Brüssel 16. April 1989

Unser Veto - gegen Modernisierung

von Dodo von Randenborgh

"Eine eindrucksvolle Massendemonstration" nannte ein Sprecher des WDR die Demonstration gegen die von USA geforderte Modernisierung und Restrukturierung der Waffenarsenale der NATO auf europäischem Terrain. Diese Manifestation sei nicht ohne Eindruck auf die Regierung in Brüssel geblieben! lmmerhin ein erstaunlicher Kommentar, wenn man bedenkt, daß die Presse in der BRD kaum etwas zu diesem Ereignis zu berichten wußte.

Radio Hilversum meldete 75.000 Teilnehmerlnnen. Das mag stimmen, weniger waren es ganz sicher nicht. Für uns war dies eine Facette des neuen Europa nach unseren Wünschen. Die Stimmung bei Wärme und Sonnenschein wie auf einem großen Volksfest! Aus Nordholland war eine ganze Gemeinde mit der Bürgermeisterin an der Spitze des Zuges angereist, mit Stadtfahnen, Friedenstransparenten und wunderschönen bunten Trachten.
In Düsseldorf hatten wir zusammen mit der Meerbuscher Friedensinitiative einen Bus mieten können. Wir trafen auf eine Gruppe vom Christlichen Friedensdienst aus Frankfurt und eine Vertretung einer Essener evangelischen Kirchengemeinde. Doch das ist für unser Land gemessen an dem Rüstungsarsenal, das hier gelagert ist und noch gelagert werden soll, eine klägliche Beteiligung gewesen. Ich habe am Rande gehört, daß von uns viel mehr erwartet wurde. Insofern war es schon erfreulich, daß unsere Gruppen alle sehr sichtbar und erkennbar waren mit vielerlei phantasievollen Transparenten.
Wir durften erleben, daß uns Menschen am Straßenrand zuwinkten und den langen Marsch mit Applaus begleiteten.  Das tat gut!
Wer uns erstmals nicht begleitet hat, war die Polizei! Ganz offensichtlich haben die Belgier mehr Vertrauen in ihre Demokratie und zu ihren BürgerInnen.
Zwar haben wir bei Einfahrt im Parc Bruxelles Wasserwerfer und Polizeiwagen gesehen, die dort versteckt in Bereitschaft standen. Doch war das ein Miniaufgebot an veralteten Geräten im Vergleich zu dem, was uns hier von Seiten der Polizei jeweils als neueste Waffenschau vorgeführt wird. Nur am Rande des Zuges an den Straßenkreuzungen standen einige Polizistlnnen.
Auch das trug wesentlich zu dem Volksfest-Charakter der Demonstration bei, die ansonsten in Reden und Spruchbändern hochpolitisch war.
Auf der Abschlußkundgebung vertrat uns Helmut Prieß vom Darmstädter Signal. (Leider konnte ich ihn nicht selbst hören.)
Am Rande so manches Wiedersehen alter Kämpferlnnen der Resistance aus der deutschen Besatzungszeit und internationaler Friedensorganisationen wie Weltfriedensrat, Internationale Frauenliga und viele andere.
Brüssel hat uns Frauen, die wir 1983 die STAR-Kampagne dort organisiert  haben, gezeigt, wie sich Veränderungen in Europa abzeichen. 1983 stießen wir allenthalben auf Ablehnung und Unverständnis - heute ist Belgien wach, dies auch dank der Arbeit der Gewerkschafterlnnen.
Brüssel hat uns ermutigt. Wer nicht da war, hat wirklich etwas verpaßt. Wir müssen lernen, uns mehr und mehr an internationalen Aktionen zu beteiligen. Das ist auch ein Weg, Resignation und Frustration abzubauen. Wer auf Korfu Ferien macht, kann auch in Athen oder Brüssel für das Leben demonstrieren!

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Dodo von Randenbourgh ist Vorsitzende der deutschen Sektion der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit.