Der Kampf gegen das KSK in Calw

Stoppt die Kriegselite!

Seit seiner Gründung vor fünfzehn Jahren operiert das Calwer Kommando Spezialkräfte (KSK) in einer rechtlichen Grauzone. Es existieren wenige zuverlässige öffentlich zugängliche Informationen über seine tatsächlichen Aufgaben und Einsätze. Erst die Vorwürfe des langjährigen Guantanamo-Gefangenen Murat Kurnaz, in Afghanistan von KSK-Soldaten misshandelt worden zu sein, machten der totalen Geheimhaltungspolitik der deutschen Regierung bezüglich dieser Spezialtruppe ein Ende. Trotz der Geheimniskrämerei um die Einsätze der Elitetruppe gab es von Anfang an massive Kritik von Seiten regional und überregional organisierter Friedensgruppen. Bereits ein Jahr nach Gründung des KSK versammelten sich 5.000 Friedensbewegte vor der Graf-Zeppelin-Kaserne. Warum gerade diese Bundeswehreinheit im Zentrum der Kritik steht und warum die Forderung nach Auflösung des KSK die konsequente Schlussfolgerung aus dieser Kritik ist, soll im Folgenden erläutert werden.

Dreckige Kriegsführung
Die „Speerspitze“ des Umbaus der Bundeswehr zur Einsatzarmee bilden die Kommandotrupps des KSK. Die ersten Einsätze des KSK, das seit 1997 als „einsatzbereit“ gilt, fanden 1998 in Bosnien und Herzegowina statt, seitdem waren sie zu Einsatz- oder Übungszwecken in unterschiedlichsten Regionen der Welt aktiv. Im Kongo, am Horn von Afrika, in Lateinamerika, aber vor allem in Afghanistan.

Die Einsätze des KSK bauen im Kern auf vierköpfigen Kommandotrupps auf, in denen jeweils Pionier-, Waffen-, Sanitäts- und Fernmeldespezialisten zusammenarbeiten. Das „Eindringen“ in feindliches Territorium ist fester Bestandteil des Berufsbildes eines Kommandosoldaten, z.B. durch Fallschirmsprung, über Gebirge oder über diverse maritime Techniken, wie das Tauchen in feindlichen Häfen oder das Anlanden mit Schnellbooten. Zur Ausbildung der Kommandosoldaten gehört „unconventional warfare“. Die Bundeswehr agiert in Afghanistan in einem Umfeld, in dem sie meist keinem klar militärisch organisierten und sichtbaren Gegner gegenübersteht. Es ist oft völlig unkalkulierbar, wann eine friedliche Situation zur Kampfhandlung eskaliert. Mit Kommandosoldaten haben Armeen ein Instrument, mit dem sie ebenso „unkonventionell“ und überraschend agieren und somit eine strukturelle Antwort auf asymmetrische Bedrohungslagen geben zu können. „Unconventional warfare“ beinhaltet deswegen vieles, was man umgangssprachlich als „dreckige Kriegsführung“ bezeichnen könnte. Zur Ausbildung gehört das gezielte Üben des Tötens. Dazu ist es nötig, die Hemmschwelle für Gewalt abzusenken.

Zur Ausbildung gehört auch die Vorbereitung auf die Situation, dass Kommandosoldaten in die Hände feindlicher Kräfte fallen. Die Soldaten lernen dafür auch „resistance to interrogation“, das bedeutet, sie lernen Techniken des Widerstandes gegen Befragung (Uli Rauss: Die Profis. Stern.de). Es ist nicht viel Phantasie nötig, um sich vorzustellen, dass solche Soldaten, die gelernt haben, selbst Verhörprofis auszutricksen, kein größeres Problem dabei hätten, einen Untersuchungsausschuss des Bundestages Dinge zu verschweigen, zu denen sie keine Aussage machen wollen – oder dürfen. Der im Fall Kurnaz ermittelnde Tübinger Oberstaatsanwalt Walter Vollmer klagte: "Es bleibt für mich das Gefühl, dass die Aussagen abgestimmt waren.“(ebda) Vergleichbare Probleme gab es auch beim Kunduz - Untersuchungsausschuss.

Jeder Zivilist ist ein potentieller Gegner
Laut Auskunft der Homepage der Bundeswehr („Der Auftrag des KSK“, www.bundeswehr.de) werden die Elitesoldaten des KSK auf folgende Einsatzszenarien vorbereitet, von denen viele bedeutsam sind für den derzeitigen KSK-Einsatz im Norden Afghanistans:

Das KSK hat die Aufgabe, im Hinterland von Bundeswehrstandorten im Ausland „offensiven Kampf gegen subversive Kräfte“ zu führen. Mindestens ebenso wichtig ist die Fähigkeit zum  „Retten und Befreien“. Im konkreten Fall ist damit vor allem gemeint: „Aufspüren, Befreien und Rückführen deutscher Soldaten, die bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr in Gefangenschaft oder Geiselsituationen geraten sind“.

Noch wichtiger ist die Aufgabe der „Spezialaufklärung“ für das KSK. Es geht dabei darum, „Schlüsselinformationen“ zu beschaffen und so die „Informationsüberlegenheit“ der Bundeswehr herzustellen. Hinter feindlichen Linien (in Afghanistan alles außerhalb der eigenen Kasernen) wird erkundet, wo welche feindliche Kräfte versammelt sind und wo sie ihre Führungssysteme haben. Ein „Führungssystem“ kann in der Praxis auch ein Gästehaus sein. Ziel ist das Erkennen und „Ausschalten“ von Knotenpunkten von Personenbewegungen, es können aber auch technische Knotenpunkte wie Funkstationen sein. Selbstverständlich geht es den Kommandosoldaten auch um die Bekämpfung von „militärischen Zielen in der Tiefe des gegnerischen Raumes“.

Die Koordinaten von Zielen, die das KSK mit seinen eigenen Mitteln nicht bekämpfen kann, werden anderen Teilen der Bundeswehr oder befreundeten Streitkräften übermittelt. Das KSK ist dann zuständig für die „Lenkung weitreichenden Feuers, dabei auch die Lenkung von Kampfflugzeugen“.

Wenn ein Kommandosoldat „in der Tiefe des feindlichen Raumes“ unterwegs ist, um etwa herauszufinden, wo sich Aufständische regelmäßig treffen, dann kann er nie wissen, ob er einen einfachen Hirten getroffen hat oder ob es sich um jemanden handelt, der zum organisierten Widerstand gehört. Aber selbst wenn es „nur“ ein Hirte ist, wird dieser wahrscheinlich zu einem späteren Zeitpunkt anderen Personen begegnen und diesen von seinem Zusammentreffen mit den feindlichen Soldaten erzählen. Jeder Zivilist ist also ein potentieller Gegner. Potentielle Gegner werden nicht in jedem Fall eliminiert, Kommandosoldaten beschließen durchaus immer wieder, ihre potentiellen Gegner nach einem sog. „soft compromise“ (die vermutete Entdeckung durch gegnerische Kräfte) nicht zu eliminieren, sondern die Aktion abzubrechen. So gibt es Berichte, dass im Jahr 2002 KSK-Soldaten bei der Operation Anaconda von einem Hirten entdeckt worden waren und daraufhin ihren Einsatz abbrachen. Die verbündeten Streitkräfte reagierten mit massiver Kritik auf dieses Verhalten und forderten die „Neutralisierung“ (d.h. Erschießung) der Zivilisten, um die Operation nicht zu gefährden (Rauss a.a.O.). Weitere Klagen über „zu zögerliches“ deutsches Verhalten wurden seitdem nicht bekannt.

Während eines Einsatzes hinter feindlichen Linien stehen die Soldaten regelmäßig im Zwiespalt zwischen erfolgreicher Durchführung ihrer Operation oder moralischen sowie völkerrechtlichen und strafrechtlichen Erwägungen. Jenseits der Frage nach individueller Schuld und Verantwortung stellt es ein gravierendes Problem dar, wenn Soldaten  –  politisch gewollt –  wiederholt vor solche Entscheidungssituationen gestellt werden.

Grauzonen und Braunzonen
Waffenfetischismus und Elitebewusstsein sind nur ein Teil dessen, was das KSK als „Problemzone“ auszeichnet. Es gibt zusätzlich eine Grauzone zu den Nachrichtendiensten. Der Arbeitsalltag der Elite-Einheit im Auslandseinsatz hat viel mit Aufklärung und Informationsbeschaffung zu tun. Ähnliche Aufgaben haben auch die Nachrichtendienste. Bereits im Jahr 2002 arbeitete etwa das KSK in Kandahar eng mit dem Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr zusammen. Dieses wiederum teilte sich die Räumlichkeiten mit den BND-Repräsentanten. Von einer Trennung zwischen Armee und Geheimdiensten kann bei den meisten KSK-Einsätzen wohl definitiv nicht die Rede sein. Zwischenzeitlich ist die Kooperation zwischen Geheimdiensten und Bundeswehr in Afghanistan in der Task Force 47 fest institutionalisiert. Diese Task Force 47 war das Entscheidungsgremium, das zusammen mit Oberst Klein den Einsatzbefehl gegen zwei Tanklastzüge vorbereitete.

