Wir sind da (Bundeswehr) – wir auch (Friedensbewegung)

Bundeswehr und neue Medien

von Tobias Pflüger
Schwerpunkt
Schwerpunkt

Die neue Werbeoffensive der Bundeswehr

Die Bundeswehr sieht sich im Kommen. Mit einer breit angelegten Werbeoffensive „auf allen Kanälen“ sprich in allen verfügbaren Medien wirbt die Bundeswehr für sich selbst. Hauptziel der derzeitigen Werbekampagne ist, daß sich möglichst viele der Wehrpflichtigen länger bei der Bundeswehr verpflichten. Neben der üblichen Verpflichtung als Zeitsoldat steht ihnen nun auch eine Verpflichtung als „längerdienende Wehrpflichtige“ auf 23 Monate offen. Die Werbekampagne der Bundeswehr hat Erfolg, die nächste Kampagne 97/98 ist in Arbeit...

Militarisierungswelle im Internet?
Interessant an der Werbeoffensive der·Bundeswehr ist u.a. die offensive Nutzung des Internet für ihre Werbezwecke. „Wir sind da“, das ist das Motto der derzeitigen Werbeoffensive der Bundeswehr. Die Werbespots der Bundeswehr liefen in fast allen Fernsehsendern, in allen überregionalen Zeitungen waren Anzeigen. Doch das reicht der Bundeswehrführung nicht, die Bundeswehr hat ein neues Medium entdeckt: Das Internet. „Dieses Netz hat einen für die Bundeswehr interessanten Nutzerquerschnitt“, so der Chefredakteur der Zeitschrift „Informationen für die Truppe“ im Dezember-Heft: „91 % sind männlich und mehr als die Hälfte gehört zu der besonders interessanten Zielgruppe der 16- bis 24jährigen.“ Das, was die Bundeswehr „Media-Mix-Strategie“ nennt, geht auf: Seit die Bundeswehr im August 96 ihre „Kampagne Wehrpflichtige ‚96“ anlaufen Iieß, nutzen monatlich 165.000 Menschen das Internetangebot der Bundeswehr, viermal so viel wie einen Monat zuvor. Die Nutzerzahlen steigen weiter an...

Und was zeigt die Bundeswehr im Internet?
(http://www.bundeswehr.de oder www.bmvg.government.de)

Die Bundeswehr stellt sich ganz darauf ein, was sie meint, daß die Internet-User haben wollen: So haben die Bundeswehr-Oberen herausgefunden, daß für 86 % „Aktualität“ wichtig ist, 81,5 % wollen „Information“ und 70 % surften aus reiner Neugierde: Also bietet die Bundeswehr ein sachlich-informatives Angebot an: Natürlich finden sich Pressemitteilungen dort, auch Personenbeschreibungen der Bundeswehrführung, so manche Texte über die (neue) Struktur der Bundeswehr, über Strategie und auch über Bewaffnung. Es wird informiert über Berufschancen beider Bundeswehr und über die neuen internationalen Militäraktionen: Ein deutlicher Schwerpunkt liegt auf den Einsätzen der Bundeswehr im ehemaligen Jugoslawien. Und damit einem bei diesen ganzen Texten nicht sofort langweilig wird, gibt es auch viele nette Bilder: Flugzeuge, Hubschrauber, Panzer und Schiffe. Denn das „Zielpublikum“ ist sehr technikinteressiert.

Seit 17. März 1997 ist das Internet-Angebot der Bundeswehr in vollkommen neuem Design. Erstellt werden die Seiten inzwischen von Profis. Anfang des Jahres 1997 suchte die Bundeswehr über das Internet Wehrpflichtige, die das Bundeswehr-Internetangebot gestalten könnten. Jetzt haben sie einen Fachmann gefunden, der schwerpunktmäßig mit der Erstellung der Bundeswehr-Internetseiten seinen Wehrdienst ableistet.

