Schritt eins zum Stopp des Waffenhandels ist ein Gesetz zur Beschränkung des Rüstungsexports

Schließen wir die Hintertür!

Bundesregierung um Bundesregierung haben über die Jahrzehnte schamlos die Rüstungsindustrie gefördert. Es scheint, als stünden wir in unserem Engagement für einen Stopp des Waffenhandels einer Allparteien-Koalition der Rüstungsexporteure gegenüber, bestehend aus den Parteien, die je Regierungspartei waren. Deutschland hat sich den grausamen Ruhm als weltweit drittgrößter Waffenexporteur und Europameister im Rüstungsexport erworben. Der Verteidigungsminister sichert der Rüstungsindustrie Ausgleich für die aus der Bundeswehrreform resultierenden Beschaffungsreduktionen zu. Kanzlerin Angela Merkel betätigt sich in Angola als Handlungsreisende in Sachen Militärschiffbau.

Die Revolten für demokratische und soziale Rechte im arabischen Raum und Nordafrika sind ein Aufschrei, der uns erreicht und aktiviert hat. Uns, die wir uns als BürgerInnen der Demokratien Europas nicht gänzlich  von der Verantwortung frei machen können für die Kumpanei unserer  Regierungen mit den Diktatoren und deren Aufrüstung auf Kosten der dortigen Bevölkerungen.

Aktion Aufschrei
Deshalb betreibt ein Bündnis aus der Friedensbewegung, der Entwicklungsarbeit und der Kirchen seit Mai 2011 die Kampagne "Aktion Aufschrei  - Stoppt den Waffenhandel! Den Opfern Stimme - Den Tätern Name und Gesicht" und stattet nach fast dreißig Jahren den Kampf gegen Rüstungsexporte wieder mit der erforderlichen Lautstärke aus. 16 Organisationen von ausgesprochen unterschiedlicher gesellschaftlicher Verortung bilden einen Trägerkreis, der sich zum Ziel gesetzt hat, eine politische Umkehr zu erreichen. Ein stetig wachsendes Aktionsbündnis mit bereits über 40 Dachverbänden, Diözesanräten, Organisationen und lokalen Initiativen hat sich gebildet. Mich beeindruckt an den Aktivitäten, die sich in diesem Rahmen entfalten, weniger die durchaus beachtliche Kreativität und politische Klugheit - das sind Qualitäten, die die Friedensbewegung von jeher auszeichnen. Was  mich in diesem Bündnis besonders begeistert, ist die Quantität. Bundesweit ergreifen zahlreiche Gruppen die Initiative und setzen deutliche Zeichen. Vor Rüstungsmessen wie der Airtec in Frankfurt, vor Werkstoren wie vor Rheinmetall in Düsseldorf, durch Gespräche mit den Abgeordneten ihres Wahlkreises, Gottesdienste für die Opfer deutscher Waffenexporte oder mit Videos für Straßentheateraktionen, Informationsveranstaltungen mit Opfer-ZeugInnen und vieles mehr. Was viele Aktive vor Ort schon im ersten Schwung der Kampagne auf die Beine gestellt haben, schafft genau die Basis, die wir brauchen, um den Bundestagswahlkampf 2013 zu einem zivilgesellschaftlichen Aufschrei gegen jede Partei zu machen, die sich konkreter Schritte zum Stopp des Waffenhandels verschließt.

Keine Frage, die Lobbyarbeit der Rüstungsindustrie war in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreicher als die der Friedensbewegung. Der Rückblick auf die öffentlichen Diskussionen der letzten Monate und auf die Debatten im Deutschen Bundestag anlässlich der angebahnten Leopard II Lieferung nach Saudi-Arabien ermutigen mich, auf den künftigen Erfolg unseres gebündelten Aktionspotentials zu setzen. Mein Selbstverständnis ist nicht das von David gegen Goliath. Diese Kampagne bündelt den politischen Willen von über 70 Prozent der Bevölkerung, die nicht wollen, dass die deutsche Industrie mit ihren Exporten weltweit die bewaffnete Austragung von Konflikten flankiert.  

