Büchel

US-AktivistInnen sitzen auf Atomwaffen-Bunker

von Marion Küpker
(c) Herbert Sauerwein

Vom 26. März 2017 bis zum 9. August (Nagasaki-Gedenktag) liefen auch dieses Jahr wieder die Proteste unserer bundesweiten Kampagne Büchel ist überall-atomwaffenfrei.jetzt!. Sie richteten sich gegen die auf dem Bundeswehr-Fliegerhorst Büchel - im Rahmen der sogenannten nuklearen Teilhabe der NATO - stationierten zwanzig US-Atombomben. Gleich der März-Auftakt war ein toller Erfolg: Alle BürgermeisterInnen der größeren Städte rund um Büchel wie Frankfurt, Mainz, Köln, Bonn, Koblenz etc. haben sich mit unserer „20-wöchigen Aktionspräsenz“ solidarisiert und dieses in Grußbotschaften zum Ausdruck gebracht. Die Auftaktblockade der vier wichtigsten Zufahrtstore am darauffolgenden Morgen und zum Dienstbeginn der SoldatInnen setzte das richtige Zeichen zum Beginn der internationalen Verbotsvertragsverhandlungen der Staatengemeinschaft in der UN, die genau am 27. März  - ohne eine VertreterIn aus Deutschland – begann und erfolgreich am 7. Juli beendet wurden!

Büchel
Direkt im Anschluss an die Verbotsvertrags-Verhandlungen kam vom 12.-18. Juli eine elfköpfige US-Delegation nach Büchel. Darunter zwei Nonnen, die Schwestern Ardeth Platte und Carol Gilbert. Sie hatten beide an den Verbotsvertrags-Verhandlungen in New York teilgenommen und saßen für ihre Pflugschar-Aktionen in den USA jeweils für 7,5 Jahre im Gefängnis. Sie hatten u.a. Minuteman III Atomraketen-Silos mit Hämmern bearbeitet und ihr Blut darauf verteilt.

Das Camp füllte sich mit holländischen Catholic Workers, belgischen und französischen AktivistInnen, dem Internationalen Jugendcamp der Friedens- und Begegnungsstätte Mutlangen, Aktiven der Gewaltfreien Aktion Atomwaffen abschaffen GAAA und anderen. Drei Go-In Aktionen, eine Voll-Blockade der wichtigsten Zufahrtstore, Mahnwachen und Vorträge, u.a. zu Uranabbau durch eine Native American Diné Frau, Leona Morgan, bestimmten unsere Woche.

Am Samstag, den 15. Juli, spielten auf unserer internationalen Kundgebung Konstantin Wecker und viele regionale MusikerInnen vor über 300 Menschen am Haupttor. Es war der Haupttag unserer bundesweiten Kampagne. Bewegende Momente, in denen unerwartet zwei Bürgermeister für den Frieden zweier naher Städte, der Verbandsbürgermeister Albert Jung aus Kaisersesch und der Oberbürgermeister Wolfgang Treis aus Mayen, mit dem Fliegenlassen von weißen Tauben ihre Solidarität mit uns ausdrückten!

Die gesamte Kundgebung kann in mehreren Kurzvideo-Clips auf unserer Webseite angeschaut werden.

Aktionen der Internationalen Woche
Der 16. Juli gilt bei den Native Americans als Internationaler Tag für „Aktionen gegen die atomare Kette“: Am 16. Juli 1945 wurde die erste Atombombe Trinity in New Mexiko gezündet und am 16. Juli 1979 gab es den größten Unfall weltweit in der Uranmine Church Rock in New Mexiko, beides Gebiete der Diné Native Americans. So hielten 60 Menschen am Sonntag eine Andacht, in der wir Brot miteinander teilten. Anschließend drangen über 30 Personen durch das Haupttor in den Luftwaffenstützpunkt Büchel ein. Während einige Aktive Brot mit den Soldaten teilen wollten, ließen zwei US-AktivistInnen - John LaForge und Susan Crane - die USA Flagge in der Basis herunter und weitere Aktive legten Brot auf die drei Kampfflugzeuge im Eingangsbereich. Symbolisch sollten diese Flieger „Brot statt Bomben“ an/auf die Menschen verteilen! Die Nonnen forderten, den Kommodore der Basis sprechen zu können, um ihm den Verbotsvertrag überreichen zu können. Sie verlasen den Inhalt immer wieder laut gegenüber den Soldaten. Nachdem die Polizei anrückte und Personalien feststellte, wurden alle Teilnehmenden wieder durch das Haupttor entlassen. Bereits am 14. Juli gab es eine kleinere Go-In Aktion zweier US-AktivistInnen!

Am 17. Juli, früh morgens zu Dienstbeginn, wurden die drei wichtigsten Zufahrtstore von Büchel blockiert. Die beiden Nonnen verlangten von der Polizei, den leitenden Verantwortlichen des Luftwaffen-Stützpunktes Büchel herzubitten, da sie ansonsten nicht freiwillig aufstehen würden. Tatsächlich kam erstmalig der Verantwortliche Oberstleutnant Gregor Schlemmer, der auch das Atombomben-Jagdbomben-Geschwader 33 leitet, zu den BlockiererInnen. Er nahm den Verbotsvertrag entgegen, woraufhin die US-Delegation sich aus der Blockade entfernte. Die weiteren Blockierenden ließen sich beiseite tragen.

