Rüstungsproduktion

Landgericht München stärkt Recht auf Whistleblowing

von Hermann Theisen
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Das Landgericht München hat Mitte Januar 2019 ein wegweisendes Urteil in Sachen Whistleblowing getroffen und einen Friedensaktivisten vom Vorwurf der Aufforderung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen freigesprochen. Damit hat zum ersten Mal ein deutsches Strafgericht einen Freispruch ausdrücklich mit der EU-Richtlinie zum Whistleblowing begründet, die das Bundesjustizministerium bereits bis Sommer 2018 hätte umsetzen müssen.

Der Friedensaktivist hatte im Mai 2018 bei dem Rüstungsproduzenten Krauss-Maffei Wegmann (KMW) in München Flugblätter an die Beschäftigten verteilt und sie darin aufgefordert, die Öffentlichkeit über die Hintergründe der in Teilen illegalen Exportpraxis ihres Arbeitgebers zu informieren, worauf der KMW-Justitiar Markus Zimmermann eine Strafanzeige wegen des Verdachts einer Aufforderung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gegen ihn erstattet hat. Das Amtsgericht München verurteilte daraufhin wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB, § 17 UWG) zu einer Geldstrafe in Höhe von 2.750 Euro, worüber nun das Landgericht München in der Berufungsinstanz zu entscheiden hatte. KMW steht bereits seit mehreren Jahren wegen seiner expansiven Exportpolitik in der Kritik von Friedensorganisationen. Zudem führt die Staatsanwaltschaft München ein Strafverfahren gegen einen ehemaligen KMW-Manager wegen Schmiergeldzahlungen bei einem Rüstungsgeschäft mit Griechenland.

Die Vorsitzende Richterin ließ bereits zu Beginn der Berufungsverhandlung erkennen, dass sie den Strafvorwurf einer Öffentlichen Aufforderung zu Straftaten nicht mittragen werde, da sie eine Strafbarkeit der Flugblätter nicht erkennen könne. Dabei bezog sie sich explizit auf die EU-Richtlinie zum Whistleblowing, wonach es nicht strafbar ist, illegale Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu veröffentlichen, wenn dies aus altruistischen Motiven heraus erfolgt. Auf diesem Hintergrund und auch aus Gründen der Meinungsfreiheit sei „Whistleblowing nicht strafbar“. Der Staatsanwalt plädierte ebenfalls auf Freispruch, nachdem er noch in seiner Berufungsbegründung zunächst eine höhere Strafe beantragt hatte, da die vom Amtsgericht München verhängte Geldstrafe „dem Unrechtsgehalt der vom Angeklagten begangenen Straftat nicht gerecht“ geworden sei. Seine Kehrtwende erklärte er damit, dass sich inzwischen auch die Staatsanwaltschaft München eingehend mit der neuen Rechtsprechung zum Whistleblowing beschäftigt habe und somit der gegen den Friedensaktivisten erhobene Strafvorwurf nicht mehr aufrechterhalten werden könne.

Der rechtskräftige Freispruch des Landgerichts München dürfte nun eine Signalwirkung auf weitere anhängige Strafverfahren wegen vergleichbarer Aufrufe zum Whistleblowing haben. So verurteilte das Amtsgericht Celle im November 2018 den Friedensaktivisten wegen eines RHEINMETALL-Aufrufs zum Whistleblowing zu einer Geldstrafe in Höhe 1.800 Euro. Auch hier ging es um die Frage, ob es strafbar ist, die Beschäftigten von Rheinmetall aufzufordern, die Öffentlichkeit über die Hintergründe der in Teilen illegalen Exportpraxis ihres Arbeitgebers zu informieren. Auch RHEINMETALL steht aufgrund seiner expansiven Rüstungsexporte, die im großen Stil über Tochterfirmen im Ausland abgewickelt werden, in der Kritik, da der größte deutsche Rüstungsproduzent damit hemmungslos die deutschen Ausfuhrbestimmungen für Waffenexporte umgeht. Und das Amtsgericht Cloppenburg verurteilte im Dezember 2018 wegen eines VET-PHARMA-Aufrufs zum Whistleblowing zu einer Geldstrafe in Höhe von 750 Euro. Das Friesoyther Pharmaunternehmen steht in Verdacht, Medikamente in die USA exportiert zu haben, die der EU-Folterkonvention unterliegen, da sie auch zur Hinrichtung von Häftlingen in US-Gefängnissen eingesetzt werden können. Deswegen führte die Staatsanwaltschaft Oldenburg eine Hausdurchsuchung bei dem Pharma-Unternehmen durch, was sie nicht davon abhielt, parallel hierzu ein Strafverfahren gegen den Friedensaktivisten einzuleiten. Das Hauptzollamt Bremerhaven, das im Auftrag der Staatsanwaltschaft Oldenburg die weiteren strafrechtlichen Ermittlungen gegen VET PHARMA übernommen hat, ging sogar soweit, den Friedensaktivisten um Unterstützung für den Fall zu bitten, dass sein Aufruf zum Whistleblowing erfolgreich sein sollte, was die Taz mit der Schlagzeile „Friedensaktivist soll petzen“ auf den Punkt gebracht hat. Parallel zu diesen Strafverfahren sind vor den Verwaltungsgerichten München, Lüneburg und Oldenburg zudem Verfahren wegen Flugblattverteilverboten anhängig. Die Gerichtsverfahren werden dazu dienen, den überfälligen Prozess einer Implementierung der EU-Richtlinie zum Whistleblowing in die deutsche Rechtsprechung voranzubringen. Damit Whistleblowing in Deutschland nun endlich legalisiert wird!

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