Rekrutierung von Minderjährigen durch die Bundeswehr

Neue Kampagne „Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“ stellt sich vor

von Sarah GräberPhilipp Ingenleuf

Die Werbung und Ausbildung von Minderjährigen als SoldatInnen widersprechen den Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention. Deutschland gehört zu den wenigen Vertragsstaaten, die von einer Ausnahmeregelung Gebrauch machen und minderjährige Freiwillige als SoldatInnen für die Streitkräfte anwerben. Und zwar seit dem Aussetzen der Wehrpflicht immer mehr: Im Jahr 2011 waren es noch unter 700 Minderjährige, 2017 schon 2.126.

Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes ist deshalb besorgt und hat Deutschland wiederholt empfohlen, das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre zu erhöhen, ebenso die Kinderkommission des Bundestages. Denn Deutschland schwächt den internationalen 18-Jahre-Rekrutierungsstandard. Damit der 18-Jahre-Standard zukünftig für die Bundeswehr gilt und das Thema mehr Aufmerksamkeit bekommt, wurde die Kampagne „Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“ ins Leben gerufen.

Was sind die Ziele und Forderungen der Kampagne?
Die Kampagne verfolgt zwei Ziele. Das erste ist selbstverständlich die Anhebung des Rekrutierungsalters für den Militärdienst auf 18 Jahre. Gründe dafür gibt es viele.

So zeigen zum Beispiel Untersuchungen der britischen Armee, dass unter minderjährigen RekrutInnen die Fälle von psychischen Traumata, Mobbing, Selbstverletzung, Alkoholismus und Selbstmord deutlich höher sind als bei erwachsenen SoldatInnen und als bei gleichaltrigen ZivilistInnen. Zudem werden die vom Jugendarbeitsschutzgesetz vorgegebenen Wochenarbeitsstunden bei der Bundeswehr nicht eingehalten.

Nicht zu vergessen ist auch, wie wenig glaubwürdig es wirkt, wenn Deutschland sich dafür einsetzt, dass Länder wie Somalia oder Afghanistan keine unter 18-Jährigen mehr in ihre Armeen aufnehmen, solange die Bundeswehr das selbst tut. Würde auch Deutschland sich an den 18-Jahre-Standard halten, würde dies Deutschlands Bemühungen auf internationaler Ebene im Kampf gegen die Praxis von Kindersoldaten mehr Gewicht und Glaubwürdigkeit verleihen.

Des Weiteren fordert die Kampagne ein Verbot jeglicher Bundeswehrwerbung bei Minderjährigen, die seit dem Ende der Wehrpflicht stark zugenommen hat. Denn militärische Werbung bei Minderjährigen widerspricht den Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention.
Ein Grund dafür, dass die Anzahl Minderjähriger in der Bundeswehr so stark zugenommen hat, liegt in der irreführenden und teilweise aggressiven Werbung der Bundeswehr in Schulen, bei Abenteuer- und Sportevents, bei Ausstellungen und Messen, Vorträgen in Jobcentern, Arbeitsagenturen und Berufsinformationszentren sowie über Soziale Medien. Hauptzielgruppe sind Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren. Wie groß die Reichweite ist, kann man abschätzen, wenn man weiß, dass der Bundeswehr knapp 35 Millionen Euro im Jahr für Nachwuchswerbung zur Verfügung stehen.

Welchen Ansatz verfolgt die Kampagne und welche Strukturen gibt es?
Die Kampagne startete im März 2019 und wird bis zum Ende des Jahres erste Aktivitäten durchführen. Dazu gehören u.a. erste Lobbygespräche in Berlin, um die Kampagne vorzustellen und UnterstützerInnen in der Politik für unser Anliegen zu finden. Darüber hinaus sammelt die Kampagne weiter Unterschriften für den Brief an die Verteidigungsministerin mit der Forderung nach Erhöhung des Mindestalters. Die Unterschriftenaktion, die bereits 2016 startete und aus der sich die Kampagne entwickelte, wurde bereits von über 30.000 Personen unterzeichnet.

In den kommenden Wochen und Monaten wird die Kampagne weitere Aktivitäten planen. Ziel ist es, die Forderungen der Kampagne in die Wahlprogramme zur nächsten Bundestagswahl (voraussichtlich September 2021) zu bringen und letztendlich in den Koalitionsvertrag der neuen Regierung.

Breites Bündnis trägt Kampagne – weitere Unterstützung benötigt
Getragen wird die Kampagne von einem breiten Bündnis. Neben Organisationen aus der Friedensbewegung, zu denen u.a. die DFG-VK, IPPNW, Netzwerk Friedenskooperative, pax christi und Ohne Rüstung Leben gehören, zählen auch terre des hommes, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) (mit dem Bundesverband und vielen Landesverbänden) sowie das Zentrum Oekumene der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau zu den Unterstützern. Die Kampagne sucht weitere Unterstützer und freut sich über jede Gruppe oder Organisation, die Interesse hat, die Kampagne und ihre Forderungen zu unterstützen.

Wo sind Infos zu finden?
Du willst die Unterschriftenaktion unterschreiben? Material bestellen? Oder mit Deiner Gruppe oder Organisation Mitglied im Trägerkreis werden? Dann schau‘ doch mal auf der Kampagnenwebseite www.unter18nie.de vorbei. Ebenso ist die Kampagne aktiv bei Facebook, Twitter und Instagram.

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Sarah Gräber ist Campaignerin der Kampagne "Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr".
Geschäftsführer und Kampagnenkoordinator beim Netzwerk Friedenskooperative sowie Co-Sprecher der Kooperation für den Frieden.