The Germans to the front - sorry - auf dem Wege zur militärischen Führungsgruppe im Globalisierungsprozess

von Andreas Buro
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Die Friedensbewegung darf sich nicht irre machen lassen, eine nicht-militärische Bekämpfung des irregulären Terrorismus zu fordern. Schon einmal war 1993 das World Trade Center Ziel eines Angriffs radikaler Islamisten. Durch internationale Ermittlungs- und Fahndungsarbeit wurden schließlich alle fünf Täter gefasst und gerichtlich verurteilt. Statt Krieg gegen Afghanistan zu führen und unzählige,Kollateral-Tote` in Kauf zu nehmen, gilt es, zur Verfolgung der Täter polizeiliche und juristische, vielleicht auch diplomatische, geheimdienstliche und politische Mittel, möglichst unter Führung der UN einzusetzen. Diese müssen unserer Werteordnung entsprechen. Alle militärischen Wege führen nur zur Eskalation weiteren Terrors auf allen Seiten.

Schon hat US-Präsident Bush möglicherweise über viele Jahre andauernde Kriege gegen den Terrorismus angekündigt. Angeblich erstreckt sich das Terror-Netzwerk von Al Quaeda, über etwa 60 Länder. Das wäre eine neue Auseinandersetzung von der Größenordnung des Ost-West-Konflikts. In der Logik derer, die den militärischen Einsatz der Bundeswehr befürworteten, müssten sich in der Folgezeit die Kriegseinsätze auf alle diese Länder beziehen. Das vorgesehene Einsatzgebiet reicht deshalb konsequenterweise von der arabischen Halbinsel über Mittel- und Zentralasien bis Nord-Ost-Afrika und zu den angrenzenden Seegebieten. Von einer kooperativen Lösung der Weltprobleme in Bezug auf Armut, Umwelt und Demokratisierung der Gesellschaften könnte dann nicht mehr die Rede sein. Unsere eigenen Gesellschaften laufen Gefahr, zu Polizei- und Sicherheitsstaaten zu verkommen und ihre bisher errungenen demokratischen Qualitäten zu verlieren. Sie dürften nach 10 Jahren nicht wiederzuerkennen sein.

Die Kriegspläne werden schon jetzt vorbereitet. Viele fürchten, der nächste Krieg könne sich gegen den Irak richten. In der Tat massiert Bagdad bereits Truppen an der Grenze zu seinen kurdischen Gebieten, die vermeintlich unter dem Schutz der USA stehen. Die Kurden dort sind die einzigen Kräfte, die am Boden die Funktion der afghanischen Nord-Allianz übernehmen könnten. Sie werden, wenn die USA und ihre Alliierten losschlagen, die ersten sein, die von den irakischen Garden angegriffen werden. Die,Kollateralschäden` in der Zivilbevölkerung werden enorm sein. Der Terror wird keine Grenzen kennen.

Der Begriff des Terrorismus ist in der jüngsten Vergangenheit als Kampfbegriff gegen den Terror von islamisch-arabischer Seite missbraucht worden, als sei das deren Spezialität, während es keinen Terrorismus in den Reihen der Anti-Terrorallianz gäbe. Das zielt auf Volksverdummung. Nehmen wir zum Beispiel den russischen Staatspräsidenten Putin, der in Tschetschenien einen unermesslichen Staatsterror entfaltet hat. Er spricht im Bundestag und bietet sich als Partner im Kampf gegen den Terrorismus an. Der Bundeskanzler applaudiert und möchte Putins Terror als Anti-Terror neu bewerten.

