Nordkorea-Iranabkommen

Wer einmal lügt, dem traut man nicht

von Karl Grobe
Im Blickpunkt
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Donald Trumps Vertragsbruch hat Wirkungen, die über das Verhältnis zwischen Iran und den USA weit hinausgehen. Die Beziehungen zwischen der Trump-Regierung und den Iran-Vertragspartnern sind schwer belastet, selbst wenn die betroffenen Europäer (Großbritannien, Frankreich und Deutschland) das Problem kleinzureden versuchen. Die Trumpsche Erpressung der europäischen – man darf noch sagen – Partner macht das Vertrauen in Abkommen, die mit jenem Regime geschlossen werden, ebenso obsolet wie das in von dort gegebene Zusagen. Europäische (und asiatische) Unternehmen quasi mit Ausschluss vom US-Markt zu bestrafen, sobald sie die einseitig von Trumps Regierung gegen Iran verhängten (erneuerten) Sanktionen missachten, ist ein Vorgehen, das im bürgerlichen Verkehr als kriminell gilt.

Russland und China – zwei Staaten, denen der Washingtoner Egomane nichts Gutes wünscht – stehen nun in iranischen Augen als einzige verlässliche Vertragspartner da. Dass die Schanghaier Erdöl-Börse immerhin ein rundes Achtel des Rohölmarktes abwickelt, spielt da für das Förderland Iran durchaus eine Rolle.

Trump hat schließlich auch die Vereinten Nationen direkt brüskiert; der UN-Sicherheitsrat hatte vor drei Jahren den Atomvertrag ausdrücklich gebilligt. Zur Erinnerung: Die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats (China, Frankreich, Großbritannien, Russland und eben die USA) waren gemeinsam mit Deutschland Vertragsunterzeichner.

Die Fernwirkung des Trumpschen Vertragsbruchs in Ostasien ist womöglich noch bedenklicher. Wenn der US-Präsident ein internationales Abkommen dieser Rangordnung einfach missachtet, ist ein Übereinkommen Nordkoreas mit den USA sehr viel unattraktiver. Kim Jong Un und seine Berater fragen sich anscheinend schon, ob das geplante Trump-Kim-Meeting am 12. Juni einen Sinn hat. Während dieser Kommentar geschrieben wird, hat die nordkoreanische Seite bereits eine Nord-Süd-Chefkonferenz in Panmunjom – dem einzigen aktuellen Kontaktort zwischen beiden Staaten ­– abgesagt. Dass südkoreanische und amerikanische Truppen ein Manöver abhalten, in dem auch die Invasion in den Norden geübt wird, ist nicht nur ein Vorwand. Doch der Vertrauensverlust, den Trump seinem eigenen Regime zugefügt hat, wiegt schwerer.

Nordkoreas Führung hat, seit Kim Jong Un die Macht übernommen hat, die Richtung geändert. Statt „songun“ (das Militär zuerst), also bedingungslosem Ausbau der auch atomaren Militärmacht, gilt nun „byungjin“, die parallele Entwicklung von Militärmacht und Wirtschaft. Mehrere Reformen, zuerst in der Landwirtschaft, haben ein gewisses Maß an Marktwirtschaft ermöglicht und eine bestimmte Schicht – nicht nur von Kadern, sondern auch von Unternehmern nordkoreanischen Typs – sozial und ökonomisch aufsteigen lassen. Um diesen neuen Kurs fortzusetzen, ist auch ein entspanntes Verhältnis zum Süden erforderlich; während der Olympischen Winterspiele und erst recht danach hat es vielversprechende Entwicklungen und Entspannungsübungen gegeben.

Doch auch der unmittelbare Kontakt mit Washington – mit dem Ziel, einen Friedensvertrag zu erreichen (der Koreakrieg ist 1953 nur durch ein Waffenstillstandsabkommen beigelegt worden – und das wurde von Südkorea nicht unterschrieben) und dadurch international anerkannt zu werden – war dem Regime in Pjöngjang immer wichtig. Die nukleare Aufrüstung diente auch diesem Ziel – nicht als Verhandlungsobjekt, sondern als politisch-strategische Lebensversicherung. Auf dieses Mittel militärischer Macht zu verzichten fällt der Kim-Führung nicht ein. Ihre Massenmedien verweisen auf Libyen und Irak. Der Verzicht dieser Regimes auf Massenvernichtungswaffen hatte den Staat und die Gesellschaften zerstörende Invasionen nach sich gezogen. Umso weniger wird Nordkorea nach dem Trumpschen Vertragsbruch dem US-Präsidenten vertrauen.

Eine denuklearisierte Halbinsel Korea mit zwei Teilstaaten, deren Existenz von den anliegenden Großmächten China, Japan und Russland garantiert wird, kann ein Fernziel sein. Die „sofortige und totale“ Vernichtung der Nuklearwaffen, wie Trumps Sicherheitsberater (besser: Scharfmacher) Bolton forderte, ist hingegen für Kim kein Thema. An der Abkehr von der Konfrontation hält er schon aus Eigeninteresse fest. Der „chinesische Weg“ oder das vietnamesische „Doi Moi“ sind seiner Konzeption näher als mancher Beobachter im Westen vermutet. Die laut Kim abgeschlossene (vollendete) Nuklearrüstung bleibt mangels besserer Möglichkeiten die Lebensversicherung des Regimes.

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Journalist und Historiker, war Außenpolitik-Redakteur der Frankfurter Rundschau.