzulegen und weniger in Alternativen zu denken.

Als große politische Gefahr beschrieb sie den Glauben, dass man Frieden herstellen kann, wenn man nur stark genug ist. So kritisierte sie die allseitigen Forderungen nach „Druck" auf den Iran im Atomstreit. Aktuell gäbe es weder eine Möglichkeit, das Auseinanderbröckeln des Atomwaffensperrvertrags zu verhindern noch eine diplomatische Initiative, die geeignet wäre, den Iran auf einen andern Kurs zu bringen. Dass die Geduld zu Ende sei, dürfe ein Außenminister vielleicht denken, aber nicht sagen. Begriffe wie ,,Zivilmacht" tragen zur Verwirrung des Denkens und Legitimierung der Remilitarisierung bei.

In der Auseinandersetzung um den Irakkrieg sei es der Friedensbewegung nicht gelungen, die Bundesregierung über die reine Ablehnung hinaus initiativ werden zu lassen, stattdessen sah sie sich mit einer beispiellosen antipazifistischen Kampagne konfrontiert. Nun könne niemand erwarten, dass die neue Regierung die Entwicklung umkehrt. Im Gegenteil: Die Feuertaufe für eine Frau an der Macht sei, ob sie gewaltfähig ist. Und Birckenbach hat keinen Zweifel, dass Bundeskanzlerin Merkel dann, wenn sie in eine Nagelprobe geführt wird, ihre Gewaltfähigkeit unter Beweis stellen wird, da das gesamte politische Umfeld sie dahin treibe. Der Koalitionsvertrag bedeute „Kontinuität plus". Dank des „bleiernen Konsenses" war der Teil Außen- und Sicherheitspolitik der unstrittigste.

Reinhard Voß, Generalsekretär von Pax Christi, erinnerte anschließend in seinem Vortrag über Möglichkeiten und Grenzen der Zivilen Konfliktbearbeitung an die Geschichte zivilen Eingreifens seit den 9Oer Jahren. Bei der ZKB gehe es immer darum, produktive Kräfte freizusetzen und Gewalt nachhaltig zu verhindern. Die Zuschreibung der Verantwortung für Krieg und Frieden an Politik bzw. Staaten und die Fixierung auf militärische Konzepte konnten damit überwunden werden. Die Rolle der Nichtregierungsorganisationen in diesem Bereich wurde in den letzten Jahren immer stärker, Voß schlug einen Bogen von Boutros-Ghalis Agenda für den Frieden über die Dekaden der Kirchen bis zum Zentrum für Internationale Friedenseinsätze und dem Aktionsplan zivile Krisenprävention. Politiker und Militärs instrumentalisierten und okkupierten zwar Begriffe und Methoden für ihre Zwecke, aber diese Auseinandersetzung sei noch nicht entschieden. Die Anerkennung nichtmilitärischer Bedrohungen bedeutet nicht unbedingt, dass diese Bedrohungen dann auch nichtmilitärisch angegangen werden. Stattdessen entwickle sich eine zivilmilitärische Zusammenarbeit. Der erweiterte Sicherheitsbegriff aus den Basisbewegungen der 8Oer wird inzwischen für die Begründung und Legitimierung weiterer Militäreinsätze genutzt. Die Kooperation für den Frieden hat deswegen den erweiterten Sicherheitsbegriff abgelehnt. Voß kritisierte, dass die große Koalition fast alle Politikfelder unter einen Sicherheitsvorbehalt stelle. Als ein zentrales Problemfeld beleuchtete er die Versuche politischer Vereinnahmung und Instrumentalisierung von ZKB. Doch gäbe es hier auch mögliche Bündnispartner für die Friedensbewegung, wie die entwicklungspolitische Dachorganisation VENRO, das Forum Krisenprävention (UNCOPAC), das Forum Menschenrechte oder die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung.

Angesichts der Zwänge zur Kooperation, der MitarbeiterInnen vor Ort ausgesetzt sind, empfiehlt Reinhard Voß die Entwicklung von Kriterien zur Zusammenarbeit, hier habe zum Beispiel jüngst das ForumZFD geklärt, dass Soldaten bewaffneter Einheiten für Friedensfachkräfte im Einsatz Gegenüber im Dialog seien und nicht Partner.

Auch die Zivile Konfliktbearbeitung habe ihre Grenzen, sie sei kein Konzept für die Herbeiführung eines Weltfriedens, aber die wirksamste Maßnahme zur Gewaltprävention.

Als dritter Referent stellte Andreas Buro vom Komitee für Grundrechte und Demokratie das konkrete Projekt „Monitoring" und seine 'Entstehungsgeschichte vor.

Er ging davon aus, dass wir Militär auf lange Zeit haben werden und vielleicht keiner von uns erlebt, wie es abgeschafft wird. Daraus ergebe sich die Aufgabenstellung, Zivile Konfliktbearbeitung auszudehnen auf Kosten des Militärs. Das heißt, sich nicht nur auf zivil" gesellschaftliche Projekte zu beschränken, sondern auch auf die Politik einzuwirken. Monitoring werde in diesem Projekt im Sinne von „mahnen" verwendet, es wolle mahnen zur Zivilen Konfliktbearbeitung und Kriegsprävention. Ziel sei es, die Alternativen der Friedensbewegung in der Öffentlichkeit darzustellen und an konkreten Situationen eigene Vorschläge auszuarbeiten. Damit solle aufzeigt werden, dass es humane Alternativen gibt, dass sie realistisch sind, kaum genutzt werden und dass unverhältnismäßig viel für den militärischen Bereich aufgewendet wird. In Dossiers soll auf gefährliche Entwicklungen hingewiesen und in Kooperation mit möglichst vielen Handlungsoptionen entwickelt werden. Auch will Andreas Buro damit die Sensibilität in den Medien für die Dramatik ziviler Konfliktbearbeitung stärken.

Keinesfalls solle das Projekt zu einer Doppelung von Strukturen führen. Deswegen seien Austausch und Kooperationen mit anderen geplant.

Als nächsten Schritt soll eine BürgerInnen-Information über die Idee des Projekts entstehen, die über die Mitwirkenden der Kooperation in großer Auflage verbreitet wird. Der folgende Schritt ist die Erstellung von Dossiers zu ausgewählten Konflikten, die anschließend in drei parallelen Arbeitsgruppen vordiskutiert wurden.

Mit den Konfliktherden „Israel/ Palästina", ,,Iran" und „Türkei/Kurdistan" beschäftigten sich anschließend die genannten Arbeitsgruppen unter der Fragestellung, wie das Monitoring-Konzept auf den jeweiligen Konflikt angewendet werden und wie es ggf. angepasst werden könnte. Im Abschlussplenum verständigten sich die TeilnehmerInnen darauf, zunächst wegen seiner Aktualität den Konflikt um den Iran als Pilotprojekt anzugehen. Noch vor einem möglichen Dossier sollte auch ein kurzer Appell an die Regierungen der EU veröffentlicht werden, den Konflikt zu deeskalieren und für eine gewaltfreie Lösung einzutreten.

Abschließend stellte Otmar Steinbicker (Aachener Friedenspreis e.V.) eine ernüchternde Bilanz der Medienwirksamkeit der meisten Friedensgruppen vor und empfahl als Ausweg daraus eine bessere Zusammenarbeit und eine Professionalisierung der Pressearbeit, zum Beispiel in Form eines Friedenspressedienstes. Diese Idee, die bei vielen Teilnehmerinnen auf positive Resonanz stieß, könnte ein nächstes Projekt der Kooperation für den Frieden werden.

 

 

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