Viele kennen den Begriff des Terrorismus als individuellen Terror, dort wo Fürsten durch Attentate umgebracht wurden oder die RAF Prominente ermordete. Im zweiten Weltkrieg sprachen beide Seiten bei der Bombardierung von englischen und deutschen Städten von Terrorangriffen. Damals besetzten die deutsche Wehrmacht und die Waffen-SS große Gebiete. Der Terror von Besatzungsregimen bestand unter anderem in Geiselnahme und Erschießungen. Den Vertreibungsterror haben wir jüngst in den Balkan-Kriegen erlebt. Staatsterror gibt es nicht nur in Tschetschenien, dem Irak und im Iran, sondern auch in der Türkei gegen die Kurden in Algerien und anderswo. Die Abschreckungsstrategien im Ost-West-Konflikt mit der Androhung von atomaren Genoziden waren jahrzehntelanger Psychoterror.

Die Wurzeln des Terrors liegen in der weltweit verbreiteten Haltung, Konflikte gewaltsam auszutragen. Dabei ändern sich die Formen des gewaltsamen Konfliktaustrags ständig. Die militärisch unorthodoxe oder irreguläre Anwendung von Gewalt im Guerilla-Krieg der Schwachen gegen die Starken wurde in der Nachkriegszeit als Terrorismus gebrandmarkt. Später sollten die anti-kolonialen Befreiungsbewegungen der Dritten Welt als feige und hinterhältig diffamiert und der Krieg der alten und neuen Kolonialmächte zum gerechten und ritterlichen Krieg erhoben werden, während er in Wirklichkeit in den Kolonien immer terroristisch war.

Während der französischen Revolution formulierte der Jacobiner Robespierre: "Die Tugend soll durch den Schrecken herrschen." Solchen Terror vollbringen auch Staaten, sobald sie die Übereinstimmung der Mittel ihrer Herrschaft mit den menschenrechtlich demokratischen Zielen aufgeben. Nicht nur die Schreckensherrschaft der Taliban ist dafür ein Beispiel sondern auch die Bombardierung der afghanischen Städte und Infrastrukturen mit ihren großen Kollateralschäden und den noch ausstehenden Hungertoten. US-Verteidigungsminister Rumsfeld brachte den Terrorismus des Krieges auf den Punkt. Er sagte über die in Kundus eingeschlossenen Taliban-Milizen: "Meine Hoffnung ist, dass sie entweder getötet oder gefangen genommen werden." (FR 21.11.01) Unter solchem militärischen Kalkül wurden auch die Bosnier in Srebrenica ermordet.

Der Begriff des Terrors durchbricht die scheinheilige Schwarz-Weiß-Malerei der Terror- und der Anti-Terror-Koalition, die gleichlautend behaupten, die Ziele rechtfertigten terroristische Mittel. Aufrufe zum heiligen Krieg oder zum Kreuzzug gegen das Böse sind Appelle für Terrorismus.

Die Grundhaltung, die im militärischen Terrorismus seinen Ausdruck findet, fragt nicht nach dem eigenen Schuldanteil an den Ursachen, die zur Gewalt führen. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu kennzeichnet den antagonistischen Zusammenhang der Koalitionen: "Man kann bedauern - und viele Araber und Muslime tun dies -, dass der Widerstand gegen Herrschaft und Imperialismus kein anderes Ausdrucksmittel gefunden hat als dasjenige, das die religiöse Tradition, oft in ihrer strengen, archaischen Ausprägung, bietet. Aber man darf auch nicht vergessen, dass die ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturen, die die koloniale und neo-koloniale Herrschaft mit hervorgebracht haben, die Modernisierung der religiösen Botschaft nicht begünstigt haben, und dass die westlichen Länder und ihre Geheimdienste unablässig daran gearbeitet haben, sämtliche progressiven politischen und kulturellen Bewegungen im Keim zu ersticken - und dies auch heute noch tun." (FR 21.11.01)

Warum jedoch lässt sich die Bundesregierung und die rot-grün-gelb-schwarze Koalition auf diesen Krieg und die ihm folgenden ein, ja drängt geradezu auf militärisches Dabeisein? Die Befreiung der Afghanen von der Unterdrückung durch die Taliban war niemals das Ziel dieses Krieges. Das wäre schon lange möglich gewesen, doch wen interessierten schon die Afghanen bis zum 11.9.! Wenig überzeugend ist auch die Behauptung, der deutsche Militäreinsatz wäre besonders wichtig für den Austrag des Krieges. Fast alle deutschen Leistungen können von den USA ebenso erbracht werden. Eine Ausnahme ist der Spürpanzer Fuchs, der jedoch erst in einem Krieg gegen Irak, wenn chemische und biologische Waffen verwendet werden könnten, wichtig werden dürfte.