Und warum nun ist die Bundeswehr im Internet?
Vermutlich sind das im wesentlichen zwei Gründe:

- Am Ende des Jahres 1996 wurde eine Seite ins Internet gestellt, die deutlich macht, welches Ziel diese Werbeoffensive - auch im Internet - hat: Die Nachricht „a_123001.htm“ trägt den Titel: „Freiwilligen-Bewerberaufkommen bei der Bundeswehr im Aufwärtstrend. Das Bundesministerium der Verteidigung kann auf ein erfreuliches Jahr hinsichtlich der Bewerbungen um den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr zurückblicken.“ Die Wehrpflichtigen, die sich freiwillig länger verpflichten, können und sollen für Auslandseinsätze der Bundeswehr eingesetzt werden.
- Die Bundeswehr ist grundlegend verändert worden: Von einer Armee, die zur Landesverteidigung da war; in eine international agierende Interventionstruppe mit neuer Strategie, neuer Struktur und neuer Bewaffnung: (Buchtipp hierzu: Tobias Pflüger: Die neue Bundeswehr, Neuer ISP-Verlag·Köln, April 1997). Diese neue Bundeswehr, deren qualitativer Schwerpunkt in Auslandseinsätzen und in Kampfeinsätzen bestehen wird, muß erst noch in der Bevölkerung verankert werden: 11 Millionen DM allein für die Werbespots im Privatfernsehen sind da nach Ansicht der Bundesregierung gut angelegt. Aber: Die frühere Internet-Zeitschrift „planet“ stellte fest, positive Berichte über die Bundeswehr gibt es nur von der Bundeswehr selbst.

Apropos Bewaffnung: Auch die Rüstungsindustrie schläft nicht und ist aktiv im Internet:

So etwa die DASA (Daimler-Benz Aerospace ), der größte deutsche Rüstungskonzern. Das Internet-Angebot der DASA (www.dasa.com) kommt ebenfalls informativ daher. Sie sind internationaler angelegt als die rein deutschen Bundeswehrhseiten. Die verschiedenen Produkte der DASA werden kurz vorgestellt: Von den Kommunikationseinrichtungen der Tochterfirma Dornier GmbH, über die Motoren der MTU bis zu den Flugzeugen und Hubschraubern. Als Ergänzung zu den Bundeswehrseiten gibt es hier auch eine kleine Auswahl aus der Bewaffnung der zukünftigen Bundeswehr: Das Transportflugzeug „Future Large Aircraft“, der Kampfhubschrauber Tiger und wieder der militärisch so wichtige Tornado. Ca. 20 Extraseiten bietet die DASA zum Eurofighter 2000 an, dem teuersten Rüstungsprojekt aller Zeiten. Sie begründen aus ihrer Sicht, warum er gebaut werden solle. Hier findet man noch mehr Bilder und Grafiken, eine Extras DASA-„Gallery“: Der Eurofighter und der Tornado von oben, unten und von der Seite. Zur Krönung kann man sich den neuen Kampfhubschrauber Tiger herunterladen, wie er einen Looping macht.

Holen sich die Militärs das Internet zurück?
Es sieht so aus, als ob das Internet, das früher als militärische Einrichtung entstanden ist, zurückgeholt wird von den Militärs. In den USA ist dieser Trend noch viel deutlicher als in Deutschland: Sämtliche Militär- und Rüstungszeitschriften sind im Internet, die Army und die Navy haben eigene Seiten, ja·selbst einzelne Truppenteile sind im Internet präsent Veteranenverbände der verschiedenen Kriege mit US-Beteiligung, alle Rüstungsunternehmen publizieren dort und das US-Verteidigungsministerium; das Pentagon, bietet umfangreichstes Material. Allein 2.500 Military-Links (Verweise auf andere Seiten) liegen dem Autor vor. Das Internet hat hierzulande noch nicht die Bedeutung wie in·den USA, doch der. Trend ist eindeutig.

Zusammenfassende Thesen:
Holen sich die Militärs das Internet zurück?

1. Die neuen Medien - insbesondere das Internet - werden von Militärs und Rüstungsindustrie seit 1996 als wichtiges Medium für massive Werbung, Öffentlichkeitsarbeit sowie direkte Pressearbeit genutzt.

2. Bei der Bundeswehr steht der Einsatz des Internet für Werbezwecke im Zusammenhang mit der sogenannten Herbstoffensive 1996, einer umfangreichen Werbekampagne.

3. Bei der OASA wird das Internet auch im Zusammenhang mit einer massiven Werbekampagne für den Eurofighter 2000 eingesetzt.

4. Das Internet-Angebot .sowohl der Bundeswehr als auch der DASA sind sehr ansprechend aufbereitet. Beide arbeiten mit einem umfangreichen Grafikangebot, das dennoch keine technischen Probleme bereitet.