Go-In Aktion Montagnacht vom 17. auf den 18. Juli
Zum ersten Mal in der 21-jährigen Geschichte der Proteste gegen die stationierten US-B61-Bomben sind AktivistInnen auf einen der großen Bunker für Atomwaffen gestiegen. Nachdem sie zwei Außenzäune sowie anschließend zwei weitere Zäune aufgeschnitten hatten, die um den großen, mit Erde bedeckten Bunker stehen, saßen die fünf AktivistInnen über eine Stunde unentdeckt auf dem Bunker. Die Gruppe wurde erst bemerkt, als zwei von ihnen herunterkletterten, um „DISARM“ (Abrüsten) auf die Metalltür des Bunkers zu ritzen. Dies löste einen Alarm aus. Umgeben von Fahrzeugen und Wachmännern, die sich u.a. mit Nachtsichtgeräten und Taschenlampen auf die Suche machten, haben sie die Wachmänner schließlich selber auf sich aufmerksam gemacht, indem sie zu singen begannen. Steve Baggarly, 52, aus Virginia; Susan Crane, 73, aus Kalifornien; John LaForge, 61, Bonnie Urfer, 65, beide aus Wisconsin und Gerd Büntzly, 67, aus Deutschland sagten in einer gemeinsamen Stellungnahme: „Wir sind gewaltfrei in den Fliegerhorst Büchel eingedrungen, um die Atomwaffen, die hier gelagert werden, anzuprangern. Wir bitten Deutschland, entweder die Waffen unschädlich zu machen oder sie in die USA zurückzuschicken, damit sie dort abgerüstet werden.“ Nach einer Stunde in Gewahrsam, wo man sie durchsuchte und fotografierte, wurden die fünf durch den Haupteingang des Militärstützpunktes wieder entlassen.

Die AktivistInnen aus den USA kamen auch nach Büchel, um über das Modernisierungsvorhaben der B61-Bombe aufzuklären. Ralph Hutchison aus Oak Ridge Tennessee, wo der neue thermonukleare Kern für die „B61-Model 12“-Bombe hergestellt wird, sagte, dass es ist wichtig sei, deutlich zu machen, dass es sich hier um eine globale Bewegung handelt. Der Widerstand gegen Atomwaffen beschränke sich nicht auf die USA. Das neue B61-12 Programm wird über 12 Milliarden US-Dollar kosten, und sobald die Herstellung irgendwann nach 2020 beginnt, soll Büchel neue Atombomben erhalten.

Erstes Gesamt-Resumée der Aktionspräsenz 2017
Auch dieses Jahr nahmen wieder viele kleinere Friedensorganisationen an Mahnwachen und Blockaden teil. Auffällig war, dass die Gruppen, die letztes Jahr bereits dabei waren, wie z.B. die DFG-VK Köln, Bonn goes Büchel, das Grundrechtekomitee u.a., jetzt in größerer personeller Anzahl und mit jüngeren Menschen viel selbstbewusster Blockaden durchführten. Die erworbene Ortskenntnis und das Einschätzen des polizeilichen Verhaltens führte zu mehr Sicherheit für die Protestierenden. Immerhin gab es in den letzten 20 Jahren noch kein Verfahren gegen BlockiererInnen in Büchel. Auch das Pazifik Netzwerk e.V. traute sich erstmalig im Namen des Verbandes – nicht nur als dessen Mitglieder – an der Aktionspräsenz teilzunehmen. Die Ärzte zur Verhütung eines Atomkrieges IPPNW hielten während ihrer einwöchigen Anwesenheit ein internationales Symposium und ihre jährliche Vorstandssitzung im Camp am Haupttor ab und beschlossen, ab jetzt bis zum Abzug der Atomwaffen jedes Jahr ihre Vorstandssitzung in Büchel zu machen. Erstmalig blockierten sie mit Lock-on's, d.h. die Arme der Blockierenden waren in Rohren miteinander verbunden, was eine Räumung erschweren soll. Und auch die DKP kam dieses Jahr länger und an einem Dienstwechsel-Wochentag, und erstmalig mit ihren jüngeren GenossInnen aus der SDAJ, die auch mit eigenen Lock-on's sehr erfolgreich blockierten: Wartend auf die Polizei, die die Blockaden räumen sollten, standen die Soldaten in größeren Menschen-Trauben an den verschiedenen Zufahrtstoren! Veranstaltungen und Mahnmale, ob im Scheunen-Café im nahegelegenen touristischen Gillenfeld oder der Burg von Cochem; Transparente von der Cochemer Moselbrücke oder der Brücke zum ehemaligen Atomwaffendepot an der Bundesstraße zum Fliegerhorst Büchel: über 40 Gruppen und Personen des öffentlichen Lebens, wie der Pfarrer Rainer Schmidt mit Kreuz auf der Verkehrsinsel am Haupttor oder der Bischof Ackermann von Trier mit einer Andacht auf unserer Friedenswiese, machten direkt am Stützpunkt und regional gegen die Atomwaffen Stimmung.

Ich kann als Mitwirkende des Kampagnenrates der Kampagne Büchel ist überall-atomwaffenfrei.jetzt! schon jetzt sagen, dass die diesjährigen Aktionen meine Erwartungen weit übertroffen haben und wir mit den Selbstverpflichtungs- und Solidaritätserklärungen weiter Aktionen an unserem Symbolort Büchel organisieren müssen. Wir müssen noch mehr Druck auf unsere Regierung für den endgültigen Abzug der Atombomben aufbauen, auch um die geplante Atombombenmodernisierung hier und international zu verhindern! Und Deutschland muss natürlich jetzt dem Verbotsvertrag beitreten!

Die Selbstverpflichtungs- und Solidaritätserklärung finden sich auf unserer Webseite zum Ausdruck. Ich freue mich, Euch zukünftig hier zu sehen!

 

Website: http://www.buechel-atombombenfrei.de

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Marion Küpker ist internationale Koordinatorin der DFG-VK gegen Atomwaffen.