Auch die These, wer militärisch dabei sei, könne den politischen Kurs und die militärische Strategie mitbestimmen, ist angesichts der selbstherrlichen Haltung der USA absurd. Allenfalls bei der Beseitigung der Folgeschäden des Krieges, dazu gehört auch die Afghanistan-Konferenz in Bonn, hat Deutschland vielleicht etwas Einfluss.

Vieles weist daraufhin, dass es der rot-grünen Regierung für Deutschland vornehmlich darum geht, in den Rang einer weltweit operierenden Militärmacht aufzusteigen und so im militärischen Feld mit England und Frankreich gleichzuziehen. Ein derartiges Bemühen ist nicht erst seit der vermeintlichen Stunde Null, die es gar nicht gibt, zu beobachten. Es ist ein systematischer Bestandteil der deutschen Politik, alle Beschränkungen, die Alliierte und Grundgesetz Deutschland in militärischer Hinsicht nach 1945 auferlegt hatten, abzustreifen. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der deutsch-deutschen Vereinigung wurde eine wesentliche Schwelle auf diesem Wege entfernt. Seitdem reißt die Diskussion über die Einsätze out-of-area nicht mehr ab.

Die,Verteidigungspolitischen Richtlinien` von 1992 verkündeten schon lauthals das Ziel, die deutschen Interessen überall in der Welt militärisch zu verteidigen. Die Neue NATO wurde 1999 unter deutscher Zustimmung konstituiert. Sie soll außerhalb der geographischen Begrenzungen und außerhalb des Verteidigungsauftrages, ja auch notfalls ohne Rücksicht auf die Statuten der Vereinten Nationen, also unter Vertragsbruch, operieren. Systematisch wurde dann der deutsche Militärbeitrag unter Zustimmung fast aller Parteien im Bosnien-Krieg gesteigert. Sofort nach dem Jugoslawien-Krieg der NATO beschlossen die EU-Außenminister das schon lange vorher vorbereitete Konzept, die EU zu einem eigenständigen militärischen Faktor mit Interventionstruppe auszubauen, wogegen sich weder Rot noch Grün sperrten.

Als Delikatessen der Militärgeilheit der Bundesregierung sind anzumerken: Trotz allen Bekundungen zur NATO lässt sich Deutschland nun außerhalb des NATO-Bündnisses auf diesen Krieg ein. Ein Kommentator fragte bereits, ob die NATO am Ende sei? Berlin konferiert ferner außerhalb des Rahmens der EU mit den englischen und französischen Kriegspartnern, um Militärisches abzuklären. Wird dadurch nicht die oft beschworene gemeinsame Außenpolitik der EU missachtet und das Vertrauen der EU-Mitglieder untereinander, besonders auch der kleineren zu den größeren Partnern, beschädigt?

Der Krieg in Afghanistan und die folgenden anti-terroristischen Terrorkriege sind die Krönung dieser deutschen Militarisierung der Außenpolitik. Für die Berliner Politik hat die Kriegsbeteiligung einen doppelten Stellenwert. Sie will erstens damit auch im miliärischen Feld aufschließen zur Führungsriege im militärisch gestützten Globaliserungsprozess. Zweitens kann nun das Duo Schröder/Fischer das militärische Potential der Bundeswehr voll auf die Hegemonialwaagschale der EU werfen, damit sich diese noch mehr zugunsten Deutschlands neige. Zugunsten welchen Deutschlands?

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