5 Bei beiden Anbietern spielt das Angebot von Grafiken von Rüstungsgütern / Waffen eine zentrale Rolle. Beide bieten umfangreich Bilder aller derzeitigen (Bundeswehr) bzw. aller derzeitigen bzw. geplanten Waffentypen mit DASA-Beteiligung an. Hierin ist sicher auch eine Befriedung von Bedürfnissen von Militär- bzw. Waffeninteressierten bzw. offenen Militaristen zu sehen.

6. Die Internetangebote beider Anbieter bieten umfassende Informationen, die man/frau als Normalbürger/in sonst so nicht bekommt. Sowohl bei der Bundeswehr als auch bei der DASA wird weitgehend offen und ehrlich über die neue Bundeswehr informiert.

7. Obwohl die jeweiligen Strategiepapiere der Bundeswehr und der DASA erhältlich sind, fehlen einige wesentliche (die „härtesten“) Informationen. So ist im Angebot der Bundeswehr nur indirekt etwas von den „Verteidigungspolitischen Richtlinien“', dem „Kommando Spezialkräfte“ (der neuen Elite-Kampftruppe der Bundeswehr), oder dem „Bundeswehrplan 1997“ (Planungspapier für die Beschaffungsvorhaben) zu lesen.

Insofern muß, These 6 entscheidend eingeschränkt werden.

8. Technisch sind die Internet-Angebote von Bundeswehr und DASA sehr ausgereift. Es wird auch einiges angeboten, über das nicht jede/r Internets/PC-Nutzer/in verfügt (JAVA, .MPG-Dateien etc.).

9. Die Internet-Angebote von Bundes¬wehr und DASA kommen bei den Inter¬net-Nutzern sehr gut an und werden umfangreich nachgefragt.

10. Insbesondere bei der Bundeswehr; aber auch bei der DASA, bestehen per e-mail umfangreiche Möglichkeiten, Material zu bestellen. Bei der Bundeswehr werden konkrete Beratungsangebote gemacht.

11. Die Internetangebote von Bundeswehr und DASA sind nicht offen militaristisch, wie etwa Angebote von Firmen wie den Mauser-Werken in Oberndorf am Neckar oder diverse US-amerikanische Internetangebote. Bundeswehr und DASA gehen dezenter vor.

12. Es. ist so etwas wie eine Re-Militarisierung des Internet festzustellen.

13. Gegen diese „Re-Militarisierung“ des Internet hilft nur eine Informations-Gegenoffensive. Konkret heißt das, daß die Friedensbewegung, Antimilitaristlinnen, PazifistInnen, militär- und rüstungskritische Informatikerlnnen und kritische FriedensforscherInnen ihre zur Zeit schon recht guten Informationsangebote im Internet aber auch bei anderen neuen Medien weiter verstärken müssen. Wir als Informationsstelle Militarisierung (IMI) e. V. werden uns an der notwendigen Informations-Gegenoffensive aktiv beteiligen.

14. Der Einsatz des Internet für die Werbeoffensiven von DASA und Bundeswehr ist nur ein Teil einer umfangreichen Nutzung neuer Medien dieser Institutionen. Es ist der in der Öffentlichkeit leichter nachweisbare Teil der Nutzung neuer Medien durch Bundeswehr und DASA. Interne Nutzungen neuer Medien sind öffentlich schwerer nachweisbar.

15 .. Die Bundeswehr hat .bei ihrem derzeitigen laufenden Aufrüstungsschub (mindestens 215 (!) neue Beschaffungsprojekte, allein die Großvorhaben mit einem geplanten Finanzvolumen von 130 Milliarden DM) den Schwerpunkt auf dem Bereich der Kommunikation und dem Einsatz moderner Informationstechnologien.

16. Die DASA ist am größeren Teil dieser Rüstungsprojekte beteiligt als zentraler Hauptauftragsnehmer im Bereich der Luftwaffe und häufiger Unterauftragsnehmer im Bereich von Marine und Heer. Sie stellt auch eine Reihe von Rüstungsgütern für den Kommunikationsbereich für die Bundeswehr zur Verfügung.

17. Die oben aufgezeigten Entwicklungen sind Teil einer umfassenden Militarisierung unserer Gesellschaft. Die neue Bundeswehr mit neuer Strategie, neuer Struktur und neuer Bewaffnung ist der zentrale Teildieser Militarisierung, Militär .und Rüstung haben derzeit leider eine enorm hohe Akzeptanz in der Bevölkerung.