Öffentlichkeit schaffen gegen Geheimgeschäfte mit dem Tod
Mit dem Bundessicherheitsrat als geheim tagendem Gremium ist es gelungen, das Geschäft mit dem Tod der demokratischen Kontrolle zu entziehen. In dieser exklusiven MinisterInnenrunde um Kanzler oder Kanzlerin herum ist es gelungen, Entscheidungen zu treffen, die einer Debatte in der Öffentlichkeit niemals standgehalten hätten. Was nicht begründet werden muss, hat leichtes Spiel. Da schadete es auch nicht, wenn einer in der Runde mal mit einer Enthaltung oder Nein-Stimme ausscherte. Dieses einem Rechtsstaat unwürdige Verfahren zu beenden, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Stopp des Waffenhandels. Die Klarstellung in Artikel 26, Absatz 2 des Grundgesetzes, die die Kampagne fordert, soll die Hintertür der Straffreiheit schließen.  Denn straffrei bleiben hierzulande jene, die geheim im Bundessicherheitsrat - oder weitgehend unbeachtet in den ihm vorgelagerten Behörden - das Rüstungsgeschäft mit dem Tod betreiben und dabei wissentlich Menschenrechte mit Füßen treten und hintan stellen, hinter fragwürdigste Interessen von behaupteter nationaler Bedeutung.

Dagegen können wir Verbündete in allen Parteien finden, um die Kampagnenziele zu erreichen. Dabei geht es darum, konkrete Schritte für den Stopp des Rüstungsexports in allen Bundestagswahlprogrammen der Parteien zu verankern. Es soll keine Koalitionsverhandlungen geben können, ohne dass mindestens eine der beteiligten Parteien eine gesetzliche Regelung fordert - unser Arbeitstitel dabei heißt "Rüstungsexportgesetz". Dafür können wir Verbündete in allen Parteien finden, und genau das steht in den kommenden Monaten an.

Wie ein solches Rüstungsexportgesetz beschaffen sein muss, gehört selbstverständlich zu den wichtigen Fragen, die uns beschäftigen. Pax christi hat dazu Mindestanforderungen formuliert, die es untereinander und mit der Politik zu diskutieren lohnt.

Im Beschluss der pax christi-Delegiertenversammlung vom Oktober 2011 heißt es: „Auf dem Weg zu einer vollständigen Beendigung von Rüstungsexporten aus Deutschland und Europa stellt pax christi als ersten Schritt folgende Mindestanforderungen an ein künftiges Gesetz zur Beschränkung von Rüstungsexporten.

Unter Rüstungsexporten verstehen wir im Folgenden: Kriegswaffen, Kriegswaffenkomponenten und sonstige Rüstungsgüter, Dual-Use-Güter, militärische Dienstleistungen.

  • Rüstungsexporte sind grundsätzlich nicht erlaubt.
  • Ausnahmegenehmigungen können nur im Rahmen höherrangigen EU-Rechts und völkerrechtlich-verbindlicher Verträge erteilt werden.
  • Ausnahmegenehmigungen müssen begründet und veröffentlicht werden und bedürfen der vorherigen Zustimmung des Parlamentes mit Zwei-Drittel-Mehrheit.
  • Rüstungsexporte außerhalb der EU und der Nato sind zu verbieten.
  • Der Endverbleib dieser Exportgüter in der EU und der NATO muss garantiert werden, ein Verstoß dagegen ist unter Strafe zu stellen.
  • Rüstungsexporte in EU- und NATO-Staaten, bei denen hinreichender Verdacht besteht, dass Menschenrechte verletzt oder die Waffen zur inneren Repression eingesetzt werden, sind zu untersagen.
  • Für Rüstungsexporte dürfen keine staatlichen Rückversicherungen (Hermesbürgschaften) erteilt werden.
  • Eine Lizenzvergabe für Waffen und Rüstungsgüter erfolgt nicht.“

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