Die Parole der Kommandosoldaten lautet „Klagt nicht, kämpft!“. Diese Haltung als entschlossene und zähe Kämpfer ist ein wichtiger Teil der Identität der KSK-Soldaten. Zu den Traditionslinien des KSK gehören die „Brandenburger“, eine Sondereinheit innerhalb der Wehrmacht während des zweiten Weltkrieges. Die „Brandenburger“ waren während des zweiten Weltkrieges unter anderem auch in Afghanistan aktiv. Das Aufgabenprofil der „Brandenburger“ damals und des KSK heute ist zwar nicht vergleichbar, dennoch waren auch die „Brandenburger“ „in der Tiefe des feindlichen Raumes“ aktiv. Es ging damals darum, sowohl Stellungen des Gegners auszuspähen als auch Operationen gegen diesen anzustoßen, was damals vor allem gegen die britische Präsenz in der Region gerichtet war. Ehemalige KSK-Angehörige berichteten mir, dass die Aktionen der „Brandenburger“ kriegsgeschichtlich aufgearbeitet wurden, um aus deren Erfolgen und Niederlagen Schlussfolgerungen für eigene Taktiken ziehen zu können. Das spezielle Traditionsbewusstsein mancher KSK-Soldaten führte gelegentlich auch zu offenen Skandalen. So brachten KSK-Soldaten während der Vorbereitung auf den Afghanistaneinsatz in Masirah im Oman auf einem Jeep Rommels Afrikapalme an. Dabei wurde lediglich das Hakenkreuz durch das Bundeswehremblem ersetzt.

Von 2000 bis 2003 war Reinhard Günzel Kommandeur des KSK. Er wurde Ende 2003 entlassen, da er einen Brief zur Unterstützung des CDU-Abgeordneten Hohmann verfasst hatte, der in einer Rede „die Juden“ als „Tätervolk“ bezeichnet hatte. Anfang 2007 veröffentlichte Günzel das Buch „Geheime Krieger“ gemeinsam mit dem GSG-9-Gründer Ulrich Wegener und dem ehemaligen Wehrmachtsoffizier – und früheren Kommandeur der „Brandenburger“ - Wilhelm Walther. In diesem Buch erläutert Günzel: „Die Kommandosoldaten wissen genau, wo ihre Wurzeln liegen“, um dann fortzufahren: „Die Einsätze der ‚Brandenburger‘ (…) gelten der Truppe geradezu als legendär“. Und weiter präzisiert Günzel sein KSK-Berufsbild: „Das Selbstverständnis der deutschen Kommandotruppen hat sich seit dem zweiten Weltkrieg nicht geändert.“

KSK auflösen!
Allein die mangelhafte Kontrollmöglichkeit, die selbst Untersuchungsausschüsse des Bundestages dieser Truppe gegenüber haben, wäre ein ausreichender Grund, die Abschaffung des KSK zu fordern. Dazu kommt, dass die Einsatzrealität des KSK hinter feindlichen Linien nahezu automatisch die Zivilbevölkerung zum Gegner macht. Kommandoaktionen tragen häufig zur Eskalation von Situationen bei; die Eigendynamik bei riskanten Unternehmen kann leicht unkontrollierbare Folgen haben. Das Elitebewusstsein dieser Truppe leistet antidemokratischen Tendenzen Vorschub, und zu einer friedlichen und zivilen Entwicklung kann ein „Kommandospezialkiller“ wohl kaum etwas beitragen.

Bereits drei zentrale Ostermärsche (1997, 1999 und 2007) und verschiedene weitere Protestaktionen machten immer wieder deutlich, dass sie eine solche Eliteeinheit als Hindernis für eine friedliche Politik verstehen. Die offizielle Geheimhaltungspolitik macht Aufklärungsarbeit zu einer zentralen Aufgabe im Kampf gegen das KSK. Dies war ein wesentlicher Impuls für die Gründung der Informationsstelle Militarisierung (IMI) im nahe bei Calw gelegenen Tübingen – zeitgleich mit der Aufstellung des KSK.

Alle friedenspolitisch gegen das KSK aktiven Gruppen eint die grundsätzliche Analyse: Die Einsätze von Spezialkräften sind sowohl die Speerspitze als auch ein integraler Teil von militärischen Auslandseinsätzen. Wenn es gelingt, die Einsätze des KSK zu stoppen, dann könnte dies auch den Einstieg in den Ausstieg aus Auslandseinsätzen erleichtern.

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Mitglied im Vorstand der Informationsstelle Militarisierung