18. Die starke Rolle von Militär und Rüstung zieht sich inzwischen durch alle Gesellschaftsbereiche durch. Die Informations- und Kommunikationstechnologien sind nur ein Teil der gesamten Militarisierungsspirale.

19. Diese Militarisierungsspirale ist besonders in der Bundesrepublik Deutschland spürbar, aber auch international feststellbar.

20. Die hohe Akzeptanz von Militär und Rüstung wird begleitet durch eine Art „individuelle Verweigerungshaltung“. Persönlich wollen nur wenige mit Militär und Rüstung direkt zu tun haben. Deshalb gibt es hohe Kriegsdienstverweigererzahlen

21. Aufgrund dieser „individuellen Verweigerungshaltung“ gibt es auch im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien überraschend wenige Unternehmen, die die umfangreichen Aufträge aus der Rüstungsindustrie und von der Bundeswehr annehmen.

22. Ziel muß es sein, diese „individuelle Verweigerungshaltung“' wieder zu einer politischen Verweigerungshaltung gegenüber der enormen Militarisierungsspirale werden zu lassen.

Die in These 13 angesprochene Informations-Gegenoffensive in den neuen Medien müssen wir jetzt starten, denn je besser die Menschen informiert sind, desto weniger sitzen sie der Pseudo-Argumentation z.B. von Bundeswehr und DASA auf. Wir von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. haben inzwischen ein umfangreiches Folienset zu diesem Thema zusammengestellt und sind gerne bereit über das Thema „Bundeswehr, DASA und neue Medien, die neue Aufrüstungswelle und die neue Informationsoffensive von Militärs und Rüstungsindustrie am Beispiel des Internet“ in Vorträgen o.ä. zu informieren. Ein halbes Jahr nach der Vorlage der Thesen ist es an der Zeit, eine neue Einordnung nach den Diskussionsbeiträgen vorzunehmen. Die wesentliche Kritik an den Thesen konzentrierte sich auf den Titel (Holen sich die Militärs das Internet zurück?) und seine Implikationen.

Eine häufige Anmerkung war, daß das Internet aus einer Einrichtung des US-Militärs entstanden ist und daß sich allerhöchstens das US-Militär hier etwas zurückholen könnte und nicht die Bundeswehr. Ein weiterer Hinweis war, daß das Internet so pluralistisch sei, daß eine Dominanz des Militärischen nicht festzustellen sei. Beidem stimme ich voll inhaltlich zu, von einer Dominanz des MiIitärischen kann im Internet nicht gesprochen werden, aber von einer immer deutlicher·werdenden starken Präsenz von·Militär und Rüstung. Die mir zentralen Aussagen habe ich in These 7 und in These 13 gemacht:

Die Bundeswehr und die DASA geben keinen Überblick über ihre gesamten Aktivitäten, es fehlen einige wesentliche (die „härtesten“) Informationen. Der Offensive von Bundeswehr und DASA im Internet ist nur zu begegnen; wenn wir als Friedensbewegung dort eine Informationsgegenoffensive starten. Wir dürfen das (Internet-)Feld nicht den Militärs überlassen!

Auch die Kritiker und·Gegner sind präsent. Auch in Deutschland finden sich Gegner und Kritiker von Aufrüstung und Bundeswehr, so z.B. FIFF (Forum Informatiker und Informatikerinnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung) (http://hyperg,uni-pader¬bom.de/-FIFF), die Informationsstelle Militarisierung (IMI) (www .gaia.de/ imilhtm), Pax Christi (http://ftp.utia. cas.cz/user _ data/hench/px/BRD), die DFG-VK (www .dtg-vk.de), die Kampagne gegen Wehrpflicht in Berlin (http://www.snafö.de/m paign ), jetzt endlich auch das Netzwerk (http://www. friedenskooperative.de) und sehr viele Friedensforscher (nur ein Beispiel: http://staff-www.uni-i:narburg.de/¬rillingr /horne.html) publizieren ebenfalls im Internet.

 

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt
Tobias Pflüger ist stellvertretender Vorsitzender der Partei Die Linke. 1996 war er einer der Initiatoren für die Gründung der Informationsstelle Militarisierung (IMI).